Menden. Rückblick und Ausblick: Mendens Museumsleiterin Jutta Törnig-Struck über die ersten Monate nach der Eröffnung des Gut Rödinghausen.

Nach gut vier Jahren Bauzeit wurden im Juni das Herrenhaus und der Park des Gut Rödinghausen offiziell eröffnet. Im August folgte als erste große Veranstaltung das Kunstfest Passagen, später dann der Kreisheimattag sowie die Vergabe des Stipendiums der Märkischen Kulturkonferenz. Weil für die Sanierung des historischen Gebäudes zwar hohe Fördersummen nach Menden flossen, aber die Kosten stetig stiegen, geriet das Projekt immer wieder in die Kritik. Zuletzt beim Kunstfest Passagen, an dessen Programm sich im Vorfeld die Geister schieden. Wie fällt die Bilanz ein halbes Jahr nach der Eröffnung aus? Wie werden Veranstaltungen und Industriemuseum, das bislang noch nicht komplett fertiggestellt ist, angenommen? Und was bringt das historische Gebäude tatsächlich für Menden? Wir sprachen darüber mit Museumsleiterin Jutta Törnig-Struck.

Wie fällt ihr Rückblick auf die vergangenen Monate seit der Eröffnung des Gut Rödinghausen aus?

Jutta Törnig-Struck Es verwirklicht sich, was ich mir gewünscht und erhofft habe. Wir hatten ja im Juni diese sehr turbulente Eröffnung. Wir gingen alle auf dem Zahnfleisch. Dieses Haus ist immer ein Haus gewesen, von dem sehr viele Anstöße, Innovationen ausgegangen sind, aber immer mit großen Schwierigkeiten, sich durchzukämpfen. Das prägt die Geschichte dieses Hauses. Das wird auch nicht anders werden, das weiß ich. Was ich aber jetzt erlebe: 4000 Besucher haben wir seit Ende Juni gehabt, in diesen wenigen Monaten. Wenn wir eine öffentliche Führung anbieten, und ich denke, ich kann mit 15 Leuten durch die Räume gehen und kleine Spezialführungen machen, dann stehe ich hier mit 75. Sie kommen von überall her, auch, weil die Leute sonntags Ausflüge machen – aus Unna, aus Wickede und Soest.

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Sie sprechen mit großer Begeisterung von der besonderen Atmosphäre der Räume, gerade auch des Kaminsaals. Welche Rückmeldungen erhalten Sie dazu?

Wir hatten beispielsweise beim Kunstfest Passagen ja erstklassige Künstler hier, die zwei Dinge sehr genossen haben: die Atmosphäre hier in diesen Räumen und dass wir sie mit so viel Wertschätzung aufgenommen haben. Wir können keine tolle Bühnensituation bieten. Ich kann bei den Sonderausstellungen nur bedingte Möglichkeiten bieten. Aber die Art und Weise, wie wir bildende Künstler und alle Künstler, die hier Aufführungen gemacht haben, betreut und aufgenommen haben – das haben sie uns alle zurückgespielt –, das haben sie selbst nirgendwo so erlebt. Das ist auch die Chance bei unserer Ehrenamtlichen, die das so fantastisch betreuen. Das ist die Chance, sich bei Künstlern so zu etablieren, dass sie gerne wieder dabei sind.

Portrait-Ausstellung mit Robert Lebeck

Für 2020 sind bereits mehrere Veranstaltungen auf Gut Rödinghausen geplant. Unter anderem:

  • Am Samstag, 7. Februar, findet ein Benefizkonzert im Kaminsaal statt mit dem syrischen Geiger Ali Moraly und der Pianistin Susanne Wendel. „East meets West“ ist der außergewöhnliche Konzertabend überschrieben.
  • Besonders stolz ist Museumsleiterin Jutta Törnig-Struck auf die Portrait-Ausstellung „Behauptungen“, die am Samstag, 27. März, um 19 Uhr eröffnet wird. Linda Lebeck, Stipendiatin der Märkischen Kulturkonferenz für Bildende Kunst 2020 im Bereich Fotografie, zeigt erstmals in einer Ausstellung ihre Portraits gemeinsam mit Werken ihres 2014 verstorbenen Vaters Robert Lebeck. „Es ist eine absolute Premiere“, freut sich Jutta Törnig-Struck. Robert Lebeck gilt als einer der bedeutendsten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit. Gezeigt werden in der Ausstellung darüber hinaus Mendener Künstler mit ihren besten Werken.

Das Industriemuseum ist mittwochs und donnerstags von 9 bis 17 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Silvester und an den Feiertagen geschlossen. Der Eintritt ist zunächst frei. Kontakt:

Einen solchen Ruf muss man sich ja auch erarbeiten…

Den muss man sich erarbeiten, und das haben wir mit den ersten Veranstaltungen auf grandiose Weise hinbekommen. Wir haben einen unglaublichen Start hingelegt für das, was noch kommen kann. Hochkarätig und nie abgehoben, es bleibt immer Menden. Es bleiben unsere Künstler mit im Boot, unsere Ehrenamtlichen sind mit dabei und unser Publikum.

War es wichtig, genau so zu starten?

Ich glaube, das war das allerwichtigste. Das durfte hier nichts Gleichförmiges oder das, was es schon überall gibt, werden. Es war wichtig, speziell und originell anzufangen, aber so, dass es uns gelungen ist, dass alle unsere Leute im Boot sind.

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Woran machen Sie das fest, dass die Mendener mit im Boot sind?

Ich nenne ihnen nur mal ein paar Gruppen, die schon hier waren. Das war zum Beispiel eine Demenzgruppe mit Rollstuhlfahrern, das war der Landfrauenverein, die Frauen sind sehr kritisch, aber inzwischen so begeistert, und haben mir so viel Rückhalt mitgegeben. Ein anderes Beispiel: Es war so schön zu erleben, wie bei der Eröffnung der Sonderausstellung der Märkischen Kulturkonferenz mit moderner Kunst der Saal mit dem Mendener Publikum, aber auch aus der gesamten Region, rappelvoll war. Alle wollten nicht nur mit dabei sein und sich ein Bild machen, sondern haben auch mit abgestimmt. Das zu erleben, wie die Mendener im wahrsten Wort mitgegangen sind, war fantastisch.

Ist das auch ein bisschen der Schlüssel zum Erfolg, dass die Menschen mit eingebunden werden und ihnen die Möglichkeit gibt mitzumachen?

Ja, das war das, was wir auch beim Kunstfest Passagen erlebt haben. Ich saß mitten im Publikum, und Werner Innig saß neben mir, beugt sich zu mir rüber und sagt: ‚Wann kann ich hier mal etwas machen‘. Er kam direkt auf die Idee, einen Chansonabend zu veranstalten -- und es war wieder rappelvoll. Beim Frühstück im Grünen kamen zwei Damen auf mich zu und sagten, sie würden immer Englisch kochen, und beim nächsten Frühstück im Grünen würden sie uns gerne helfen. Das ist genau das, was wir in unseren kühnsten Träumen gehofft haben. Dass sich die Mendener identifizieren und sagen ‚Wir wollen unbedingt mitmachen‘, sei es als Ehrenamtliche oder als Künstler.

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Sie haben schon viele Rückmeldungen genannt. Was bringt aus Ihrer Sicht das Gut Rödinghausen für Menden und die Mendener?

Wir bekommen überregional eine große Aufmerksamkeit. Menden erlebt im Moment den unglaublich komplizierten Prozess, ein Museum einzurichten und seine Geschichte zu finden. Wir bekommen viel Anerkennung, weil es ein ein vorbildliches Beispiel dafür ist, wie man aus einer schwierigen Situation das Allerbeste schöpfen kann und das zu einem Highlight machen kann. Wir sind im ganzen Umkreis im Gespräch, weil wir das gestemmt haben. Und weil wir’s geschafft haben, so hochkarätig anzufangen.

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Spielt auch Stolz eine Rolle? Stolz auf das, was geschaffen wurde?

Ja, sie sind stolz zu zeigen, wie wir es mit unserer besonderen Mendener Fähigkeit geschafft haben, aus dieser Schwierigkeit wirklich mit einem Highlight hervorzugehen. Etwas, das uns Ruhm und Ansehen in der ganzen Region bringt. Wir sind jetzt in Lüdenscheid in aller Munde, in Iserlohn, in Hagen. Dr. Rouven Lotz, der Leiter des Emil-Schumacher-Museums, hat gesagt, das ist eine unglaubliche Veranstaltungsstätte. Die Leute begreifen jetzt, dass es Geld und Anstrengung kostet, wenn man ein Bau- und Kunstdenkmal erhalten will, und wenn man den Bürgern hier vor Ort das Recht auf Bildung sicherstellen und gönnen will. Und ich glaube, sie erleben jetzt, dass das durchaus Sinn macht, aber auch, dass man nicht nur dafür kämpfen muss, sondern dass das auch Opfer kostet. Das ist das, was auch die Dückers und die alten Industriepioniere begriffen haben.

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Sie sagen, einige wollen auch wissen, wo das Geld hingeflossen ist….

Es kamen schon mal einige und sagen: Jetzt wollen wir doch mal gucken, was so viel Geld gekostet hat. Das ist ein Spruch, der kommt. Ich finde das auch absolut berechtigt. Und dann gucken sie es sich an und erkennen die Möglichkeiten. Und erkennen, wie toll es ist, wenn wir es so für uns nutzen wie wir es jetzt tun.

Haben Sie für 2020 einen besonderen Wunsch?

Ich wünsche mir, dass das Industriemuseum mit ganz vielen begeisterten Menschen so erfolgreich wie möglich eröffnet wird und die Begeisterung weiterträgt, die hier ihren Anfang genommen hat.

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Gibt es denn schon einen Eröffnungstermin?

Ich habe einen Termin vor Augen, werde ihn aber nicht nennen. Diesmal muss wirklich alles fertig sein und ich möchte uns nicht wieder so unter Druck setzen. Ich denke, es ist zu stemmen, was wir jetzt angedacht haben, aber ich will einfach diesen Druck nicht mehr mir und meinen Mitarbeitern, auch den ehrenamtlichen, zumuten. Es ist auch nicht notwendig.

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