Kreis Olpe. Wie zufrieden sind die Menschen im Kreis Olpe mit der medizinischen Versorgung? Jetzt liegen die Ergebnisse des großen „Medizin-Checks“ vor.

Wie zufrieden sind die Menschen im Kreis Olpe mit der medizinischen Versorgung? Dieser Frage ist unsere Zeitung im Rahmen des „Medizin-Checks“ nachgegangen. Über mehrere Wochen konnten die Bürger aus den Städten und Gemeinden an der Umfrage teilnehmen. Nun liegen die Auswertungen vor. Rund 1300 Menschen haben ihre Meinungen und Erfahrungen mitgeteilt. Zusammen mit Dr. Martin Junker, Facharzt für Allgemeinmedizin in Olpe und ehrenamtlicher Leiter der Bezirksstelle Lüdenscheid der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), schauen wir uns die Ergebnisse an.

Neben einer allgemeinen Bewertung der medizinischen Versorgung sowie der Krankenhäuser in Form von Schulnoten standen beim „Medizin-Check“ die Wartezeiten für einen Termin beim Hausarzt und bei den Fachärzten im Fokus. Während die Hausarztversorgung in allen Kommunen positiv mit Wartezeiten von „0 bis 2“ Wochen (die geringste Einheit, die angegeben werden konnte) bewertet wurde, fallen einige Fachärzte aufgrund längerer Wartezeiten von „mehr als 8“ Wochen (die höchste Einheit, die angegeben werden konnte) auf.

Basis ist die Bedarfsplanung

Die Anzahl der (Fach-)Ärzte, die sich (im Kreis Olpe) niederlassen dürfen, ist begrenzt. Das legt die Bedarfsplanung fest, dessen Grundlage die Bedarfsplanungs-Richtlinie ist, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erlassen wird. Und genau hier liegt das Problem, sagt Dr. Martin Junker. Die Grundlage ist 1992 entstanden“, betont er. „Diese wurde lediglich 2013 und 2019 grob überarbeitet.“ Allein, was sich seit der Jahrhundertwende mit Blick auf die Notwendigkeit oder auch Akzeptanz im Bereich der Psychotherapie verändert habe, zeige, wie veraltet die Bedarfsplanung sei. „Und das ist auch unser Hauptkritikpunkt“, macht Junker deutlich. „Hier werden mit völlig überholten Maßstäben ein Bedarf festgelegt, der der heutigen Situation nicht mehr angemessen ist.“ Junker fügt hinzu, dass im Bereich der Psychotherapie, der Mehrbedarf aufgrund Post-Corona (besonders bei Kindern und Jugendlichen) und durch den Krieg noch gar nicht abzuschätzen sei. „Das übersteigt die Vorstellung unserer Politiker und unserer Krankenkassen“, sagt er. „Die haben sich dazu kaum Gedanken gemacht.“

Medizin-Check - Die Infos

Es haben rund 1300 Menschen im Kreis Olpe am großen „Medizin-Check“ unserer Zeitung teilgenommen. Die meisten Teilnehmer (20 Prozent) stammen aus Kirchhundem, gefolgt von Olpe (18 Prozent), Lennestadt (14 Prozent) und Attendorn (13 Prozent) und Wenden (13 Prozent) sowie Drolshagen (12 Prozent) und Finnentrop (9 Prozent).

Die meisten Teilnehmer (21 Prozent) waren zwischen 50 bis 59 Jahren, gefolgt von Bürgern zwischen 40 und 49 Jahren (20 Prozent). 67 Prozent der Teilnehmer waren weiblich.

Die Menschen haben im Rahmen unserer Umfrage angegeben, wie lange sie auf einen Facharzttermin warten bzw. wie weit sie bis zum Facharzt fahren müssen.

Wir greifen im Rahmen einer großen Serie unter anderem die Facharztrichtungen auf, die im Rahmen des Medizin-Checks in den einzelnen Städte und Gemeinden mit besonders langen Wartezeiten hervorstechen. Wir fragen Experten nach Ursachen und Lösungen.

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„Bei einigen Ärzten ist es kein Problem, einen Termin zu bekommen. Die Situation bei den Psychotherapeuten ist jedoch eine Katastrophe! Nach 10 Monaten Wartezeit fährt mein Mann nun nach Dortmund“
Anonymer Teilnehmer aus Kirchhundem

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Die Ergebnisse in den Städten und Gemeinden

Die Bedarfsplanungs-Richtlinie wurde Anfang 1990 entwickelt. Für jedes Fachgebiet gibt es Verhältniszahlen, die – vereinfacht ausgedrückt – festlegen, wie viele Bürger in einem Planungsgebiet von wie vielen (Fach-)Ärzten zu versorgen sind. Seitdem hat sich die Bevölkerungsstruktur aber verändert, führt Dr. Martin Junker aus. Nicht nur, dass mittlerweile mehr Menschen in den ländlichen Regionen leben, auch die Altersstruktur habe sich verändert. Das bedeutet konkret, dass es im Kreis Olpe rein rechnerisch ausreichend oder sogar zu viele (Fach-)Ärzte gibt – obwohl für den Bürger ein höherer Bedarf offensichtlich scheint.

Der Allgemeinmediziner und Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung für Südwestfalen, Dr. med. Martin Junker.
Der Allgemeinmediziner und Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung für Südwestfalen, Dr. med. Martin Junker. © Josef Schmidt

Ein Beispiel ist die Hautarztversorgung. Gemäß der Bundesplanung liegt im Kreis Olpe eine Überversorgung von 130 Prozent vor – unsere Umfrage hat jedoch gezeigt, dass 30 Prozent der Bürger länger als acht Wochen auf einen Termin warten müssen. „Die Zahlen der Bedarfsplanung sind Schall und Rauch“, sagt Junker, der auf 46 Jahre Praxiserfahrung blickt. „Die sind für mich völlig irrelevant.“

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Es gibt nicht genügend gute Fachärzte, die Wartezeiten für einen Termin beispielsweise Hautarzt sind extrem lang, wenn man telefonisch überhaupt durchkommt.“
Anonymer Teilnehmer aus Olpe

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Problem der Bürokratie

Aber warum wird die Bedarfsplanung nicht den aktuellen Gegebenheiten angepasst? Darauf hat Dr. Martin Junker eine klare Antwort: „Unsere Politik ist beratungsresistent und sachunkundig“, sagt er. „Die Bürokratie in unserem Staat bringt uns um und geht völlig am Leben vorbei“, sagt Junker. „Der Frust sitzt sehr tief. Da wundert es nicht, dass viele Ärzte Probleme haben, einen Nachfolger zu finden.“

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Es ist jetzt schon absehbar das es zu Engpässen kommen wird im Bereich der Hausärzte. Altersbedingt werden einige in den Ruhestand gehen ohne einen Nachfolger zu finden.
Anonymer Teilnehmer aus Attendorn

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Also ist eine Überarbeitung der Bedarfsplanung allein die Lösung? Daran hat Dr. Junker seine Zweifel. „Ich glaube, das System ist an so vielen Stellen an die Wand gefahren, dass wir eine grundlegende Reform bräuchten.“ Es sei auch nicht nur die Bedarfsplanung – auch das Anspruchsdenken des Einzelnen habe sich verändert. So blockiere das sogenannte Ärztehopping (ein Patient sucht innerhalb eines Quartals mehrere Ärzte derselben Fachgruppe auf) zusätzlich Kapazitäten in den Praxen. „Man braucht auch nicht für alle Beschwerden gleich einen Facharzt“, betont Junker. „Meistens kann auch der Hausarzt helfen.“ Weiterhin sei auch die Auslegung, was ein Notfall sei, ein Problem, was vor allem die Notaufnahmen in den Krankenhäusern zu spüren bekämen. – und zuletzt der Patient, der tatsächlich dringend Hilfe braucht. „Vorsichtig geschätzt, 40 bis 50 Prozent derer, die als Notfall kommen, sind kein Notfall“, sagt Dr.Junker.

Es ist kein „Nicht-versorgen-wollen“ der Ärzte, was zu langen Wartezeiten führe, betont Dr. Junker abschließend ausdrücklich. Es gebe derzeit lediglich keine Handhabe, an der Situation etwas zu ändern.