Attendorn/Drolshagen. Rechtsanwalt Peter Endemann aus Drolshagen vertritt die Mutter des Attendorner Mädchens. Er spricht erstmals über die Gefühle der Mutter.
Als die versammelte Boulevard-Meute Anfang November vor dem Haus im Attendorner Grafweg darauf lauert, irgendetwas über den Fall des versteckten Mädchens zu ergattern, klingelt bei einem Rechtsanwalt aus Drolshagen das Telefon: „Die Mutter des Mädchens war von diesem Auflauf von Presseleuten mit mehreren Kamerateams derart erschrocken, dass sie Hilfe suchte und sich über eine Internet-Recherche für unsere Kanzlei entschied.“ Das sagt am Dienstagmittag Rechtsanwalt Peter Endemann (56) im Gespräch mit unserer Redaktion.
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Peter Endemann ist erfahrener Strafrechtler und hat sich erst vor etwa einem Jahr einer Anwaltskanzlei in Drolshagen in Form einer Bürogemeinschaft angeschlossen. Endemann stammt aus Witten, lebte und arbeitete aber 30 Jahre als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Was ihn ins Sauerland bzw. ins Bergische Land verschlagen habe, sei unter anderem die Naturbegeisterung und die Liebe fürs Wandern gewesen: „Meine Frau und ich sind immer mal wieder in diese Gegend zum Wandern gefahren und haben uns irgendwann entschlossen, umzusiedeln.“ Endemann wohnt seither in der Region und arbeitet in Drolshagen.
Zum weitgehend rätselhaften Fall des Attendorner Mädchens möchte er noch keine Details aus Sicht seiner Mandantin und über deren Motive preisgeben. Nach mehreren Gesprächen mit der Kindsmutter habe er sich aber ein Bild machen können und ist sicher: „Es handelt sich um eine normale Frau, die keineswegs in irgendeiner Form psychisch beeinträchtigt ist. Wir können vernünftig miteinander reden und gut zusammenarbeiten.“ Eines ist für den Juristen nach diesen Begegnungen mit seiner Mandantin bereits klar: „Wir haben es hier mit einer Mutter zu tun, die ihr Kind liebt.“
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Schuld gegenseitig zugeschoben
Nachdem sich das Kreisjugendamt und der Kindsvater in den Medien sozusagen einen Teil von Verantwortung gegenseitig zugeschoben hätten, sei zwar von vielen Seiten erwartet worden, dass die Kindsmutter ebenfalls die Gelegenheit nutze, in der Öffentlichkeit auszuteilen, aber: „Wir werden zu Motiven derzeit nichts verlautbaren lassen und auch keine Schuldzuweisungen oder Rechtfertigungen vornehmen“, so der Rechtsanwalt. Er geht jedoch davon aus, dass sich seine Mandantin zu gegebener Zeit äußern werde. Die Frage, ob sie auch vor Gericht aussagen werde, ließ er unbeantwortet. Die in der Öffentlichkeit vorgebrachten Äußerungen des Kindsvaters kommentierte Endemann mit den Worten: „Ich halte die Darstellung für einseitig und durchwachsen.“
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Zur Gefühlslage seiner Mandantin sagte Rechtsanwalt Endemann: „Das gesamte Geschehen nimmt sie extrem mit. Sie ist verängstigt und fühlt sich überfahren. Und das gilt auch für die Großeltern.“
Die Großeltern würden seines Wissens noch nicht anwaltlich vertreten. Der Rechtsanwalt verneinte die Möglichkeit, dass es Kollegen oder Kolleginnen aus seiner Bürogemeinschaft übernehmen würden: „Das möchten wir auch deshalb nicht, weil niemand weiß, wie sich dieser Fall, für den es kaum Präzedenzvorgänge gibt, noch entwickeln wird.“ Auch der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Siegen, Patrick Baron von Grotthuss, bestätigte das am Dienstag auf Anfrage: „Hier ist immer noch keine Vollmacht eines Anwaltes für die Großeltern vorgelegt worden.“
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Rechtsanwalt Endemann machte gegenüber unserer Redaktion auf den Beginn seiner Zusammenarbeit mit der Kindsmutter aufmerksam und auf einen aus seiner Sicht unhaltbaren Vorfall. Nach seiner Kenntnis habe jemand in den Tagen nach dem Polizeieinsatz im Attendorner Grafweg den Beschluss des Amtsgerichtes kopiert und mit einigen darauf gekritzelten Kommentaren in der Nachbarschaft ausgehängt: „Da wollte jemand die Familie ganz bewusst an den Pranger stellen.“
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Wo fängt eine Freiheitsberaubung an?
Da die Ermittlungen noch in vollem Gange seien, werde er erst zu einem späteren Zeitpunkt Einblick in die Ermittlungsakte nehmen. Rein juristisch könne es eine entscheidende Rolle spielen, wie der Begriff der Freiheitsberaubung gewertet werde: „Wo fängt eine Freiheitsberaubung im juristischen Sinne an, und ab wann ist sie wie zu bestrafen?“ Dies seien Fragen, die während des Verfahrens zu beantworten seien.
Klar sei für ihn, dass dem Kind nie Gewalt angetan worden sei: „Das Mädchen hat möglicherweise gewisse kommunikative Defizite“, es handle sich aber nicht um Formen einer Misshandlung. Ohne vorgreifen zu wollen, könnten psychologische Gutachten im Verfahren eine gewichtige Rolle spielen.