Fröndenberg. Der stellvertretende Schulleiter geht in den Ruhestand. Der Abschied wird für den „Steuermann“ zur emotionalen Achterbahnfahrt.

Es dürfte zweifellos einer der aufregendsten Arbeitstage für Hubert Witte an der Gesamtschule Fröndenberg sein. Der Pädagoge geht nach zehn Jahren als stellvertretender Schulleiter in den Ruhestand. Wohin es ihn nun verschlägt, steht dabei bereits fest.

Organisator und Kümmerer

Wenn die Drehleiter der Feuerwehr vor einer Schule Halt macht, hat das oft nichts Gutes zu bedeuten. Doch einen Brand haben die Ehrenamtler diesmal nicht löschen müssen. Im Gegenteil. „Das ist schon etwas ganz Besonderes“, flüstert ein Lehrer vor dem Eingang der Schule. Denn: Für Hubert Witte, zehn Jahre lang stellvertretender Schulleiter, ist es der letzte Arbeitstag. Der Pädagoge geht in Rente. Und um seine letzte Station als Lehrer zu eben einer besonderen zu machen, haben sich Kollegium und Stadtverwaltung einiges einfallen lassen.

Schüler und Kollegium bereiten dem Pädagogen einen emotionalen Abschied mitsamt einer Runde auf der Drehleiter.
Schüler und Kollegium bereiten dem Pädagogen einen emotionalen Abschied mitsamt einer Runde auf der Drehleiter. © Westfalenpost | Tobias Schürmann

Die Sonne brennt sich regelrecht in den Betonboden vor der Gesamtschule, gut 60 Lehrerinnen und Lehrer sowie Vertreter der Stadt tummeln sich am Eingang. Hubert Witte steht über ihnen allen. Heute einmal ganz alleine. Bis zu seinem Büro reicht die Drehleiter zwar nicht, aber dafür steigt er von der Empore über dem Eingang der GSF mit einem Satz in den Korb. Dann kann er noch einmal einen Blick auf „seine“ Schule werfen. Aus 30 Metern Höhe. Dabei steht der Blick von oben auf die GSF fast schon sinnbildlich für sein Wirken an Fröndenbergs einziger weiterführenden Schule. Gerade in den vergangenen zweieinhalb Jahren galt es besonders, nie den Überblick zu verlieren. Ständig neue Vorgaben, ständig neue Stundenpläne. Corona sorgte in vielen Schulen für das reinste Organisationschaos.

+++ Hintergrund: So entsteht der Stundenplan an der Gesamtschule Fröndenberg +++

Witte wird es im Ruhestand in den hohen Norden verschlagen. Die Nordseeküste hat es ihm und seiner Frau besonders angetan. Kein Wunder also, dass die Beschreibungen zu seinem beruflichen Wirken an der GSF mit allerhand maritimen Vergleichen gespickt sind. Witte, so Manfred Zingler von der Bezirksregierung Arnsberg, ist so etwas wie der Steuermann der Gesamtschule; ihm zur Seite steht der Schulleiter Klaus de Vries. Doch statt „in seinen letzten beiden Dienstjahren ruhig daherzuschippern“ hat Witte die GSF zuletzt durch einen regelrechten Orkan namens Corona steuern müssen. „Das hat Ihnen die komplette Bandbreite Ihrer Führungsqualitäten abverlangt“, so Zingler. Denn: Zu den maßgeblichen Aufgaben des stellvertretenden Schulleiters gehört es, nicht nur die Stundenpläne auszuarbeiten und abzustimmen, sondern auch für die Kollegen ein offenes Ohr zu haben. Doch nicht nur Corona ist für die Gesamtschule zuletzt eine Herausforderung gewesen; ebenso war und ist es der millionenschwere Umbau der Schule. „Durch Sie ist die Schule jetzt fit für die Zukunft“, konstatiert Bürgermeisterin Sabina Müller. Hubert Witte werde den Kollegen fehlen und „große Fußstapfen“ hinterlassen. Dessen ist sich sein „Kapitän“ Klaus de Vries sicher.

Kleine Kurskorrekturen

Doch als Hubert Witte 2010 von der Gesamtschule Iserlohn nach Fröndenberg wechselt, da ist der Weg für ihn und die GSF noch gar nicht absehbar. „Ich wollte die Richtung des Tankers Gesamtschule einfach nur ein bisschen verändern, aber viele Kollegen haben mir zuvor gesagt, dass das nicht geht“, sagt Witte und schmunzelt. In seinem dritten Jahr wagt er eine erste, sachte Kurskorrektur. Unterricht im 60- statt 45-Minuten-Raster. Was im ersten Anlauf scheitert, sollte weitere zwei Jahre später aber ein Erfolg werden. Kurskorrektur geglückt. Mit Corona galt es zuletzt dann nicht nur einen kühlen Kopf zu bewahren, sondern auch mit anzupacken. „Ich weiß gar nicht, wie viele Tische und Stühle ich zusammen mit dem Hausmeister so geschleppt habe“, sagt Witte und lacht.

Doch das alles sei ohne die Unterstützung aus dem Kollegium – und ganz besonders seiner Familie gar nicht möglich gewesen. „Meine Familie wusste immer, wo ich bin. Entweder in der Schule oder am Schreibtisch.“ Dem engagierten Pädagogen kullern Tränchen über Wangen, ehe er fast schon euphorisch zum Sektempfang bittet.