Lennestadt/Kirchhundem/Finnentrop. Seit vielen Jahren gibt es im Bereich Lennestadt, Kirchhundem und Finnentrop keinen Kinderarzt mehr. Bessere Rahmenbedingungen machen Hoffnung.
Die Kommentare aus der Medizincheck-Umfrage dieser Zeitung klingen wie Hilferufe: „Kinderarzt- oder -ärztin dringend gesucht!“ Dutzende von Lesern äußerten diesen Wunsch, besonders aus Lennestadt, Kirchhundem und Finnentrop und vor allem Familien mit Kindern. Denn seit Jahren herrscht ein eklatantes „West-Ost-Gefälle“ bei der Kinderärztlichen Versorgung im Kreis Olpe, in Zahlen 7 : 0. Doch es gibt neue Hoffnung, dass sich die Lage in den nächsten Jahren verbessern könnte.
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Sieben praktizierende Kinderärzte im Kreis Olpe gibt es derzeit, vier in einer Gemeinschaftspraxis in Olpe, zwei in einer Gemeinschaftspraxis in Attendorn, dazu eine weitere Ärztin in der Hansestadt. Wenden und Drolshagen haben keine Kinderarztpraxis, gehören aufgrund der kurzen Entfernung zum Mittelbereich Olpe.
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Trist bis trostlos sieht es dagegen im Mittelbereich Lennestadt aus, zu dem auch Finnentrop und Kirchhundem gehören: Hier gibt es seit mehr als zehn Jahren keine Kinderarztpraxis mehr. Der letzte, Dr. Thomas Denzer in Altenhundem, schloss seine Praxis 2012, nachdem er 30 Jahre lang der einzige niedergelassene Kinderarzt in Lennestadt war.
Mindestens 20 Kilometer Anfahrt
Seitdem müssen Familien aus dem Ostkreis mindestens 20 Kilometer Anfahrt zum nächsten Kinderarzt in Kauf nehmen, entweder nach Olpe oder Attendorn oder nach Kreuztal, Netphen oder Plettenberg. Doch auch dort sind die Kinderarztpraxen hoffnungslos überlaufen und haben zum Teil Aufnahmestopps verhängt.
Die vielen Kommentare im Rahmen unseres „Medizinchecks“ zu diesem Thema dokumentieren die schwierige Situation. „Kinder sitzen in normalen Hausarztpraxen, da die Kinderärzte überfüllt oder zu weit weg sind. Sie werden dann noch erkältet und mit Fieber nach draußen in den Regen geschickt“, beschreibt eine 40-Jährige aus Kirchhundem ihre Erfahrungen.
„Es muss dringend ein Kinderarzt in der Region Lennestadt/Kirchhundem gefunden werden“, appelliert eine Leserin (36) ebenfalls aus Kirchhundem.
Ein 32-Jähriger aus Finnentrop schreibt: „Eine Kinderstation oder -notdienst wäre ratsam, da keine schnelle medizinische Versorgung im Notfall vorhanden ist. Die Entfernung zu den Kinderkliniken betragen 35 bis 45 Kilometer.“
Versorgungsgrad von gerade mal 89,0 Prozent
In der nüchternen Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe wird der akute Kinderarztmangel mehr als deutlich. Die Statistik weist für die Fachgruppe Kinderärzte im Kreis Olpe einen Versorgungsgrad von gerade mal 89,0 Prozent aus, der mit Abstand schlechteste Wert aller Facharztgruppen im Kreis. Zwei freie Kinderarztsitze im Kreis könnten sofort besetzt werden. Die Frage ist, warum dies nicht gelingt? Die Stadt Lennestadt, immerhin mehrfach als „Familiengerechte Kommune“ zertifiziert, möchte diesen Makel seit Jahren abstreifen, war und ist bereit, viel Geld dafür in die Hand zu nehmen. Sie beauftragte vor Jahren schon einen sogenannten „Headhunter“, um einen Kinderarzt- oder eine -ärztin für das Stadtgebiet zu finden, allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.
Es gab Kontakte, aber alle Bemühungen scheiterten daran, dass es keine etablierte Kinderarztpraxis in Lennestadt mehr gibt. Junge Medizinerinnen und Mediziner seien zwar bereit, als zweiter Arzt in eine Praxis einzusteigen, haben aber kein Interesse, selbstständig und eigenverantwortlich eine Einzelpraxis zu übernehmen oder gar zu eröffnen. Thomas Meier, Fachbereichsleiter Gesundheit und Soziales: „Dass es keine bestehende Kinderarztpraxis gab, war immer die größte Hürde.“
Hausarztzentrum macht Hoffnung
Vor diesem Hintergrund setzt die Stadt große Hoffnung in das neue Hausarztzentrum, das Ende des Jahres am Bahnhof in Grevenbrück entstehen soll. Von den sechs Behandlungs- bzw. Arztplätzen werden zunächst drei mit Lennestädter Hausärzten belegt, die ihre eigenen Einzelpraxen aufgeben, drei Plätze sind frei.
Bürgermeister Tobias Puspas rührte bereits öffentlich die Werbetrommel, dass es auch für eine Kinderärztin oder einen Kinderarzt sehr attraktiv wäre, in das neue Hausarztzentrum einzusteigen und hier im Team mit erfahrenen Ärzten unter einem Dach zu arbeiten.
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Thomas Meier sieht das ähnlich: „Wir sehen hier eine große Chance, dass mit einem modernen, attraktiven Arztzentrum ein neuer Kinderarzt- oder eine -ärztin für Lennestadt zu begeistern ist.“ Man merke jetzt schon, dass das Interesse da ist. Die Stadt stehe hier in engem Kontakt mit Christina Röcher von der Servicestelle für Ärztinnen und Ärzte zur Sicherung der medizinischen Versorgung im Kreis Olpe. Die Servicestelle stellt ein Netzwerk der medizinischen Akteure her und ist auch Anlaufstelle bei Themen wieder Niederlassung, Fördermöglichkeiten etc. für Mediziner/innen und Medizinstudenten.