Kreis Olpe. Lea Klein engagiert sich bei „Fridays for Future“. Ihr Vater ist Mitglied beim Dritten Weg, ihre Mutter bei der AfD. So kämpft sie fürs Klima.

Bei den „Fridays for Future“-Demos in Olpe ist Lea Klein meistens diejenige, die vorneweg läuft. Durch das Megafon schreit sie Parolen wie „Ich sag Klima, Ihr sagt Schutz!“ Hinter den lautstarken Bekundungen steht eine junge, reflektierte Frau. Das merkt unsere Redaktion schnell, als sie sich mit der 20-Jährigen zum Gespräch trifft. Sie erzählt, wie sie sich von ihren Eltern gelöst hat, die rechtes Gedankengut vertreten, mit welchen Vorurteilen Klimaaktivisten konfrontiert werden und wie enttäuscht sie von der Weltklimakonferenz ist.

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Warum bist du Klimaaktivistin geworden?

Ich war letztes Jahr im Juli in der Bigge schwimmen und habe mich so sehr darüber geärgert, wie vermüllt es dort war. Anstatt zu meckern, habe ich angepackt und mit Freunden Müll aufgesammelt. Dazu kam die Flutkatastrophe im Ahrtal, die mich total mitgenommen hat. Ich wollte mich unbedingt engagieren. Ich habe mich mehr mit Leuten umgeben, die genauso denken wie ich. Und so bin ich über Freunde zu „Fridays for Future“ gekommen.

Haben dir deine Eltern schon ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit mitgegeben? Oder kam das erst später?

Meine Eltern können mit Klimaschutz überhaupt nichts anfangen. Mein Vater ist Mitglied beim Dritten Weg, meine Mutter bei der AfD. Meine Mutter leugnet zum Beispiel den menschengemachten Klimawandel. Als sie erfahren hat, dass ich mich bei „Fridays for Future“ engagiere, hat sie mich ausgelacht. Sie meinte, es sei beschämend, dass ich für so etwas auf die Straße gehe. Deswegen habe ich auch nur sporadischen Kontakt zu meinen Eltern. Das ist okay für mich. Ich habe gelernt, nicht mehr länger abhängig von der Meinung oder Bestätigung meiner Eltern zu sein.

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Das klingt traurig, wenn man keinen Rückhalt in der Familie erfährt.

Ganz so schlimm ist es nicht. Der Rest meiner Familie steht hinter mir. Mein Opa, der letztes Jahr leider verstorben ist, hat mich immer unterstützt. Der hat sogar zu Weihnachten vegetarisch gekocht, weil er wusste, dass es mir etwas bedeutet. Auch mit meiner Tante kann ich mich immer gut austauschen.

Die Weltklimakonferenz ist vor knapp einer Woche zu Ende gegangen. Was hast du im Vorfeld davon erwartet?

Ich habe mir angewöhnt, nicht zu viel von solchen Konferenzen zu erwarten. Ich finde solche Konferenzen ungerecht. Meiner Meinung nach nehmen in erster Linie privilegierte Menschen daran teil. Aber jeder Mensch ist von dem Klimawandel betroffen. Und vor allem die weniger privilegierten Menschen in den ärmeren Teilen dieser Welt leiden aktuell am meisten unter dem Klimawandel. Überhaupt sind solche Konferenzen widersprüchlich. Allein, dass für die meisten Teilnehmer diese Konferenz nur mit dem Flugzeug zu erreichen war, hat wieder für so viel CO2-Ausstoß gesorgt. Das hat nichts mit Klimaschutz zu tun.

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Bei globalen Zusammenkünften liegt es aber doch auf der Hand, dass die Vertreter, die von weiter wegkommen, auch dementsprechend weit reisen müssen. Das ist praktisch doch nur mit dem Flugzeug machbar…

Ich kann verstehen, dass man nicht immer Emissionen einsparen kann. Aber es sollte bei solchen Veranstaltungen logisch und umweltbewusst gedacht werden. Man hätte das Ganze auch digital abhalten können. Gerade die vergangenen Pandemie-Jahre haben uns gezeigt, dass es möglich ist, viele Dinge digital zu machen. Aber es stand noch nie zur Debatte, dass man eine derartige Weltklimakonferenz auch einfach mal online ausrichten könnte. Dass man darüber noch nicht mal nachdenkt – das finde ich sehr traurig.

Auch wenn du mit wenigen Erwartungen auf die Konferenz geschaut hast: Was hast du dir gewünscht?

Ich habe mir erhofft, dass zum Beispiel ein weltweiter Kohleausstieg thematisiert wird. In Deutschland wurde er auf 2030 vorverlegt. Das ist auch alles schön und gut. Aber es bringt nichts, wenn wir global offensichtlich ein Problem mit dem Kohleausstieg oder der Förderung von erneuerbaren Energien haben. Wir haben uns das 1,5-Grad-Ziel gesetzt. Aber die Politik muss dafür etwas tun. Der Kohle- und Gas-Ausstieg hätte schon vor einigen Jahren aufgegriffen werden müssen. Dann wäre das 1,5-Grad-Ziel vielleicht auch realistisch gewesen. So ist es jetzt so gut wie gar nicht umsetzbar.

Eindrücke von einer
Eindrücke von einer "Fridays for Future"-Demo in Olpe, die im März dieses Jahres stattgefunden hat.   © Britta Prasse | Britta Prasse

Du hast selbst schon indirekt einen Punkt aufgegriffen, den viele Kritiker nennen: Was sollen wir in Deutschland oder auch in der EU schon ausrichten mit den ganzen Klimaanstrengungen, wenn Länder wie China, die USA oder Indien nicht mitziehen? Was entgegnest du auf solche Aussagen?

Mein Ansatz ist: „Denke global, handle lokal“. Ich kann verstehen, dass Menschen, die nicht so politisiert sind, zweifeln. Aber grundsätzlich ist noch niemand mit Pessimismus weitergekommen. Man muss als erstes bei sich selbst anfangen und das erweitern, damit überhaupt global etwas passieren kann. Wenn Deutschland auch nichts unternehmen würde, gebe es für andere Länder keinen Ansporn, mitzuziehen. Es muss ein Vorbild oder einen Vorreiter geben. Und ich denke, dass allmählich auch andere Länder verstanden haben, wie wichtig Klimaschutz ist.

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Ist dieser ständige Kampf um Gehör und das langsame Vorangehen in der Politik nicht manchmal unheimlich frustrierend für Euch?

Das ist schon sehr frustrierend. Was mich sehr enttäuscht, ist, dass Klimaschutz nicht richtig oder unzureichend lokal umgesetzt wird. Ich finde es wirklich traurig, wie wenig „Fridays for Future“ im Kreis Olpe gesehen und unterstützt wird. Hier bei uns ist der Anfang. Wenn das aber schon am Anfang nicht gehört wird, dann können wir nichts Großes erreichen. Jeder, der hier vor Ort für Klimaschutz demonstriert, macht das nicht aus Langeweile. Viele Leute behaupten, dass „Fridays for Future“-Menschen eh nur Schulschwänzer:innen sind. Aber das stimmt einfach nicht. Es ist Protest, weil man nur so gesehen wurde. Und es ist traurig, dass man überhaupt so weit gehen muss.

Bei der Weltklimakonferenz wurde unter anderem beschlossen, dass Länder, die besonders hart von Klimaschäden betroffen sind, Unterstützung durch Hilfsfonds bekommen sollen. Das klingt doch zumindest nach einem kleinen Erfolg, oder?

Ehrlich gesagt finde ich es traurig, dass es überhaupt so weit kommen muss. Egal, was am Ende an diese Länder gezahlt werden wird: Es wird nicht das ausgleichen können, was es angerichtet hat. So ein Hilfsfonds dient wahrscheinlich eher dem Ruf einzelner Staaten, um sich solidarisch zu zeigen.

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Was wünschst du dir konkret von der lokalen Politik?

Ich würde mir wünschen, dass „Fridays for Future“ überhaupt erstmal politisch aufgegriffen wird. Dass sich Parteien an den Demos beteiligen. Oder an der Verbreitung der Informationen. Aber da kommt gar nichts.

Und welche Maßnahmen sollte die Politik lokal ergreifen, um Klimaschutz voranzutreiben?

Auf jeden Fall muss der ÖPNV ausgebaut werden. Damit man auch problemlos am Wochenende nach 18 Uhr nach Hause kommt. Radwege müssen unbedingt sicher ausgebaut werden. Wie kann es sein, dass Radwege mitten an einem Kreisel enden? Das alles sind grundlegende Sachen. Olpe hat finanzielle Kapazitäten, um das alles anzugehen. Dass dafür kein Budget vorhanden sein soll, ist eine doofe Ausrede. Insgesamt sollte nachhaltigen Projekten mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zum Beispiel den Gemeinschaftsgärten unterhalb des Hexenturms am Kurkölner Platz. Das ist ein wirklich tolles Projekt, bei dem jeder kostenlos Gemüse anpflanzen und ernten kann. Gerade jetzt mit der hohen Inflation ist es total schön zu lernen, wie man sich ein Stück weit selbst versorgen kann. So etwas sollte viel stärker gefördert werden.

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Was tust du persönlich für den Klimaschutz im Alltag?

Ich beteilige mich zum Beispiel an den Gemeinschaftsgärten. Ich ernähre mich vegetarisch, in Teilen sogar vegan. Wenn ich etwas koche oder backe, arbeite ich mit der Restwärme, um Energie zu sparen. Meine Klamotten kaufe ich in Second-Hand-Läden. Ich versuche mir immer wieder bewusst zu machen, was wie viel Ressourcen verbraucht. Und: Ich fahre viel Fahrrad oder mit dem ÖPNV.

Das ist auf dem Land nicht immer einfach…

Stimmt. Manchmal greife ich dann auch auf Fahrgemeinschaften zurück. Ich mache gerade zwar auch meinen Führerschein, aber nur, weil ich den später für meinen Job brauche. Wenn ich den nicht unbedingt gebraucht hätte, hätte ich ihn nicht gemacht.

Zuletzt hat die „Letzte Generation“ für viel Aufsehen gesorgt mit ihren Straßenblockaden und verschiedenen Attacken auf Kunstgemälde. Wie stehst du dazu?

Sehr zwiegespalten. Ich kann verstehen, dass man verärgert ist, wenn einem nicht zugehört wird. Aber ihre Vorgehensweise ist sehr radikal. Ich würde mich der Letzten Generation nie anschließen. Für mich ist es falsch. Kunstgemälde haben rein gar nichts mit Klimaschutz zu tun. Warum muss man so wertvolle Kunst beschädigen, um auf sich aufmerksam zu machen? Bei den Straßenblockaden sieht das etwas anders aus. Auch wenn sie nicht angemeldet sind und für viel Gewusel sorgen, finde ich sie gewissermaßen gut. Sie machen darauf aufmerksam, wie verstopft die Straßen sind.

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Häufig werden „Fridays for Future“ und die „Letzte Generation“ in einem Kontext genannt. Ärgert dich das?

Schon. Nur, weil wir alle Klimaaktivisten sind, sind wir noch lange nicht gleich. Viele Außenstehende scheren uns über einen Kamm. Viele haben Vorurteile. Wenn ich die Kommentare bei Facebook lese, dass wir eh wieder von Mami oder Papi abgeholt werden, dann macht mich das traurig. Ich weiß, dass Facebook keine seriöse Quelle ist. Aber ich finde es traurig, dass es Menschen gibt, die sich aus der Ferne ein Urteil über einen erlauben. Und leider wissen manche Menschen nicht, was ihre Worte anrichten können. Wie verletzend sie sein können.