Menden. Um die 500 Mendener Energiekunden sind dank Anbieter-Pleiten schon zu Gestrandeten geworden. Die Stadtwerke fangen sie auf – aber nicht umsonst.
Unverhofft viele Privatkundinnen und -kunden haben die Stadtwerke Menden seit Herbst letzten Jahres begrüßen können: Die enorm hohen Einkaufspreise für Strom und Gas an Energiebörsen wie der Strombörse EEX in Leipzig sorgen dafür, dass vor allem kleine Energieanbieter reihenweise Insolvenz anmelden müssen. Sie kaufen jetzt viel teurer ein, als sie die Energie an ihre Kunden wieder abgeben können. Auch prominente Namen wie Stromio oder Gas.de mussten deshalb aufgeben, und ein Ende der Pleitewelle ist noch nicht in Sicht. Etwa 500 Mendener Haushalte sind nach WP-Informationen bisher von Insolvenzen ihrer Anbieter betroffen.
Ersatztarif für Gestrandete liegt deutlich über dem Normalpreis für Bestandskunden
Damit die Heizung trotzdem warm bleibt und das Licht nicht ausgeht, fallen die Kundinnen von Kunden dieser Pleite-Unternehmen automatisch zurück in den Schoß ihres jeweiligen Stadtwerks. Aufgefangen werden sie in einem Grund- und Ersatztarif, der allerdings kein billiges Vergnügen ist: Er liegt deutlich höher als die Fixtarife der Bestandskunden des heimischen Versorgers. Das sind in Menden aktuell 25.500 Stadtwerke-Kunden beim Strom und 10.300 beim Erdgas.
Kluge Langfrist-Einkaufsstrategie hält Stadtwerke-Tarife derzeit auf erträglichem Niveau
Mustermanns: 400 Euro mehr im Jahr
Im jährlichen WP-Haushaltscheck für die Mendener Familie Mustermann wurden die voraussichtlichen Mehrbelastungen für Bestandskunden in den Grundtarifen errechnet. Strom: Familie Mustermann verbraucht durchschnittlich 3500 Kilowattstunden Strom im Jahr. 2021 musste die Familie hierfür 1171,43 Euro zahlen. Hier kommt eine deutliche Kostensteigerung auf die Familie zu. Im Grundversorgungstarif für Bestandskunden müssen die Vier 1268,43 zahlen, also ein Plus von jährlich 97 Euro.Erdgas: Die vierköpfige Familie Mustermann verbraucht jährlich 20.000 kWh für Heizung und Warmwasser und hat dafür im Grundversorgungstarif bisher 1366,08 Euro gezahlt. Dieser Posten wird ebenfalls deutlich teurer, nämlich 1688,09 Euro im Grundversorgungstarif für Bestandskunden – das ist ein Plus von 322,01 Euro.
Es ist die langfristige und auf viele Anbieter ausgelegte Kaufstrategie, die es den Stadtwerken Menden derzeit ermöglicht, ihre Tarife für diese Kunden trotz vier- bis fünfmal höherer Einkaufspreise als noch vor zwei Jahren einigermaßen erträglich zu halten, erklärt Stadtwerke-Sprecher Josef Guthoff auf Anfrage der WP. So sind der Strom und das Gas, die im Januar 2022 durch die Leitungen fließen, im Zweifel schon vor Jahren eingekauft worden, zu damals noch normalen Markttarifen. „Das ist bei den Neukunden, die wir jetzt bekommen, nicht so. Für sie müssen wir aktuell zukaufen, zu den jetzt geltenden hohen Preisen, und wir können im Vorfeld nicht berechnen, wie viele es werden. Deshalb ist dieser Ersatztarif entsprechend höher als die Fixtarife für unsere langjährigen Kunden“, beschreibt Guthoff.
Aufnahme der Neuen zu Normalpreisen? Warum die Stadtwerke dazu Nein sagen
Aber wäre es nicht eine kluge Strategie, den dankbaren Gestrandeten gleich auch die Bestandskundenpreise anzubieten, um sie dauerhaft an den kommunalen Versorger zu binden? „Damit würden wir einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft ausstellen“, hält Guthoff dagegen. Im Klartext: Die Stadtwerke würden hier womöglich dauerhaft drauflegen – und damit täten sie bei der Beschaffung genau das, was andere Anbieter in ihre Schieflagen gebracht hat. Wahlweise, erläutert der Stadtwerke-Sprecher, könnten die Stadtwerke diese Mehrkosten auch auffangen, indem sie die Preise für alle Stadtwerke-Kunden gleichermaßen anheben. „Das wäre aber schlicht unfair gegenüber unseren treuen Bestandskunden.“ Und auch für die mussten die Stadtwerke die Tarife im Herbst anheben.
Viele private Anbieter legen ihre Neukunden-Akquise gerade auf Eis
So lange also die hohen Energiepreise gelten, dürfte sich am Gesamtbild wenig ändern: Für Mendener Kunden bleibt die Insolvenz ihres Anbieters zumindest zeitweilig eine teure Angelegenheit. Wer deshalb aus dem Ersatztarif rasch zu einem anderen günstigeren Anbieter wechseln will, wird sich wundern: „Viele private Unternehmen haben derzeit ihre Neukunden-Akquise komplett auf Eis gelegt, weil sie dabei jetzt nur verlieren können“, weiß Guthoff. Derzeit bleibe nicht mehr als eine Handvoll Alternativen, bei denen wechselwillige Kunden überhaupt noch landen könnten.