Asbeck/Holzen. Hier kommt sonst kaum jemand hin – der Calcit-Steinbruch in Arnsberg/Menden. Eine Reportage aus der Mondlandschaft mit gewaltigen Maschinen.
Schlamm spritzt hoch. Der Muldenkipper holpert über dicke Brocken. Das Auto daneben wirkt wie ein Spielzeug. Alleine die Reifen des Muldenkippers sind schon so groß wie ein Kleinwagen. Es knirscht und rumpelt als die Baggerschaufel die Felsbrocken auf der Ladefläche abkippt. Hier unten bei Calcit in Holzen gibt’s nur zwei Farben: Grau und das leuchtende Gelb der Fahrzeuge. Ein paar Minuten, dann ist der Muldenkipper wieder voll. Der gelbe Riese wälzt sich wieder die steile Rampe hinauf. Der tiefste Punkt des Steinbruchs liegt gut 170 Meter unterhalb der Abbruchkante. Selbst bei gutem Wetter dringt kaum Sonne zwischen die steilen Hänge. Es wirkt so, als wollte sich da jemand immer weiter zum Mittelpunkt der Erde durchbaggern. Wer zwischen Asbeck und Arnsberg unterwegs ist, sieht davon kaum etwas. Der Steinbruch ist hinter Wällen versteckt. +++ Erweiterungsantrag: Das hat Calcit beim Hochsauerlandkreis beantragt +++
Calcit Edelsplitt: Eigner ist eine niederländische Firma
Was Jahrmillionen zwischen Retringen und Ebberg im Untergrund schlummerte, wird oben zu feinstem Untergrund für den Straßenbau weiterverarbeitet. Das Geschäft läuft gut für Calcit Edelsplitt. Geschäftsführer Jody Koopmans zeigt sich zufrieden. Der deutsche Splitt ist heißbegehrt. Sein niederländisches Mutterunternehmen hatte den Steinbruch gekauft, weil in den Niederlanden der Abbau immer schwieriger wurde. Der Holzener Steinbruch erfüllt für Deutschland eine nationale Aufgabe, liefert Material für die Infrastruktur. Ohne den Splitt könnte keine Straße mehr gebaut oder repariert werden.
„Ich dürfte gar nicht einfach so dicht machen“, sagt Koopmans. Will er aber auch nicht. Im Gegenteil: Calcit will erweitern, ein ganzes Stück Richtung Westen, einige hundert Meter Richtung Asbeck. Die Flanke neben der Bundesstraße soll über einen Zeitraum von gut 30 Jahren verschwinden.
Fotostrecke aus Calcit-Steinbruch: 170 Meter in die Tiefe
Ein ärgerlicher Fehler: Bei der Gesteinsprobe nicht tief genug gebohrt
Verunglückter bei Calcit schon wieder im Büro
Nach dem schweren Unfall mit einem abgerutschten Muldenkipper, sei der verletzte Mitarbeiter von Calcit bereits wieder im Büro gewesen, sagt Geschäftsführer Jody Koopmans. Der Unfall habe noch einmal die Gefahren im Steinbruch gezeigt. Zum Glück habe es über Jahrzehnte keinen schweren Zwischenfall gegeben. Der Unfall hatte am 8. Oktober einen Großeinsatz von Rettungskräften ausgelöst. Um weitere schwere Verletzungen des in der Kabine eingeklemmten Fahrers auszuschließen, musste dieser schonend befreit werden. Die Feuerwehr musste die Kabine des Muldenkippers aufschneiden. Das sei ein Schaden der repariert werden könne, sagt Koopmans. Der Muldenkipper war abgerutscht und etwa fünf Meter tief einen kleinen Hang hinabgestürzt. Viel schlimmere Folgen hatte ein Unfall im benachbarten Herdringer Steinbruch. Dort kam jetzt ein 62-Jähriger ums Leben.
Calcit hat plötzlich Zeitdruck bekommen. Eigentlich wollte das Unternehmen noch einen Streifen in dem bereits genehmigten Bereich unterhalb der Straße Retringen abbauen. „Ich habe einen Fehler gemacht“, sagt Koopmans und fasst sich an den Kopf. Bei Bohrungen sei er genau auf das gewünschte Gestein gestoßen. Beim Abbau zeigte sich aber, dass die Schicht nur zwei Meter stark ist. Untendrunter: 70 Meter dick Lehm. Von der Seite aus lässt sich das gut beobachten. „Wie konnte der Herrgott dass nur so aufschichten“, sagt Koopmans. Der Lehm ist wertlos. Und der Hang kann auch nicht weiter angebaggert werden, weil er sonst instabil wird.
Calcit hat die Genehmigung für die Erweiterung beim Hochsauerlandkreis beantragt. Eine beauftragte Firma übernimmt die Planung. Alleine das habe schon 400.000 Euro gekostet. Es geht um eine Fläche im Westen des heutigen Steinbruchs. Die Fläche ist bereits im Besitz von Calcit und ohnehin im Regionalplan für Erweiterungen vorgesehen. Man sei sich auch ganz sicher, dass dort das gewünschte Material liege, versichert der Geschäftsführer. „So einen Fehler mache ich nicht noch einmal.“
Calcit setzt darauf, dass es keine großen Proteste geben wird. Für die Menschen in Eisborn wird sich wenig ändern. Der Steinbruch rückt nicht näher. Die Entfernung nach Asbeck dagegen wird ein ganzes Stück kleiner. Man werde aber nicht hineinsehen können. „Wir schütten rundherum Wälle auf“, sagt Koopmans. Er versichert, dass kein Anwohner unter dem Steinbruch leiden werde.
Abbau auf neuer Fläche von Calcit ab kommendem Jahr geplant
Die neue Fläche soll im kommenden Jahr in Angriff genommen werden. Wenn die Genehmigung sich zöge, hätte Calcit ein Problem. „Wir müssten den Steinbruch eine Zeit lang stilllegen“, sagt der Niederländer. Die Vorräte, so die Kalkulation reichen aktuell nur bis zum kommenden Sommer.
Der Geschäftsführer zeigt das neue Abbaugebiet. Hier schauen an manchen Stellen graue Rohre aus dem Boden. Der Wanderweg soll verlegt werden. „Wir wollen zwei Aussichtspunkte bauen.“ Die Stromleitung soll verlegt werden und in die Erde kommen. Was man sich kaum vorstellen kann: Auch die Straße zwischen Eisborn und Holzen muss weg. Das Unternehmen will auf eigene Kosten eine neue Straße bauen. Diese soll eine kurze Verbindung zur parallel verlaufenden Straße Möringen sein. Für Autofahrer wird das am Ende sogar eher eine Abkürzung sein. Eine kleine Naturschutzfläche soll an anderer Stelle in größerer Form neu angelegt werden.
Betreiber verspricht Transparenz bei Erweiterung
Koopmans verspricht Transparenz. „Wir wollen das hier zeigen“, sagt er. Er kündigt Termine mit Bürgervertretern aus Eisborn an. Er wolle den Steinbruch auch gezielt einmal zum Anschauen öffnen. Im Alltag ist das nicht möglich. Es ist lebensgefährlich, sich zwischen den großen Maschinen, Sprengungen und instabilen Hängen zu bewegen.
Die neue Abbaufläche soll in zwei Teile geteilt werden. Auf dem hinteren Teil, der die kommenden 20 Jahre zunächst in Ruhe gelassen werden soll, soll zwischenzeitlich ein Windrad entstehen. Koopmans hält die Zwischen-Nutzung für sinnvoll, wirtschaftlich wie sozial. In den Niederlanden spiele bei öffentlichen Ausschreibungen neben dem Preis eine Rolle, wie nachhaltig Material gewonnen wurde. +++ Hintergrund: Ein Muldenkipper stürzt einen Abhang hinunter +++
Schon jetzt lässt sich sagen: In etwa 30 Jahren wird das Kapitel Calcit wohl weitestgehend beendet sein. Richtung Arnsberg liegt kein taugliches Material mehr im Boden. Ein Stück weiter südwestlich Richtung Asbeck und Eisborn wäre noch ein kleinerer unangetasteter Bereich. Dieser gehört allerdings dem anderen Steinbruch-Betreiber Lhoist. Ob dort je abgebaut wird, ist offen. Fest steht: Wenn mal Schluss ist, soll keine Ruine zurückbleiben.
Fotostrecke aus Calcit-Steinbruch: 170 Meter in die Tiefe
See am Boden füllt sich langsam mit Wasser – vielleicht 40 Meter tief
Weit unten hat sich ein kleiner See gebildet. Im Moment wird das Wasser noch abgepumpt. Später soll es sich durch Regen aufstauen. Calcit rechnet mit einer Seetiefe von gut 40 Metern. Genau lasse sich das nicht sagen. „Wir gehen davon aus, dass es seitlich abließt“, sagt Koopmans. Die Rinnsale könnten sich ihren Weg bis zur Hönne suchen. Die Hänge werden abrutschsicher gemacht. Allerdings wolle man auch nicht jetzt bis ins letzte Detail festlegen, was in 30 Jahren gemacht werden soll. „Das sollen die Generationen machen, die damit leben.“