Fröndenberg. Anwohner in Ardey laufen Sturm gegen ein neues Wohnbaugebiet. Die Ratsfraktionen sind gespalten und überziehen sich mit Populismus-Vorwürfen.
Ein geplantes Baugebiet in Ardey spaltet die Politik – und erzürnt Anwohner. Das führt im Fröndenberger Rat gar so weit, dass sich FWG und CDU mit Populismus-Vorwürfen überziehen.
Die Aula der Gesamtschule ist zur letzten Ratssitzung vor der politischen Sommerpause gut gefüllt. Vor allem Ardeyer haben sich in den hinteren Reihen niedergelassen. Das sorgt unterm Strich für eine umfangreiche Einwohnerfragestunde: Wann ist mit einer Bürgerbeteiligung zu rechnen? Wie werden sich die Bauarbeiten auf den Verkehr in und um Ardey auswirken? Wie soll die Sicherheit der Anwohner gewährleistet werden, wenn erst einmal die 40-Tonner durch den Ortsteil rollen – und wie sieht es eigentlich mit dem katastrophalen Kanalsystem aus, das schon vor dem Neubaugebiet vollkommen überlastet ist? „Ich bin diese Woche zweimal abgesoffen“, moniert der Ardeyer Reiner Geisler.
Wirklich zufrieden scheinen die Fröndenberger mit den Antworten allerdings nicht zu sein. Es geht um ihren Ortsteil – und einen Streifen Landschaftsschutzgebiet, der für das geplante Wohnbaugebiet weichen soll. Der Investor, das Unnaer Projektbüro Pro Dev, will wie bereits Am Obsthof in Ostbüren und am Haferkamp in Langschede das Wohngebiet erschließen. Doch dafür bedarf es einer Änderung des Flächennutzungsplans, damit eben jener Streifen Landschaftsschutzgebiet auch überplant werden kann.
FWG-Vorschlag scheitert
Ein Alternativ-Vorschlag der FWG, das nächste Wohngebiet im Fröndenberger Westen im südlichen Teil des Schürenfeldes ins Auge zu fassen, scheitert im späteren Verlauf der Sitzung. Dabei geraten gerade CDU und FWG aneinander, werfen sich gegenseitig Populismus vor. Auf der einen Seite sei der Vorstoß laut Gerd Greczka ein „XXXL-Kostenprojekt“ im möglicherweise zweistelligen Millionenbereich und völlig überzogenen Quadratmeterpreisen, noch dazu in einer schwierigen Hanglage und „eingekesselt“ von Emissionsquellen wie Bahnlinie und B 233.
Auf der anderen Seite führt die FWG einen Ratsbeschluss aus dem Jahr 2012 ins Feld, der genau diese baulichen Möglichkeiten im Schürenfeld ausloten sollte. „Man kann topografisch alles bauen wie in Monaco. Wir wollen in Fröndenberg aber keine Preise wie in Monaco“, kontert Klaus Böning (SPD).
Statt den Fraktionsantrag der FWG in die zuständigen Ausschüsse zur Beratung zu verweisen – was normalerweise eine reine Formsache ist – hat der Rat den Vorschlag allerdings an Ort und Stelle mehrheitlich abgelehnt. Zum Ärger der FWG.
„Die Änderung ist ein erforderlicher Verfahrensbestandteil für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes“, erklärt Bauamtsleiter Stephan Rach. Als Ausgleichsfläche für das Wohngebiet soll eine Fläche in Dellwig herhalten, die ohnehin nicht bebaut werden könne. „Viele Bürger haben sich zu Wort gemeldet. Dieses Thema beschäftigt viele und die Debatten waren kontrovers“, so Lars Köhle (FWG). Seine Vermutung: Die Ausweitung auf das Landschaftsschutzgebiet habe ausschließlich finanzielle Gründe. Nicht zuletzt deshalb beantragt Köhle schließlich eine namentliche Abstimmung. Jedes Ratsmitglied soll sich so klar positionieren – transparent für den Bürger. Doch der Vorstoß scheitert – stattdessen stimmen die Ratsmitglieder geheim ab; wie zuletzt etwa bei der Sperrung des Marktplatzes.
„Es ist die Aufgabe eines jeden Ratsmitglieds, sich ein Bild zu machen“, erklärt CDU-Fraktionschef Gerd Greczka. Daher habe er nicht nur mit den Gegnern, sondern auch mit dem Investor gesprochen. In den hinteren Reihen der Aula bricht hämisches Gelächter aus. Bürgermeisterin Sabina Müller muss einschreiten, die Zuschauer zur Ordnung rufen. Das Argument der Christdemokraten: Wenn der Landschaftsschutzstreifen nicht mit überplant werden kann, werde sich der Investor zurückziehen. Die Stadt stünde mit leeren Händen da und einer möglicherweise lange Zeit brach liegenden Fläche.
Den Landschaftsschutz auszuhebeln, ist für die Grünen sprichwörtlich gefundenes Fressen. „Die Verwaltung treibt das Wohngebiet zusammen mit der SPD und der CDU voran. Wo und wann will man mit nachhaltiger Stadtentwicklung anfangen?“, fragt Andrea Molitor in die Runde. Statt sich den Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen zu schreiben oder mit innovativen Alternativen zu beschäftigen, werde munter nach dem „alten Trott“ weiter geplant.
Signalwirkung befürchtet
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SPD-Fraktionschef Klaus Böning verteidigt hingegen die Haltung der Sozialdemokraten. „Es ist der richtige Weg, auch wenn man darüber sicherlich streiten kann.“ Es sei zwingend notwendig, die Stadt weiterzuentwickeln, „dafür müssen wir Sorge tragen“. Böning selbst ist Ardeyer. Aus seiner Sicht sei die Haltung zu dem Wohnbauprojekt durchaus gespalten. „Wir haben das Wohl der Stadt im Auge zu behalten“, betont Böning. Doch für die Linke könnte die Entscheidung eine ganz andere Tragweite bekommen. „Das könnte Signalwirkung für weitere Investoren haben. Wenn wir jetzt einmal Ja sagen, können wir später nicht mehr Nein sagen“, erklärt Wolfgang Voesch.
Bei 17 Ja-Stimmen, 15 Nein-Stimmen und einer Enthaltung ist unterm Strich mit knapper Mehrheit für die Änderung entschieden worden – inklusive der möglichen Überplanung des Landschaftsschutzstreifens.