Kreis Olpe. Die Kinderärzte in Olpe haben mit Personalmangel und Krankheitsfällen zu kämpfen. Eltern sind zunehmend frustriert – und werden ausfallend.

Die Belastungssituation ist groß. „Es gibt zu wenig Kinderärzte im Kreis Olpe. Es könnten locker zwei weitere Kinderärzte im Kreis arbeiten. Diese zwei fehlenden Ärzte kompensieren wir aktuell“, meint Joachim Füllenbach, Kinderarzt in der Gemeinschaftspraxis in Olpe. Die Folge: lange Wartezeiten und gefrustete Eltern, die sich zum Teil respektlos gegenüber den medizinischen Fachangestellten verhalten.

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Prinzipiell falle montags besonders viel Arbeit an. Wenn die Kinder über das Wochenende erkranken, rufen Eltern direkt am Montagmorgen in der Praxis an. „An solchen Tagen kann es vorkommen, dass bis zu 50 Leute gleichzeitig auf unsere Telefonleitung zugreifen. Dann kann es sein, dass man auch schon mal bis zu 45 Minuten in der Warteschleife hängt“, erklärt Füllenbach. Er könne nachvollziehen, dass dabei die Nerven blank liegen. Zumal es ab und zu vorkomme, dass Anrufer schon mehrere Minuten in der Warteschleife hängen und dann plötzlich aus der Leitung fliegen. „Das ist leider ein technisches Problem, mit dem wir zu kämpfen haben. Unsere Leitungen sind zu gewissen Zeiten extrem belastet. Leider hat unser IT-Dienstleister dafür bisher noch keine Lösung gefunden“, so Füllenbach. Das sei ärgerlich. Liege aber nicht in der Verantwortung des Praxispersonals.

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Kinderarzt Joachim Füllenbach sitzt in einem Behandlungszimmer.
Kinderarzt Joachim Füllenbach sitzt in einem Behandlungszimmer. © Archivbild/WP

Wut und Frust würden dann häufig ungefiltert an die ersten Ansprechpartner weitergegeben: die medizinischen Fachangestellten. Manchmal würden Eltern sogar ausfallend, beschimpfen oder beleidigen Mitarbeiter. „So etwas geht gar nicht“, betont Füllenbach. Erst in dieser Woche sei es wieder zu solchen Zwischenfällen gekommen, sodass die Gemeinschaftskinderarztpraxis ein Statement auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hat. Darin schreibt sie unter anderem: „Alle unsere Mitarbeiter arbeiten unter maximalem Zeitdruck und versuchen den großen Arbeitsanfall bestmöglich zu bewältigen. Daher dulden wir Unfreundlichkeit gegenüber unseren Mitarbeitern nicht! Beschwerden sind ausschließlich an die ärztlichen Kollegen zu richten. Wer Mitarbeiter unfreundlich behandelt oder gar beleidigt, muss sich eine andere Praxis suchen!“ Tatsächlich habe man in der Vergangenheit bereits Eltern der Praxis verweisen müssen, so Füllenbach.

Der Kinderarzt beobachtet bei einigen Eltern eine große Anspruchshaltung. Eine Erwartung, dass ein Termin sofort vergeben wird und sich dieser am besten ohne großes Umorganisieren in den individuellen Alltagsplan einfügt. Mit Tausenden kleinen Patienten in der Datenbank sei das aber schlichtweg nicht möglich. Zumal es auch Zeitfenster für Notfälle geben muss. Eine Situation, die hin und wieder auch ausgenutzt werde, sagt Füllenbach: „Teilweise haben wir dann Kinder in der Praxis, die mit akuter Atemnot angekündigt worden sind und später relativ munter vor uns sitzen.“ Deswegen bittet er darum, nicht alle Krankheitssymptome automatisch als Notfall einzustufen. Ein Notfall sei zum Beispiel gegeben, wenn Säuglinge unter drei Monaten Fieber von mehr als 38,5 Grad haben und nicht ausreichend trinken. „Das sind Situationen, in denen ich nicht mehr warten kann. Wir haben relativ selten wirkliche Notfälle in der Praxis, weil man für derartige Beschwerden für gewöhnlich ins Krankenhaus fährt.“

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Die Kinderarztpraxis sucht händeringend nach medizinischen Fachangestellten. Vor allem, weil durch das hohe Stresslevel auch immer wieder Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen. Allerdings fehle es an Bewerbern, meint Füllenbach. Dementsprechend können Anfragen nur so schnell beantwortet werden, wie es die personelle Situation im Team zulasse. Das wiederum erfordere Geduld und Verständnis seitens der Eltern.

Schlechte Bewertungen über Google

Die drastischen Worte ihres Kollegen kann Nezahat Baradari, Kinderärztin und SPD-Bundestagsabgeordnete aus Attendorn, komplett nachvollziehen. Auch in ihrer Praxis komme es regelmäßig zu unschönen Begegnungen mit ungehaltenen Eltern. „Die Anspruchshaltung hat sich leider ins Negative verändert. Manche Eltern haben die Erwartung, sofort einen Termin oder eine Beratung zu bekommen, am besten schicken wir die Medikamente auch gleich nach Hause“, ärgert sich die Kinderärztin, die wie ihr Kollege händeringend medizinische Fachangestellte such.

Nur: „Wir haben keine Bewerber.“ Die Unzufriedenheit einiger Eltern münde sogar in einer schlechten Bewertung über Google – „in diesem Moment fühle ich mich nur noch ungerecht behandelt.“ Sie wünsche sich, gerade nach dem anstrengenden Herbst und Winter, mehr Wertschätzung und Verständnis der Eltern. Baradari gibt offen zu: „Wir sind ausgelaugt.“

Nezahat Baradari, SPD-Bundestagsabgeordnete und Kinderärztin aus Attendorn.
Nezahat Baradari, SPD-Bundestagsabgeordnete und Kinderärztin aus Attendorn. © photothek.net

Die Politikerin gibt der Politik an der aktuellen Situation eine Mitschuld. Es brauche viel mehr Medizinstudiumsplätze. Zudem müsse die Politik schleunigst die wahnsinnig hohen unternehmerischen und finanziellen Hürden, um niedergelassener Kinderarzt zu werden, senken. Ansonsten würde sich die Lage weiter verschlechtern. „Denn wer will ansonsten heute noch Kinderarzt werden“, fragte Baradari und legt den Finger tief in die Wunde.