Kreis Olpe. Viele Eltern laufen den Kinderarzt-Praxen die Türen ein – auch im Kreis Olpe. Warum Nezahat Barardi für die „Hausmittel-Rezepte“ wirbt.

Die Kinderarzt-Praxen im Kreis Olpe werden regelrecht überrannt. Von der Bronchitis über die Lungeninfektion bis hin zu Scharlach: Kinderärztin Nezahat Baradari aus Attendorn kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Sogar am vergangenen Sonntag öffnete die Ärztin, bekanntlich auch Bundestagsabgeordnete in Berlin, ihre Praxis.

Ein Grund für die aktuelle Krankheitswelle: Aufgrund der strikten Kontaktbeschränkungen durch Corona sei das Immunsystem vieler Kinder nicht so gut trainiert. Und offenbar, so Baradaris Eindruck, reagieren immer mehr Eltern verunsichert und greifen schon bei kleineren Symptomen zum Hörer – und landen dort nich selten in langen Warteschleifen. „Wenn Kinder drei, vier Stunden Fieber haben, werden wir sofort angerufen. Dabei sind 72 Stunden bei Fieber ein ganz normaler Zeitraum, bis es besser wird. Aus eigener Erfahrung aus der letzten Woche kann ich sagen: Von den zig als akut krank vorgestellten Kindern waren am Ende vielleicht zwei dabei, die ein Antibiotikum brauchten“, erklärt die Kinderärztin.

„Hausmittel-Rezepte“ beachten

Sie wünscht sich, dass die Eltern zunächst auf die bekannten „Hausmittel-Rezepte“ zurückgreifen, bei Fieber also darauf achten, dass der kranke Nachwuchs genug trinkt und viel schläft. Und man nicht sofort zum Arzt rennt. „Wir können das Pensum sonst kaum leisten. Auch wir leiden unter dem Fachkräftemangel, mir fehlt seit einem Jahr eine Medizinische Fachangestellte (MFA).“ Vor dem Anruf beim Kinderarzt – echte Akutfälle natürlich ausgenommen – sollten sich die Eltern auf der Internetseite des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte (www.bvkj.de) schlau machen und über verschiedene Krankheitssymptome informieren. Baradari, deren Praxis in dieser Woche urlaubsbedingt geschlossen ist (im Übrigen genauso wie die Praxis von Kinderärztin Dr. Gies in der Hansestadt), geht davon aus, dass im Januar und Februar etwas verspätet die Influenza kommen wird. Deshalb ihr Rat an Jung wie Alt: Impfen lassen.

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Auch in die Gemeinschafskinderarztpraxis in Olpe kommen aktuell viele kleine Patienten mit ihren Eltern. Allein am Montag versorgten die Ärzte hier rund 110 Akut-Patienten. „Wobei dieser Wert nicht unbedingt repräsentativ ist. Für gewöhnlich ist die Praxis montags immer recht voll“, erklärt Dr. Joachim Füllenbach. Tatsächlich sei es aber so, dass derzeit viele Kinder krank seien. Manche verschiebbare Vorsorgeuntersuchungen – vor allem für ältere Kinder – müssten deswegen schon abgesagt werden.

Anderer Eindruck als Baradari

In den meisten Fällen handele es sich um Virusinfekte, meint Füllenbach. Dagegen könne man ohnehin nicht viel unternehmen. Ruhe und Geduld könnten schon viel bewirken. Bei Bedarf könnten auch Medikamente oder Tropfen verabreicht werden, die Symptome wie Husten, Schnupfen oder Fieber lindern. Wichtig: „Kinder, die jünger als sechs Monate sind, und Husten und Fieber haben, sollten immer zum Arzt gebracht werden. Kinder, die jünger als drei Monate sind, und Fieber haben, sind ein Notfall“, so Füllenbach. Entscheidend sei die Beobachtung der Eltern. Bei pfeifendem Atmen, Luftnot oder offensichtlichen Schmerzen sollten Kinder immer von einem Arzt untersucht werden. Generell habe er den Eindruck, dass die meisten Eltern auch wirklich nur dann kommen, wenn es notwendig ist – anders, als Baradari die Situation einschätzt.

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Die derzeit um sich greifende Infektionswelle sei kein neues Phänomen. „Es ist durch Corona nur fast in Vergessenheit geraten“, sagt Füllenbach. Mit den Kontaktbeschränkungen und den Lockdowns zirkulierten deutlich weniger Erreger. Viele davon könnten sich jetzt mit den gelockerten Hygienemaßnahmen wieder ungehemmter ausbreiten. Das sei kein Grund zur Beunruhigung. Es sei lediglich eine neue Situation für Eltern, die in den vergangenen zwei Jahren Nachwuchs bekommen haben.