Attendorn/Düsseldorf. Hat das Olper Jugendamt Fehler im Fall des versteckten Kindes gemacht? Ministerien und Behörden fühlen sich für Überprüfung nicht zuständig.

Im Fall des vermutlich mehr als sieben Jahre lang in einem Haus in Attendorn festgehaltenen Mädchens kann der Kreis Olpe wohl tatsächlich zunächst selbst überprüfen, ob es in seinem Jugendamt in all den Jahren zu Fehlern gekommen ist. Auch das NRW-Heimat- und Kommunalministerium erklärte sich auf Anfrage unserer Zeitung für nicht zuständig. Eine routinemäßige Prüfsystematik durch eine übergeordnete Behörde ist somit wohl nicht vorgesehen.

Am vergangenen Wochenende war der Fall des nun achtjährigen Mädchens öffentlich geworden. Die heute 46-jährige Mutter hatte das Kind wohl fast sein bisheriges Lebens lang in einem Haus in der Attendorner Innenstadt versteckt – offensichtlich mit Unterstützung der Großmutter (76) und des Großvaters (80). Offiziell hatte sie sich im Jahr 2015 mit ihrem Kind in Attendorn abgemeldet und hatte eine neue Anschrift in Kalabrien, im Süden Italiens, angegeben. Zweifel, dass es sich dabei nur um eine Scheinadresse handelt, waren wohl schon in einem Sorgerechtsverfahren, dass der leibliche Vater, von dem die Frau getrennt lebte, angestrengt hatte, von dessen Anwalt angemeldet worden.

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Spätestens seit Oktober 2020 waren dem Jugendamt – per Brief und telefonisch – anonyme Hinweise bekannt, dass die Mutter in dem Haus in Attendorn leben könnte. Und damit auch höchstwahrscheinlich das Kind. Das hat der Kreis Olpe auch eingeräumt. Befreit wurde das Kind letztlich aber erst am 23. September diesen Jahres, nachdem im Sommer ein Ehepaar wohl den entscheidende Hinweis gegeben hatte.

Zwei Ministerien winken ab

Nun aber steht die drängende Frage im Raum, ob das Jugendamt nicht früher hätte wissen können, dass das Kind dort in Unfreiheit lebt, dass ihm auch der Schulbesuch verwehrt wird. Hätten die früheren Hinweise konsequenter verfolgt werden müssen? Der Kreis selbst hat am Sonntag angekündigt, dass die internen Abläufe überprüft werden. Aber wäre nicht eine externe Aufarbeitung notwendig?

Die Bezirksregierung Arnsberg, die in vielen Bereich als Kontrollbehörde für Kommune fungiert, hatte schon am Montag eine entsprechende Anfrage abschlägig beantwortet: „Das gehört nicht zu unseren Aufgabenbereichen.“ Das beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe angesiedelte Landesjugend sieht sich in diesem Fall ebenso nicht in der Pflicht. Und auch das grün geführte NRW-Familienministerium zeigt sich zwar schockiert über den Fall – aber auch nicht zuständig. Von dort verweist man stattdessen auf das Kommunalministerium von Ina Scharrenbach (CDU). Und von dort wiederum kam nun am Dienstag die Antwort. Wieder negativ.

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„Die Träger der Jugendhilfe nehmen ihre Aufgaben im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung als pflichtige Aufgaben in eigener Verantwortung wahr“, erklärt ein Sprecher im besten Amtsdeutsch. „Insofern ist es nur konsequent, dass der zuständige Kreis zunächst eine eigene Überprüfung der Abläufe vornimmt.“ Und dann bringt das Kommunalministerium doch noch einmal die Bezirksregierung ins Spiel.

Zuständige Aufsichtsbehörde über den Kreis Olpe sei im vorliegenden Fall die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung Arnsberg als allgemeine Rechtsaufsichtsbehörde. „Sie hat ein Unterrichtungsrecht und kann bei festgestellten, nicht durch den Kreis selbst korrigierten Rechtsverstößen die erforderlichen Maßnahmen veranlassen, um eine künftige Pflichterfüllung sicherzustellen.“ Allerdings: Befugnisse zu fachlichen Weisungen im Einzelfall oder zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit des Handelns eines Jugendamtes habe die allgemeine Rechtsaufsicht nicht.

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Nur Staatsanwaltschaft ermittelt

Bislang ist es also offensichtlich nur die Staatsanwaltschaft in Siegen, die die Arbeit des Jugendamtes des Kreis Olpe als externe Behörde unter die Lupe nehmen wird – und zwar gleich in strafrechtlicher Hinsicht. Um eine Überprüfung des Vorgehens des Jugendamts komme man nicht umhin, sagte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss. Es könne in Richtung Körperverletzung durch Unterlassen gehen.

>> INFO: Vater sagt, Pflegefamilie im Moment das Beste

  • Die Mutter und die Großeltern dürften derzeit keinen Kontakt zu dem bei einer Pflegefamilie untergebrachten Kind haben, sagte der Fachbereichsleiter des Jugendamts im Kreis Olpe, Michael Färber, am Dienstag. Es gebe aber Überlegungen, wie man in der Sache weiter verfahre. Im Mittelpunkt stehe die Frage: „Was will das Kind?“ Man habe großes Interesse, das Kind jetzt zu schützen – auch vor der Öffentlichkeit, sagte Färber.
  • Der leibliche Vater des achtjährigen Mädchens hofft wohl darauf, das Sorgerecht für das Kind zu bekommen. Angesichts der aktuellen Umstände und der ganzen neuen Eindrücke in Freiheit sei es im Moment aber das Beste, dass das Mädchen in einer Pflegefamilie wohne, zitiert ihn der Sauerlandkurier am Dienstag. mit dpa