Oesbern. Der Verein Kitzrettung fliegt mit Hilfe einer Drohne Felder ab, um vor der Mähsaison Jungwild zu retten – so wie beim Mendener Matthias Höppe.

Anfang der Woche gab es schon morgens um fünf Uhr ungewohnten Flugverkehr über den Wiesen und Feldern des Schladothofes in Oesbern. Landwirt Matthias Höppe stand kurz vor dem Start der Mähsaison, dem ersten Schnitt des Grases, das später als Silage zur Fütterung seiner Milchkühe dienen soll. Für neugeborene Rehkitze ist diese Zeit, in der die Schneidwerke der Mähmaschinen durch das Gras fahren, eine lebensgefährliche Zeit; denn sie haben in den ersten Tagen nach der Geburt noch keinen Fluchtreflex. Matthias Höppe hatte deshalb die Leute von der Kitzrettung Iserlohn e.V. kontaktiert, die mit Hilfe einer Drohne, welche mit Echt- und Wärmebildkamera ausgerüstet ist, die Felder abfliegen, Jungwild suchen und in Sicherheit bringen. Der Verein ist gemeinnützig und die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Auch interessant: Wie Mendener Landwirte sich die Technik zunutze machen +++

Schon bei Sonnenaufgang beginnen die Wildretter mit dem Drohnenflug
Schon bei Sonnenaufgang beginnen die Wildretter mit dem Drohnenflug © Peter Müller

Schon am frühen Morgen, noch in der Dämmerung, haben sich der Jagdpächter Axel Pütter, der in Oesbern gemeinsam mit anderen Jägern dort ein Revier von circa 500 Hektar gepachtet hat, der Drohnenpilot Stefan Pfeifer und die Helferinnen Theresa Schulte und Maja Grothe sowie Helfer Dominik Eulenstein in der Nähe des Europaplatzes eingefunden.

Absuchen der Wiesen vor dem Mähen der Wiesen ist Pflicht

„Wir beginnen so früh, weil die Temperatur dann noch niedrig ist und die Wärmebildkamera die Tiere wegen der höheren Körpertemperatur besonders effektiv wahrnehmen kann“, so Stefan Pfeifer, der sich auf den Start des 6500 Euro teuren Fluggerätes vorbereitet. „Wir rechnen mit einem Einsatz von drei Stunden“, sagt er.

Verein Projekt Kitzrettung

Das Projekt Kitzrettung e.V. beschreibt seine Aufgabe so: Wir retten in Wiesen liegende Wildtiere während der Mahd vor dem Tod.

Spenden nimmt der gemeinnützige Verein gern über die Plattform Betterplace https://bit.ly/3sSrXyf entgegen. Kontakt: Kitzrettung-iserlohn@gmx.de

Jagdpächter Pütter rechnet nicht mit vielen Funden: „Die Ricken, die weiblichen Tiere, sind noch kugelrund. Die meisten Kitze sind hier wahrscheinlich noch nicht abgelegt. In Iserlohn sieht das anders aus. Da sind die Ricken immer etwas früher dran.“ Er erklärt weiter: „Aufgrund der gesetzlichen Regelung sind die Landwirte verpflichtet, vor dem Mähen die Wiesen abzusuchen. Normalerweise erklären ortsansässige Jäger sich bereit, die Wiesen abzulaufen. Dabei halfen früher auch Hunde. Man will sicherstellen, dass kein Tier verstümmelt oder getötet wird.“ Heute sei man durch die Hilfe der Drohne und des Vereins deutlich besser aufgestellt. +++ Das könnte Sie auch interessieren: Gespräche gegen das verklärte Bild der Landwirtschaft +++

Eine Helferin behält die Drohne im Auge, um später einen Stecker zu setzen. 
Eine Helferin behält die Drohne im Auge, um später einen Stecker zu setzen.  © Peter Müller

„Für den Drohnenflug gelten strenge Vorgaben“, erklärt Stefan Pfeifer, Inhaber eines EU-Drohnenführerscheins, der seit 2021 für ein Fluggerät von mehr als 500 Gramm Gewicht obligatorisch ist.„Wir dürfen nicht höher als 120 Meter und nur auf Sicht fliegen und müssen Wetter- und Flugverkehrsdaten einholen. In der Nähe des Segelflugplatzes in Barge gelten beispielsweise weitere Vorgaben“, erklärt er. Man fliege allerdings nur in 30 bis 60 Metern Höhe über die Felder.

Entdeckten Wärme- oder Echtbildkamera ein Tier, gingen Helferinnen und Helfer, vom Piloten per Sprechfunk zur Fundstelle geleitet, dorthin. Sie prüfen, was dort vorliegt. Das könne ein Kitz, könnten aber auch Junghasen sein. Manchmal fänden sie aber auch nur einen Erdhaufen vor.

Ein Kitz, dass bei einer früheren Aktion gerettet wurde. Es wird geschützt und mit Gras angefasst, damit kein menschlicher Geruch übertragen wird.
Ein Kitz, dass bei einer früheren Aktion gerettet wurde. Es wird geschützt und mit Gras angefasst, damit kein menschlicher Geruch übertragen wird. © Stefan Pfeifer

Fundstellen werden mit einem Stecker, einem Erdspieß, an dem Stoff oder Plastikfetzen befestigt sind, markiert. „Sie dienen als Schrecke zur Vergrämung des Wildes. So soll verhindert werden, dass Tiere zurückkehren oder weiterhin Wild auf das Feld kommt“, so Pütter. Wird ein Tier gefunden, wird es mit Handschuhen und viel Gras aufgehoben und in Sicherheit gebracht. „Käme es zu direktem Kontakt mit dem Menschen, würde die Ricke ihr Kitz nicht wieder annehmen“, verdeutlicht der Jäger.

Früher zu Fuß nach Rehkitzen in den Feldern gesucht

Auch für die Sicherheit der Helferinnen und Helfer wird gesorgt. Am Start- und Landeplatz der Drohne wird eine Kennzeichnung ausgelegt. Die Markierung besteht, wie bei einem Helikopterlandeplatz, aus einem großen H auf einem runden Feld in leuchtendem Orange. „Das müssen wir machen, damit niemand aus Versehen in diesen Bereich läuft und durch die Drohne verletzt wird“, verdeutlicht Pfeifer. Auch die Drohne behalten alle im Auge, und der Sprechfunk sorgt für zusätzliche Sicherheit.

Während seine Wiesen noch abgeflogen werden, hat Matthias Höppe zusammen mit seiner Freundin Carla Ollier, die Landwirtschaft studiert hat und gern mit dem Vieh arbeitet, die Kühe gemolken. Sein Vater hat den Traktor und das Mähwerk vorbereitet. „Früher haben wir zu Fuß lange nach Kitzen gesucht. Das geht nun mit der Drohne viel besser“, so der Landwirt.

Die Drohne im Landanflug, vorne ( „H“) die Markierung des Start- und Landplatzes.
Die Drohne im Landanflug, vorne ( „H“) die Markierung des Start- und Landplatzes. © Peter Müller

„Wir wollen direkt nach den Drohnenflügen mit dem Mähen beginnen, damit vor uns kein Wild zurückkehrt“, erklärt Höppe. Er hofft auf eine gute Ernte. Das geschnittene Gras bleibe drei Tage auf dem Feld, dann werde es verdichtet und luftdicht verpackt. Es wird vergoren. Das funktioniere genau so wie beim Sauerkraut. +++ Lesen Sie auch: Für 10.000 Euro: Hegering will mit neuer Drohne Rehe retten +++

Als der Traktor startet, haben die Kitzretterinnen und -retter ihre Arbeit beendet. In diesem Jahr wurde kein Kitz gefunden. Nur ein Junghase wurde entdeckt. Niemand ist enttäuscht, eher ist man erleichtert. „Die Ricken hatten noch keine Kitze gesetzt“, stellt Axel Pütter fest.