Menden. Die Umstellung von L-Gas auf H-Gas ist nicht mehr aufzuhalten. Warum es nicht ausgeschlossen ist, dass Gas aus Russland in Menden landet.
Die Umstellung des Mendener Gas-Netzes ist nicht mehr aufzuhalten. Im März 2023 soll es soweit sein, dann fließt kein L-Gas, sondern nur noch sogenanntes H-Gas durch die heimischen Leitungen. Was es mit der Umstellung auf sich hat – und warum nicht ganz auszuschließen ist, dass auch Gas aus Russland nach Menden kommt.
Erdgasquellen in Holland und Deutschland versiegen
An der Wand im großen Konferenzraum der Stadtwerke hängt ein Plan, der die Anfänge des Mendener Gasnetzes zeigt. Es ist die Innenstadt mitsamt der Wall-Anlagen und einem alten Standort der Stadtwerke an der Märkischen Straße. Im Jahr 1861. Betrieben wurde über diese Netzstrukturen vor allem die Straßenbeleuchtung. „Das Thema Energie beschäftigt uns bis heute“, sagt Matthias Lürbke und lacht. Als Teamleiter Netzmanagement hat er den Überblick zur derzeitigen Infrastruktur. Fest steht: Die Umstellung von L-Gas auf H-Gas, die im März 2023 erfolgen soll, ist nicht mehr aufzuhalten. Es ist eines der größten Infrastrukturprogramme Deutschlands. Auch wenn das energiehaltigere H-Gas vorwiegend aus Russland stammt. Gänzlich abhängig von Importen aus dem Osten macht sich Menden damit zwar nicht, wirklich auszuschließen, dass russisches Gas in den heimischen vier Wänden landet, ist es aber ebensowenig. Das liegt vor allem daran, dass an verschiedenen Knotenpunkten schon jetzt Gas-Arten gemischt werden. Gefährlich ist das nicht. „Man kann aber schwer sagen, welches Molekül so am Ende in Menden landet“, erklärt Matthias Lürbke.
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Entscheidend dafür ist vor allem die Struktur des Gasnetzes, wie im Netzentwicklungsplan Gas der Fernleitungsbetreiber deutlich wird. Der Bedarf in NRW speist sich derzeit größtenteils aus bestehendem L-Gas, das in Niedersachsen und Großraum Groningen gewonnen wird. Doch gerade in Groningen zeigen sich die Probleme der Förderung: Erdbeben erschüttern immer wieder die Region, sorgen für Risse in Gebäuden. Dabei versiegt diese Erdgasquelle bald und bildet den Hauptgrund für die Umstellung. Daher werde man auf Importe aus Norwegen oder von der Nordsee angewiesen sein. H-Gas gebe es noch für Jahrzehnte.
Generell gilt: „Gas kann nur in eine Richtung fließen. Das liegt am Leitungsverlauf“, sagt Matthias Lürbke. Die Leitungen in NRW orientieren sich demnach eher in Richtung Nordseeküste. Das Netz von Wilhelmshaven oder Emden führt über Bremen und Nordlohne über Osnabrück, Münster, Werne und Dortmund bis in die Asbeck. Dass der Mendener Ortsteil neben prominenten Städten wie Dortmund, Düsseldorf, Wuppertal oder Paderborn auftaucht, ist kein Zufall. Dort befindet sich ein Knotenpunkt für H-Gas der Open Grid Europe GmbH (OGE), einem Fernleitungsbetreiber.
Umstellung in Menden bis Mai 2023
Wie umständlich der gesamte Umstellungsprozess ist, macht der Netz-Experte gleich deutlich. „Es braucht unheimlich viel Personal“, so Lürbke. Alleine in Menden mussten in den vergangenen Monaten 15.000 Gas-Geräte geprüft werden. Die sogenannte Erhebungsphase ist damit abgeschlossen. Nun stehe Menden vor der technischen Umstellung. Ein entsprechendes Schreiben dazu vom Netzbetreiber soll im September an die Haushalte verschickt werden, betont Stadtwerke-Sprecher Josef Guthoff. Nicht zuletzt wegen dieses Aufwandes hatten sich die Stadtwerke im Vorfeld mit anderen Unternehmen in der Region zusammengeschlossen. „Jetzt noch Firmen für die Umstellung zu bekommen, wäre unmöglich“, sagt Matthias Lürbke. Aus einem lokalen Projekt ist so ein regionales geworden. Die Anpassungsphase, also der eigentliche Wechsel auf H-Gas, ist bis Mai 2023 in Menden vorgesehen.
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Technisch gesehen landet das Gas aus den großen Pipelines nicht direkt in den eigenen vier Wänden. Von den Knotenpunkten wie der Asbeck aus sind in Menden insgesamt zwölf sogenannte Übernahmestationen angeschlossen. Dort wird der Druck entsprechend heruntergeregelt, ehe das Gas durch die Leitungen in den Straßen bis in die heimische Gastherme fließt. Zum Vergleich: Im Süden Mendens verläuft ein Leitungsstrang, in dem bis zu 70 Bar herrschen; in den eigenen vier Wänden kommen unterm Strich rund 30 Millibar an.
2045 aber soll spätestens Schluss sein mit Erdgas in Deutschland. Wie die alten Leitungen genutzt werden könnten, macht schon jetzt ein Pilotprojekt der OGE deutlich. Zusammen mit dem Netzbetreiber Thyssengas wird eine Pipeline von Dorsten nach Duisburg gebaut. So will das Unternehmen die Stahlproduktion mithilfe von Wasserstoff deutlich nachhaltiger gestalten. Technisch wäre es ohne weiteres möglich, auch durch ausgediente Gasleitungen Wasserstoff zu pumpen, um so vor allem große Industriebetriebe zu versorgen. „Das alles ist aber nicht nur eine technische Frage, sondern muss auch politisch gewollt sein“, macht Matthias Lürbke deutlich.