Kreis Olpe. Viele Türken und Syrer aus dem Kreis Olpe haben Verwandtschaft in der Erdbeben-Region. Sie beten dafür, dass ihre Familienmitglieder überleben.

Ramazan Olmaz’ Onkel hatte Glück im Unglück. Er lebt. „Gott sei Dank“, sagt der Vorsitzende des Finnentroper Moscheevereins. Denn sein Onkel lebt in Gaziantep, einer Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt in der Türkei, die vom schrecklichen Erdbeben mit tausenden Toten in der türkisch-syrischen Grenzregion voll getroffen wurde. „Es ist einfach nur schrecklich. Die Menschen schlafen in ihren Autos, doch Benzin und Diesel gehen aus. Es ist kalt, die Straßen sind zerstört“, versucht der Finnentroper für das, was sich in der Nacht auf Montag ereignet hat, Worte zu finden. Es fällt ihm schwer. Auf seiner Facebook-Seite schreibt der Finnentroper Moscheeverein: „Wir wünschen unseren verstorbenen Bürgern Barmherzigkeit von unserem Herrn, schnelle Genesung den Verwundeten und eine sichere Flucht für unsere Brüder unter den Trümmern.“

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Olmaz ist am Dienstagvormittag auf dem Weg zum Flughafen, als wir ihn erreichen. Ein geplanter Flug mit seiner Frau nach Istanbul, in seine zweite Heimat, bekommt plötzlich einen ganzen anderen Sinn. Wenn seine Hilfe vor Ort gebraucht wird, steht er sofort bereit, verspricht Olmaz. Er selbst verfügt über einen engen Draht zur türkischen Hilfsorganisation Hasene, dem Dachverband des Finnentroper Moscheevereins. Mitglieder dieser Hilfsorganisation seien bereits vor Ort, um humanitäre Hilfe zu leisten, erzählt Olmaz. Er selbst wirbt dafür, über die Organisation zu spenden, damit in der Türkei Decken, Kindermäntel und fertige Nahrung gekauft werden können. Für die Menschen, die seit Montag obdachlos sind.

Vertrauen in Hilfsorganisationen

„Diese Bilder lassen keinen Menschen kalt“, ist auch der Attendorner SPD-Politikerin Nezahat Baradari die Betroffenheit anzumerken. Die Kinderärztin sitzt bekanntlich im Bundestag und kennt viele Kollegen, deren Familien unmittelbar von der Katastrophe betroffen sind. „Ich bin traurig und bestürzt. Man würde gerne selber helfen, doch sind wir tausende Kilometer entfernt“, sagt die Attendornerin, die aus Ankara stammt. Sie vertraut nun auf die Profis vor Ort, auf Hilfsorganisationen wie THW, DRK oder auch der türkischen Organisation Roter Halbmond. „Ich habe die Hoffnung, dass die Hilfe schnell ankommt und viele Menschen noch gerettet werden.“

Als sie am Montagmorgen von dem schlimmen Erdbeben erfahren habe, sei ihr sofort das letzte große Erdbeben in der Türkei im Jahr 1999 in den Sinn gekommen. Ein Erdbeben, das sie aus einem ganz bestimmten Grund niemals vergessen wird. Baradari: „Ich lag damals quasi in den Wehen und habe einen Tag später unsere Tochter zur Welt gebracht. Da lagen Freude und Bestürzung ganz nah beieinander.“ Auch sie bittet um Spenden, beispielsweise über Unicef.

Trainingslager bis Sonntag

Die Fußball-Bezirksligamannschaft von Türk Attendorn absolvierte bis zum vergangenen Sonntag noch ein einwöchiges Trainingslager im türkischen Mittelmeer-Badeort Antalya, wie Trainer Yasin Colak aus Attendorn im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. Wenige Stunden später, in der Nacht zum Montag, begann die Katastrophe. Das Epizentrum des Erdbebens liegt rund 700 Kilometer entfernt von Antalya, im Südosten des Landes. Colak, der selbst aus dem Norden der Türkei stammt, aus der Region Trabzon am Schwarzen Meer: „Wir sind Sonntag Morgen zurückgeflogen. Zwei Tage vorher haben wir in unserem Hotel noch den türkischen Innenminister Süleyman Soylu getroffen und ein Foto mit ihm gemacht.“ Soylu gehört als Innenminister zu den Regierungsmitgliedern, die in den Stunden und Tagen nach dem ersten Beben am häufigsten von den Medien befragt wurden.

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Verwandtschaft in der betroffenen Region hat auch Aziz Dogru, der seit 1980 in Attendorn lebt. Sein Schwager lebt in Hatay, einer arg betroffenen Region. Das Haus, in dem der Bruder seiner Frau mit dessen Familie lebt, stehe zwar noch, doch das Inventar ist zerstört. Schränke sind kaputt, die Wände haben Risse, berichtet Dogru. Ein andere Bruder seiner Frau versuche nun, zumindest die Kinder aus der Krisenregion herauszuholen. Dogrus Schwager kommt dort nicht weg. Er arbeitet in einem Krankenhaus und ist rund um die Uhr beschäftigt. Die Kommunikation mit der Familie sei schwierig, die Infrastruktur völlig zerstört, also beispielsweise auch das Telefonnetz. Dogru: „In mir sitzt tiefe Trauer.“ Für viele weitere Türken und Syrer aus dem Kreis Olpe, die Verwandtschaft in der Erdbeben-Region haben, hoffen darauf, dass ihre Familien dasselbe Glück hatten wie der Onkel von Ramazan Olmaz. Denn er lebt. Und das ist in dieser humanitären Katastrophe zunächst die wichtigste Nachricht.