Hagen/Soest. Die Fachhochschule Südwestfalen bittet zum Dialog zwischen Landwirten und Verbrauchern. Das Ziel: Vertrauen schaffen und Vorurteile abbauen.

Landwirt Thomas Bettermann ärgert sich oft über das negative Bild, das Verbraucher von Landwirten haben. Im Laufe der Jahrzehnte habe es sich verfestigt. Durch Bilder von Massentierhaltung in den Medien, durch Berichte über Fleischskandale, Insektensterben, Nitratbelastung. „Die wenigsten Menschen wissen, dass wir in den letzten Jahren nicht stehengeblieben sind, sondern uns weiterentwickelt haben und immer nachhaltiger produzieren“, berichtet der 53-Jährige, der auf seinem Hof in Menden-Oesbern 500 Schweine hält. Um die Bilder im Kopf der Realität anzugleichen, bedürfe es eines anhaltenden Dialogs zwischen Landwirten und Verbrauchern. „Um Nähe zu schaffen und Vertrauen auszubauen.“

Es werden noch Interessenten gesucht

Landwirt Thomas Bettermann (53) aus Menden-Oesbern findet: „Das Format der Fachhochschule Südwestfalen kommt zur rechten Zeit.“
Landwirt Thomas Bettermann (53) aus Menden-Oesbern findet: „Das Format der Fachhochschule Südwestfalen kommt zur rechten Zeit.“ © Privat | Privat

Genau diesen Ansatz verfolgt die Fachhochschule (FH) Südwestfalen mit „NRW direkt“. Sie hat dieses Format am 30. April im Raum Soest gestartet. In Pandemie-Zeiten digital. Am 6. Juni soll es in ganz NRW ausgerollt werden. Noch werden Verbraucher gesucht, die sich diesem wissenschaftlich begleiteten Austausch stellen.

„Wir wollen damit unseren Beitrag für mehr Verständnis und Wertschätzung auf beiden Seiten leisten“, berichtet Jessica Berkes vom Fachbereich Agrarökonomie der FH Südwestfalen. Sie hofft, aus den Schlussfolgerungen der Gespräche Ansatzpunkte für eine Öffentlichkeitsarbeit zu ziehen, die das Image der Landwirte verbessern. Verbraucher und Landwirte bekommen, jeweils unter vier Augen, die Chance, langgehegte Fragen zu stellen und miteinander zu diskutieren. „Es gibt keine Vorgaben, kein Zeitlimit.“ Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter stelle vor und nach dem Gespräch Fragen. Bisher haben sich 60 Teilnehmer gemeldet. „Es gibt leider noch ein Ungleichgewicht, weil darunter 45 Landwirte sind. Wir suchen noch Interessenten auf Verbraucherseite“, erklärt Jessica Berkes.

Ehrlichkeit ist gefragt

Für Bettermann kommt dieses Format zur rechten Zeit: „Es ist dieses Nichtwissen über den anderen, das zu Vorurteilen führt und sich schnell verfestigt.“ Nähe zu schaffen, das weiß der Landwirt aus eigener Erfahrung, sei wichtig, um dem entgegenzutreten. Jedes Mal, wenn er Verbrauchern seine Ställe öffne und mit ihnen spreche, merke er, wie das Verständnis für seine Arbeit wächst. Auch er würde für den wissenschaftlich begleiteten Dialog der Fachhochschule Südwestfalen Rede und Antwort stehen. „Um Vertrauen in so einem Gespräch aufzubauen, muss man allerdings ehrlich seinem Gegenüber, aber auch zu sich selbst sein.“ Zu oft, so Bettermann, habe er erlebt, wie Verbraucher mit dem Finger auf Landwirte zeigten, dann aber beim Discounter im Tiefkühlregal zum billigsten Fleisch greifen würden. „Der Verbraucher kann selbst Einfluss auf die Landwirte nehmen, das sollte ihm bewusst sein. Und das kann eines von vielen Gesprächsthemen sein.“

Rücksicht auf die Bienen

Bettermann kann sich noch an seine Ausbildung vor 35 Jahren auf dem Hof in Menden erinnern. Eine Ausbildung auf dem Dorf Oesbern mit weniger als 400 Einwohnern. „Da kamen zur Bauerversammlung 20 Bürger. Heute sind es keine drei.“ Die Entwicklung zur industriellen Agrarproduktion hätten zu einer Entfremdung von der Landwirtschaft geführt. Die aber, sagt der Sauerländer, sei besser als ihr Ruf. Die meisten Landwirte produzierten, wie er, nach artgerechter Nutztierhaltung. Und der Klimaschutz? Der sei mit Sicherheit eines der bestimmenden Dialog-Themen, ist sich Thomas Bettermann sicher. „Und der wäre ganzheitlich zu betrachten.“ Keinem Landwirt sei das Sterben der Bienen gleichgültig. Er kenne Bauern, die ihren Raps erst bei Einbruch der Dunkelheit, wenn sich die Bienen in ihre Stöcke zurückgezogen haben, mit teurem, für Bienen nicht schädlichen Pflanzenschutzmitteln bespritzen. Zu selten werde darüber berichtet. Zu wenige wüssten darüber Bescheid. „Am Ende muss sich aber alles noch für uns rechnen.“

Wer an dem von der Fachhochschule Südwestfalen angebotenem Dialog am kommenden Sonntag teilnehmen möchte, der kann sich bis Mittwochabend (02. Juni 2021) unter folgendem Link anmelden: https://fhswf2017.limequery.com/276189?lang=de