Milstenau. Constanze Taralli modelte für Designer wie Valentino und stand mit Diane Kruger vor der Kamera. Heute leitet sie das Yoga-Zentrum in Milstenau.

Constanze Taralli hat einen Rückzugsort erschaffen. Außerhalb der Stadt, mitten im Grünen von Milstenau. Die Motorengeräusche der Autos sind in weiter Ferne. Die Luft ist klar. Der Wind lässt die Grashalme tanzen, aus dem umliegenden Baumkronen ertönt seichtes Vogelgezwitscher. Hier steht seit über 250 Jahren das alte Bauernhaus. Massive Steine, dunkle Fachwerkbalken, Schieferdach. Die Klingel ist abgestellt. Der schrille Ton würde sich nicht in diesen friedlichen Rahmen einfügen. Die schwere Holztür ist nicht verschlossen. Wer sie aufdrückt, betritt eine andere Welt. Eine Welt, die sich gefühlt langsamer dreht. Eine Welt, in der sich niemand verstellen muss. Eine Welt, in der die Last auf den Schultern weniger wiegt. Vielleicht sogar ganz verschwindet.

Constanze Taralli sitzt im Schneidersitz auf dem Podest im Yoga-Raum und bringt die Hände vor dem Herz zusammen.
Constanze Taralli sitzt im Schneidersitz auf dem Podest im Yoga-Raum und bringt die Hände vor dem Herz zusammen. © Britta Prasse | Britta Prasse

„Ich wollte einen Ort erschaffen, der sich nach Ankommen anfühlt“, erzählt Constanze Taralli. Die 50-Jährige hat vor gut zwei Jahren das Yoga-Zentrum „Yoga Now“ in Milstenau eröffnet. Dabei geht es hier viel mehr als um Yoga. Zumindest mehr als um das, was Yoga in der westlichen Kultur bedeutet. Menschen sollen hier die Möglichkeit bekommen, die eigene Mitte, die eigene innere Balance zu finden. Weg vom Labyrinth geprägt durch Leid und Konditionierung, hin zu einem Freiraum, in dem es keine Vorurteile gibt. Weder sich selbst noch der Welt gegenüber. Yoga wird hier nicht ausschließlich als Sport und Achtsamkeitsübung verstanden, sondern als einen Übungsweg aus der traditionellen indischen Philosophie. Ein Weg, der aufzeigen kann, wie man sich selbst und dem Leben begegnen kann. Ein Weg, der lang und schmerzhaft sein kann, der aber auch Frieden und Ausgeglichenheit bereithält.

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Auch Constanze Taralli hat einen langen Weg hinter sich. Sie wurde in Siegen geboren und wuchs dort bis zu ihrem achten Lebensjahr auf, bevor ihre Eltern mit ihr nach Mailand zogen. Ihr Vater hatte bei ThyssenKrupp gearbeitet, fand in Italien einen Anschlussjob. „Das erste Jahr in Mailand war sehr hart für mich“, erinnert sich Constanze. Der Umzug von der grünen Kleinstadt in die Metropole – die „Beton-Wüste“ – fällt ihr schwer. Sie kann kein Italienisch sprechen, und auch wenn sie auf eine deutsche Schule geschickt wird, findet sie zunächst keinen Anschluss. Sie fühlt sich isoliert.

Constanze Taralli (Dritte von links) steht mit anderen Models zusammen. Links neben ihr steht Diane Kruger.
Constanze Taralli (Dritte von links) steht mit anderen Models zusammen. Links neben ihr steht Diane Kruger. © Privat | Privat

Trotz allem gewöhnt sich Constanze in den kommenden Jahren an die italienische Lebensweise. Aber: Sie fällt auf. Mit ihrer Größe von 1,80 Meter und ihren blonden Haaren sticht sie aus der Menge heraus. Als sie 14 Jahre alt ist, wird sie von einem Model-Scout auf der Straße angesprochen; ob sie sich vorstellen könne, mal Testbilder bei einem Fotografen machen zu lassen. „Meine Mama ist damals mit mir mitgegangen. Ich war total fasziniert von dem Prozedere. Geschminkt und frisiert zu werden – als junges Mädchen findet man das schon toll“, erzählt Constanze und lacht. Ihre Bilder kommen gut an, Mitte der 1980er-Jahre wird sie bei einer Model-Agentur unter Vertrag genommen. Ihren ersten Model-Job hat sie für das Kosmetik-Unternehmen „Johnson & Johnson“, es folgen weitere Jobs für Armani, Valentino und andere Designer. Auch für den berühmten Fotografen Helmut Newton stand sie vor der Kamera.

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Nachdem Constanze ihren Realschulabschluss auf der deutschen Schule gemacht hat, arbeitet sie weiter als Model. Aber sie merkt schnell, dass ihr diese Welt nicht das gibt, wonach sie sucht. „Für mich gab es keine Weiterentwicklung. Ich konnte mich nicht verbessern. Entweder man passt rein oder eben nicht“, sagt Constanze. Sie möchte mehr Tiefgang in ihrem Leben und entscheidet sich für einen Kurs, in dem sie sich mit autogenem Training beschäftigt. Mit Aldo Taralli lernt sie jemanden kennen, der sie fördert. Mit 19 Jahren beendet sie ihre Model-Karriere und holt ihr Abi nach. Ein Jahr später zieht sie mit ihren Eltern zurück nach Siegen und absolviert eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. „Das war überhaupt nicht meins, das habe ich schon zu der Zeit gemerkt. Aber ich hab’s durchgezogen“, erinnert sich Constanze.

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Was sie aber ihrem persönlichen Glück immer näherbringt, sind die Meditationen. Sie taucht immer tiefer darin ein. Als sie 21 ist, erlebt sie etwas, das ihr weiteres Leben grundlegend verändert. Es gibt ein „Davor“ und ein „Danach“. Wenn sie davon erzählt, kommen ihr noch heute, 30 Jahre später, die Tränen. Sie sieht ihren bisherigen und weiteren Lebensweg, sie versteht, ein Gefühl des Ankommens. Schwierig in Worte zu fassen. Erst recht für westliche Zivilisationen. Es folgen mehrwöchige Aufenthalte in einem Ashram in Piacenza in der norditalienischen Region Emilia-Romagna. „Hier habe ich meine Quelle des Wachstums gefunden“, sagt Constanze. Hier wird ein einfaches Leben in der Natur praktiziert, mit der Rückbesinnung auf das Wesentliche. Meditation, das Studium seiner Selbst, Unterweisung – „Es gab mir die Möglichkeit, mich selbst zu erfahren, wie Energie in mir fließt und wie ich all das weitergeben kann.“

Idee für das Yoga-Zentrum in Milstenau entstand beim Rotwein-Abend

Constanze heiratet und bekommt mit 32 Jahren ihren Sohn. Auch ihn nimmt sie immer wieder mit ins Ashram nach Italien. Sie ist Hausfrau und Mutter, entdeckt mit Mitte 40 Yoga für sich. „Ich war zunächst auf der Suche nach einem Sport, der zu mir passte. Als ich dann mit Yoga angefangen habe, merkte ich, was für eine riesige Inspiration darin steckt.“ Kirsten Reska, Yogalehrerin und Mitgeschäftsführerin des Maxsport in Attendorn und Elspe, sprach Constanze an, ob sie nicht mal selbst einen Yogakurs übernehmen wolle. Der Fokus auf Meditation und Yoga wird noch stärker, als Constanze sich scheiden lässt. Da ist sie 46. „Ich saß abends mit meinen Mädels zusammen und wir haben bei Rotwein philosophiert, wie es jetzt weitergehen soll. Sie meinten: ‚Mach doch auch ein Yoga-Zentrum auf!‘“, erinnert sich Constanze und lacht. Sie folgt diesem Rat.

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Constanze lässt sich am Institut für Yoga und Gesundheit in Köln zur Yogalehrerin ausbilden, macht weitere Seminare und Fortbildungen im Bereich Work-Life-Balance-Coaching und Stressless-Business-Yoga. Sie eröffnet zunächst ein Yoga-Zentrum an der Stettiner Straße in Attendorn, bis sie schließlich vor zwei Jahren auf das alte Bauernhaus in Milstenau aufmerksam wird. Hier findet sie genau das, was ihre Arbeit vervollständigt: eine friedliche, naturnahe Umgebung. Das Gefühl des Ankommens, das im Außen widergespiegelt wird.

Ein Blick in den Yoga Raum: Jedem Teilnehmer wird eine Matte, ein Kissen und eine Decke zur Verfügung gestellt.
Ein Blick in den Yoga Raum: Jedem Teilnehmer wird eine Matte, ein Kissen und eine Decke zur Verfügung gestellt. © Britta Prasse

Es habe lange gedauert, sich im Sauerland zu öffnen, meint Constanze. Denn jegliche spirituelle oder esoterische Erfahrung werde hier prinzipiell vorverurteilt. „Durch Corona und die aktuelle Krise erleben wir aber gerade einen Wandel. Menschen suchen neue Wege und Inspiration. Viele haben ihre eigenen Bedürfnisse durch den Job oder durch äußere Einflüsse zurückgestellt. Das macht nicht nur unzufrieden, sondern auf Dauer auch krank. Die meisten haben Angst vor Veränderung, vor einem neuen Anfang. Dabei steckt genau darin die Chance“, sagt Constanze. Sie selbst hat es vorgelebt. Und genau hier, an dem friedlichen Rückzugsort in Milstenau, möchte sie auch andere dazu ermutigen. Die persönliche Festplatte umzuschreiben, um für sich selbst und die Gesellschaft heilsam zu sein. „Wir alle haben das Recht so zu leben und zu fühlen, wie wir sind.“ Ein Gedanke, der sehr viel Last von den Schultern nimmt. Ein Gedanke, der berührt. Und vielleicht alles ändern kann.

>>> AUCH ENTSPANNUNGSKURSE UND MASSAGEN

  • In dem „Yoga Now“-Zentrum, Milstenau 45, arbeitet Constanze Taralli mit einem Team aus Expertinnen, das neben Yoga-Kursen auch Yogatherapie, Entspannungskurse und verschiedene Massagen anbietet.
  • Mehr Infos und Eindrücke gibt es auf www.yoga-now.org.