Kreis Olpe/Attendorn. Ein halbes Jahr nach dem Polizeieinsatz in Attendorn möchte die Mutter des versteckten Mädchens wieder Kontakt. Was sagt die Justiz dazu?

Rechtsanwalt Peter Endemann aus Drolshagen ist es wichtig, dass kein falscher Zungenschlag entsteht: „Meine Mandantin und ich, wir möchten keinen Druck machen. Aber fast ein halbes Jahr nach dem Polizeieinsatz in Attendorn ist es wohl nachvollziehbar, dass die Mutter ihr Kind wenigstens wieder einmal sehen und es in die Arme schließen möchte. Selbstverständlich in Anwesenheit des Jugendamtes.“ Endemann vertritt die Mutter des Mädchens, das laut den bisherigen Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft vermutlich den Großteil seines Lebens im Wohnhaus der Großeltern im Attendorner Grafweg zugebracht, keinen Kindergarten oder Schule besucht hat und auch sonst kaum oder gar keine sozialen Kontakte erlebte. Seither ist es in der Obhut des Jugendamtes und lebt in einer Pflegefamilie.

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Nach sechs Monaten steht die zuständige Staatsanwaltschaft Siegen weitgehend vor „verschlossenen Beteiligten“. Von den Hauptfiguren will sich niemand äußern. Weder die Kindesmutter noch die Großeltern, noch Verwandte oder Bekannte. Und dass das mittlerweile neunjährige Kind zu einer Aussage zu bewegen oder in der Lage sei, eine solche Befragung zu verkraften, zeichne sich nicht ab, wie der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Siegen, Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss, auf Anfrage unserer Redaktion am Mittwochmorgen erneut bekräftigte. Grotthuss: „Wir müssen uns immer noch darauf beschränken, das herbeizuziehen, was wir beiziehen dürfen.“ Das seien ärztliche Begutachtungen über den körperlichen Zustand des Mädchens, aber beispielsweise kein psychologisches Gutachten. Für eine solche Begutachtung müsse bekanntlich der Ergänzungspfleger, Rechtsanwalt Thomas Trapp Grünes Licht geben, ebenso für jede Form der Vernehmung. Die liege nicht vor. Und, so Grotthuss: „Wir können nicht absehen, ob und wann sich da etwas ändert.“ Und weiter: „Das kann durchaus ein dauerhafter Zustand sein. Wir können das Kind derzeit nicht befragen und wenn, könnten wir vermutlich mit den Angaben des Kindes auch nicht viel anfangen.“

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Behörden haben nichts gegen ein Treffen

Von Grotthuss stellte klar, dass seine Behörde gegen ein persönliches Treffen zwischen der Mutter und ihrer neunjährigen Tochter nichts einzuwenden habe. Voraussetzung: „Es muss sichergestellt sein, dass ein solches Treffen von einer weiteren Person begleitet würde, um mit Blick auf das Strafverfahren jegliche Einflussnahme auf das Kind auszuschließen.“ Zur Frage, bis wann die Staatsanwaltschaft den jetzt schon monatelangen schwebenden Verfahrenszustand aufrechterhalten wolle, konnte von Grotthuss keinen zeitlichen Rahmen nennen. Aber: „Wir müssen schauen, was wir an Informationen bekommen und dann irgendwann entscheiden, insbesondere, wenn das Kind dauerhaft nicht vernehmungsfähig ist.“

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Rechtsanwalt Peter Endemann teilte im Gespräch mit unserer Redaktion mit, dass seine Mandantin mit der gebotenen Zurückhaltung mit dem Jugendamt zusammenarbeite und dies auch weiterhin tun wolle: „Die Mutter hat beispielsweise Geschenke zu Weihnachten und zum Geburtstag des Mädchens beim Jugendamt hinterlegt, damit sie weitergegeben werden konnten. Sie hat auch einige Briefe an ihre Tochter geschrieben, die vom Jugendamt eingesehen werden durften.“ Es gebe keinerlei Motivation, einen Konfrontationskurs einzuschlagen, im Gegenteil: „Meine Mandantin hat direkten Kontakt zum Jugendamt, und das wollen wir fortsetzen. Sie hat die Bereitschaft, abzuwarten.“

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Auch an einen Vorstoß in Sachen Sorgerecht sei momentan nicht zu denken. Endemann: „Wir würden uns freuen, wenn es zu einem wie auch immer gestalteten Umgangsrecht kommen könnte.“

Informelle Rückfragen unserer Redaktion bei Kinderpsychologen ergaben, dass vor der Erteilung eines Sorgerechtes ohnehin mehrere Hürden zu nehmen seien. Unter anderem ein sogenanntes Erziehungsfähigkeitsgutachten.

Persönlichkeitsschutz steht an erster Stelle

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte das Kreisjugendamt Olpe am Mittwochmorgen, es werde grundsätzlich nichts zum Verfahren sagen. Kreis-Pressesprecher Holger Böhler übermittelte unter anderem, „dass wir (...) aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes des Kindes keine Antworten geben. (...) Für alles Weitere tritt nach unserer Überzeugung das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen hinter dem Persönlichkeitsschutzes des Kindes zurück. Hier ist die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen, insbesondere auch das Ausmaß, in dem eine Veröffentlichung personenbezogener Angaben die Betroffenen persönlich oder gesellschaftlich beeinträchtigen kann. Ähnliche Medienanfragen haben wir zuletzt ebenso behandelt.“

Die Frage, ob der Kindsvater derzeit ein Interesse habe, seine Tochter zu treffen, konnte dessen Rechtsanwalt, Jens Sonderkamp, nicht beantworten. Er habe momentan keinen Kontakt zu seinem Mandanten.