Neu-Listernohl. Beim „WP Mobil“ diskutieren die Bürger über Bauplätze und das Industriegebiet Fernholte. Vor allem in einem Punkt sind sie sich einig.

Im Grunde sind die Bewohner von Neu-Listernohl sehr zufrieden. Ein vielfältiges Dorfleben, eine gute Vereinsstruktur, die Nähe zum Biggesee und gleichzeitig zur Innenstadt: „Wir können nur auf ganz hohem Niveau klagen“, meint Hans-Werner Scharioth, der bis vor wenigen Wochen noch Vorsitzender des Dorfvereins war. Doch in einer lebhaften Diskussionsrunde im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „WP Mobil“ wurde am Dienstagabend im Dorftreff dennoch deutlich, dass es auch in Neu-Listernohl Anregungen für die Zukunft gibt.

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Lebensqualität

Ein „Schlafdorf“ sei Neu-Listernohl nicht, findet Eva Maria Heuel, die sich im CDU-Ortsverband Ihnetal/Neu-Listernohl engagiert. Ganz im Gegenteil: Die Dorfmitte rund um den Augustinusplatz sei sehr beliebt und gut besucht, mit den neuen Spielgeräten werde jetzt auch den jüngsten Dorfbewohnern mehr geboten. „Wir haben hier kein statisches Vor-sich-hin-Dämmern“, meint Heuel. Dazu trage auch das rege Vereinsleben bei. Heike Schebek engagiert sich unter anderem im Handarbeitstreff und betont, dass sie sich gerne in der Dorfgemeinschaft einbringe: „Ich mache das wegen der Menschen hier. Ich wohne seit mittlerweile 24 Jahren in Neu-Listernohl, aber so richtig angekommen bin ich vor etwa drei Jahren, auch mit dem Engagement in der Flüchtlingshilfe.“

Eva Maria Heuel beim WP-Mobil im Dorftreff Neu-Listernohl
Eva Maria Heuel beim WP-Mobil im Dorftreff Neu-Listernohl © Britta Prasse | Britta Prasse

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Gastronomische Angebote wie das Café Moses direkt am Augustinusplatz oder auch das Café Selter haben sich als Ausflugspunkte etabliert. „Das ist ein riesiger Vorteil“, sagt Alberto Zulkowski von der Geschäftsführung des Dorfvereins. Auch die zwei ortsansässigen Kindergärten sowie die Grundschule seien ein klarer Standortvorteil; vor allem im Hinblick darauf, dass mit dem Neubaugebiet Neu-Listernohl Nord der Standort der Grundschule nicht mehr in Frage gestellt werden dürfte, so Zulkowski.

Bauplätze

In dem Neubaugebiet sollen mehr als 40 Grundstücke erschlossen werden. Auf drei dieser Grundstücke ist die Errichtung von Mehrfamilienhäusern vorgesehen. Hier will die Stadt bezahlbaren Wohnraum anbieten. Mit der hohen Inflation und der damit verbundenen Anhebung des Leitzins rückt der Traum vom Eigenheim für einige Bauwillige allerdings in die Ferne. „Wer nicht letztes Jahr einen Kredit aufgenommen hat, der schafft es jetzt nicht mehr. Ich habe von einigen mitbekommen, dass sie ihr Projekt erstmal auf Eis legen mussten“, sagt Scharioth. Auch das Neubaugebiet im Nachbardorf Petersburg sorgt für Gesprächsstoff. Hier wird die Volksbank Bigge-Lenne das Bauland entwickeln und auf den Markt bringen. Unabhängig von einer Grundstückspreisdeckelung. Der Preis: mindestens 160 Euro pro Quadratmeter. „Die Verteuerung der Grundstückspreise ist eine Katastrophe“, meint Scharioth. „Normalsterbliche werden nicht mehr bauen können. In dieser Hinsicht bin ich enttäuscht von unserem Stadtrat“, ergänzt Zulkowski. Aber: Der Preis werde bezahlt. „Die Frage ist: Wollen wir sowas für die Zukunft?“, wirft Karl Dickel ein. Auch vor dem Hintergrund, dass große Grundstücke nicht mehr zeitgemäß im Sinne der nachhaltigen Siedlungsentwicklung seien.

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Industriegebiet Fernholte

Das Thema sei mal präsenter gewesen. Mittlerweile warte man aber auf eine endgültige Entscheidung, betont Scharioth. Naturschutz sei richtig und wichtig, meint Heuel. „Aber so, wie jetzt verhandelt wird, macht es keinen Sinn mehr.“ Zulkowski, der selbst der Bürgerinitiative zur Erhaltung des Eckenbachtals angehört, erinnert sich daran, dass die Politik vor 18 Jahren darauf gepocht habe, die komplette Fläche zum Gewerbegebiet entwickeln z wollen. „Man hätte auch 5 Hektar ausklammern können, um eben jenes Areal zu schützen, in dem sich die Quellschnecke niedergelassen hat. Aber das wollte man nicht.“

Karl Dickel beim WP-Mobil im Dorftreff Neu-Listernohl
Karl Dickel beim WP-Mobil im Dorftreff Neu-Listernohl © Britta Prasse | Britta Prasse

Auch Karl-Heinz Kiese vom Arbeitskreis des Dorfvereines ist nicht gut auf das geplante Gewerbegebiet zu sprechen. Damals habe unter anderem eine Fläche am Campingplatz Hof Biggen als Alternative zur Verfügung gestanden. „Da wurde aber mit falschen Zahlen gerechnet. Und dann ist man sofort aufs Eckenbachtal umgeschwenkt“, wirft Kiese der Stadtverwaltung vor. Außerdem wünsche er sich mehr Transparenz; schließlich habe die Stadt bislang dazu geschwiegen, welche Unternehmen sich dort ansiedeln wollen. Und das, findet Karl Dickel, sei entscheidend. „Die Akzeptanz wird abhängig von der Produktion sein. Wenn es viel Lärm und Emission gibt, dann wird es Theater geben.“

Kirchenabriss

Was im Gegensatz dazu überraschend schnell ging, aber ebenfalls für Zündstoff im Dorf gesorgt hat: der Abriss der St.-Augustinus-Kirche. „Ich habe noch keinen getroffen, der das versteht“, macht Scharioth deutlich. Das Argument, dass die 60 Jahre alte Kirche zu teuer in der Unterhaltung gewesen und so marode gewesen sei, dass ein Abriss und anschließender Neubau wirtschaftlich klüger sei, macht die Dorfbewohner stutzig. Es sei ein prägendes Bauwerk im Ort gewesen. Etwas, das dem Dorf genommen wurde.