Kreis Olpe. Auch im Kreis Olpe gehen die Vorräte aus: Antibiotika, Hustenmittel oder Fiebersäfte sind kaum noch verfügbar. Worauf Arzt und Apotheker hoffen.

Ärzte und Apotheker im Kreis Olpe schlagen Alarm: Die Vorräte wichtiger Medikamente wie Antibiotika, Husten- und Schmerzmittel oder Fiebersäfte, die gerade jetzt während der Krankheitswelle dringend gebraucht werden, gehen vielerorts komplett aus. „Wir können durch die massive Arzneimittelmangelversorgung unsere Patienten nicht mehr versorgen“, macht der Lennestädter HNO-Arzt Henrikus Huisman in einem Schreiben, andressiert an die Kinderärztin und SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari aus Attendorn, auf die akute Notlage aufmerksam. Eine ganze Branche schreit regelrecht um Hilfe.

Apotheker Lukas Peiffer aus Attendorn steht vor einem leeren Medikamentenschrank. Vor allem drückt der Schuh gewaltig bei Kinderarzneien.
Apotheker Lukas Peiffer aus Attendorn steht vor einem leeren Medikamentenschrank. Vor allem drückt der Schuh gewaltig bei Kinderarzneien. © Löwen-Apotheke

Als „absolut dramatisch und besorgniserregendend“ schätzt der Attendorner Apotheker Lukas Peiffer (Löwen-Apotheke) die Situation ein, vor allem mit Blick auf die fehlenden Mittel für Kinder. Wirkstoffe gegen Fieber oder Schmerzen, Hustenstiller, Schleimlöser, Antibiotikasäfte – allesamt kaum bis gar nicht zu bekommen. „Der Markt ist leergefegt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat jetzt noch erklärt, dass sich die Liefersituation entspannen würde, doch davon merken wir nichts. Im Gegenteil, gefühlt wird es noch schlimmer. Mehrere 100 Positionen fehlen aktuell bei uns“, nimmt der junge Apotheker aus der Hansestadt kein Blatt vor den Mund. Er sitze abends stundenlang am Rechner, um irgendwie an die fehlenden Medikamente heranzukommen, doch weder über die Großlieferanten noch über die Hersteller sei an Ware heranzukommen. Peiffer hofft nun, dass die Erkältungswelle ganz schnell abflacht.

Liste wird jeden Tag länger

Aktuell seien bei ihm fast 400 Artikel nicht lieferbar, sagt auch Markus Brinker, Inhaber der Marien-Apotheke in Wenden: „Das ist wirklich der Wahnsinn. Die Liste wird fast jeden Tag länger, eine Entspannung ist nicht in Sicht.“ Dies sei jetzt die Folge, dass man sich von der Produktion in Indien und China abhängig gemacht habe. „Wenn ich Glück habe, kriege ich vom Großhandel zehn Ibuprofen-Säfte für Kinder zugeteilt, dann drei bis vier Wochen nichts. Mein Bedarf liegt aber bei 50 Stück.“

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Dramatisch sei die Lage bei Antibiotika: „Bei Penicillin sind wir total abgebrannt. Da ist wirklich nichts zu kriegen.“ Auch Fieberzäpfchen für Kinder seien derzeit nicht lieferbar, berichtet der Apotheker. „Ich importiere jetzt schon aus Polen und Österreich. Das sind eigentlich Pfennigartikel, die haben aber auf einmal den dreifachen Preis.“ Insgesamt gebe es Verständnis bei den Kunden für die derzeitigen Lieferengpässe: „Sie haben davon aus den Medien erfahren. Wenn man selber betroffen ist, ist das Gesicht aber länger. Erklären Sie mal einer Mutter mit Kind, das 40 Grad Fieber hat, dass es keinen Saft gibt.“ Den ganzen Tag sei man damit beschäftigt, den Leuten unter die Arme zu greifen und zu improvisieren, sagt Brinker: „Vom Heilberuf ist nicht viel übriggeblieben. Man ist einfach nur noch zum Beschaffer degradiert.“

Baradari fordert europäischen Verteilmechanismus

HNO-Arzt Henrikus Huisman fordert eindringlich, dass die große Politik nun Abhilfe schafft, immerhin liege die Verantwortung für die aktuelle Notlage bei politischen Fehlentscheidungen. „Was können Sie für unsere Patienten tun? Ein Vertrösten hilft uns nicht weiter, ebenso wenig das Schuldabweisen. Wir benötigen dringend Taten“, bittet der Lennestädter Arzt um Hilfe von Nezahat Baradari.

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Im Gespräch mit dieser Redaktion gibt die SPD-Politikerin ihrem Kollegen insofern Recht, als dass viel zu lange das Motto „Geiz ist Geil“ vorgeherrscht habe und viel zu wenig Geld in die Arzneimittelherstellung geflossen sei. Vor allem müsse man finanzielle Anreize schaffen, damit Pharmaproduzenten, die nach Indien und China abgewandert sind, wieder verstärkt in Europa produzieren. „Wir brauchen einen fairen europäischen Verteilungsmechanismus und müssen bereit sein, mehr Geld in die Hand zu nehmen“, erklärt Baradari, die aus ihrer täglichen Arbeit in ihrer Kinderarzt-Praxis um den eklatanten Mangel weiß.

Sie ergänzt: „Wenn jemand bereit ist, für einen zehntägigen Urlaub 5000 Euro auszugeben, dann sollte er auch bereits sein, mehr als 11 Cent für ein Paracetamol-Zäpfchen zu bezahlen.“ Die Mangellage beeinflussen im negativen Sinne die bekannte Material- und Rohstoffknappheit sowie Lieferengpässe. Baradari verweist im Gespräch mit dieser Redaktion jedoch darauf, dass sie als Mitglied des Gesundheitsausschusses durchgebracht habe, dass künftig Gelder für Kinderarzneimittelstudien zur Verfügung stünden – solche Studien gebe es aktuell nur bei Erwachsenen. Kurzfristig hilft das aber nicht. Und so werden die Apotheker und Ärzte im Kreis Olpe in nächster Zeit weiter um jedes verfügbare Medikament kämpfen müssen.