Olpe/Siegen. Der Mann aus Olpe ist wegen unzähliger Straftaten angeklagt. Ein Psychiater schätzt jetzt seine Schuldfähigkeit ein – mit überraschendem Fazit.

Beleidigungen, Bedrohungen, aggressives Verhalten: Der 52-jährige Angeklagte aus Olpe ist in den vergangenen 26 Jahren immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten. „Er verbreitet in Olpe Angst und Schrecken“, bringt es ein pensionierter Polizeibeamter auf den Punkt. Viele fühlten sich unsicher, ängstlich und wechselten deswegen schnell die Straßenseite, sobald sie ihn sähen. Doch: Inwieweit ist der 52-Jährige tatsächlich schuldfähig? Dieser Frage ist der psychiatrische Sachverständige Dr. Thomas Schlömer am Donnerstag vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Siegen nachgegangen. Eine eindeutige Antwort hatte er darauf nicht.

Mann aus Olpe ist wegen über 30 Straftaten angeklagt

Seit Mitte Juli muss sich der Angeklagte wegen einer Vielzahl von Straftaten vor dem Siegener Landgericht verantworten. Insgesamt werden ihm über 30 Delikte zur Last gelegt, die er in den Jahren 2018 bis 2022 begangen haben soll. Dr. Schlömer hatte den Olper bereits in vorangegangenen Prozessen 2019 und 2020 begutachtet. In dem aktuellen Verfahren sollte er erneut psychiatrisch begutachtet werden, allerdings verweigerte er eine weitere Untersuchung. Dementsprechend konnte der Sachverständige ausschließlich auf Basis der zwei vorangegangenen Gutachten und der Aktenlage argumentieren.

+++ Lesen Sie auch: Taifun in Südkorea: Auch Pfadfinderin aus Olpe betroffen +++

Das Fazit: Der Angeklagte leide an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. Charakteristisch für diese Störung sei eine Missachtung sozialer Normen, eine geringe Frustrationstoleranz und eine Affektlabilität. „Es ist eine schwere seelische Störung. Aber die Betroffenen erleiden keinen Realitätsverlust wie bei einer Psychose. Sie können in der Lage sein, das Unrecht ihrer Taten einzusehen“, so Dr. Schlömer. Bei Affekt-Handlungen, also Übersprunghandlungen, die durch einen Trigger ausgelöst werden, sei die Steuerungsfähigkeit jedoch erheblich gemindert. „Kränkung und Respekt sind für den Angeklagten wichtige Themen.“ Heißt: Wenn er sich gekränkt oder respektlos behandelt fühle, reagiere er mit lautstarken Bedrohungen und Beleidigungen.

Den Großteil der angeklagten Straftaten stufte Dr. Schlömer am Donnerstag als Affekt-Taten ein – und damit als Situationen, in denen er vermindert schuldfähig gewesen sein soll. Dazu zählte er unter anderem eine Situation auf dem Dornseifer-Parkplatz „In der Trift“. Hier soll er zunächst eine Mitarbeiterin angegangen sein, bevor eine Kundin dazukam und sich erkundigte, ob sie ihr helfen könne. Daraufhin sei der Olper ausgerastet. „Ich bin noch nie in meinem Leben so angeschrien worden“, so die Kundin. „Er war völlig distanzlos. Ich hatte seinen Speichel im Gesicht.“ Nicht die Worte, sondern die Art und Weise sei ihr lange im Gedächtnis geblieben.

+++ Lesen Sie auch: Sparkasse und Volksbank zahlen nur Mini-Zinsen +++

Anders verhalte es sich mit den Vorfällen, bei denen ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen dem für den Angeklagten entscheidenden Auslöser und der strafrechtlich relevanten Tat lag. Wie im Sommer 2018, als er „wutentbrannt“ eine Zeitungsredaktion aufsuchte, wie die als Zeugin geladene Redaktionsassistentin aussagte. Er wollte den verantwortlichen Redakteur zur Rede stellen, der einen Artikel über den Prozess am Amtsgericht Olpe geschrieben hatte, in dem er unter anderem wegen Körperverletzung angeklagt war. „Er schrie rum, dass er ihm den Kopf abreißen und ihn abstechen werde“, so die Zeugin.

Trotz der Vielzahl der Straftaten sieht Gutachter Dr. Thomas Schlömer ein „Rest Steuerungsfähigkeit“ beim Angeklagten vorhanden. „Bei all den Vorfällen ist es nie zu schweren Verletzungen gekommen. In dieser Hinsicht konnte sich der Angeklagte scheinbar noch kontrollieren.“

+++ Lesen Sie auch: Wenden: Paar kommt aus Florida zur Wendschen Kärmetze +++

Er wirke zwar sehr steuerungsunfähig, sei dazu auf der Handlungsebene aber durchaus in der Lage. Eine derartige dissoziale Persönlichkeitsstörung sei schwer zu behandeln, so Dr. Schlömer. Immerhin nehme im Alter das Potenzial für Aggression und Affektivität ab, Züge davon seien eventuell schon jetzt bemerkbar. Jedenfalls zeigte er sich positiv überrascht davon, wie ruhig der Angeklagte bislang an allen Verhandlungstagen vor Gericht auftrat.

In der kommenden Woche werden sowohl die Plädoyers als auch die Urteilsverkündung erwartet.