Attendorn. Als Investor möchte die Bank im Ihnetal rund 75 neue Baugrundstücke schaffen. Die Politik hatte sich im Stadtrat heftig darüber gestritten.

Die Volksbank Bigge-Lenne nimmt eine große Hürde bei der geplanten Entwicklung eines Baugebietes „Am Krähenberg“ in Petersburg. Der Attendorner Stadtrat beschloss mit knapper Mehrheit nach geheimer Abstimmung – und nach einer heftigen Diskussion – in nicht-öffentlicher Sitzung, dass die Verwaltung einen städtebaulichen Vertrag mit der Genossenschaftsbank ausarbeiten und alle wesentlichen Planungsschritte, die schließlich im Baurecht münden, anstoßen soll. Die Volksbank plant in dem kleinen Dorf im Ihnetal in mehreren Abschnitten den Bau von rund 75 Bauplätzen und besitzt auch schon einen Zugriff auf die Flächen. Allerdings ist eine große Fläche für rund 35 Baugrundstücke im Flächennutzungsplan der Stadt noch nicht für Bauzwecke ausgewiesen.

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Dass der Investor nun Planungssicherheit besitzt, verdankt er einem Antrag der CDU-Fraktion. „Es ist tatsächlich 5 vor 12. Gerade vor den zurzeit herrschenden Entwicklungen auf dem Markt. Wir als Kommune können es uns nicht leisten, die hier Wohnen wollenden Menschen abzuweisen. Hier bietet sich die Möglichkeit, kurzfristig auch unter Berücksichtigung des zukünftig entstehenden Industriegebietes Fernholte für die Beschäftigten wohnortnahe Wohnungsmöglichkeiten anzubieten“, wirbt die Fraktion darum, „das Planungsvorhaben voranzutreiben und die Flächen mit einem leistungsfähigen, örtlichen Partner, wie es die Volksbank sicherlich unbestritten ist, möglichst bald zu entwickeln.“

Individuelle Betrachtung

Grundsätzlich hat auch die Verwaltung kein Problem damit, wenn fremde Investoren Bauland erwerben und diese später auf den Markt bringen. Schon gar nicht mit Blick auf die hohe Nachfrage, die es auch in Attendorn gibt. Allerdings warb die Verwaltung vehement dafür, einen grundsätzlichen Beschluss zu fassen, der regelt, dass sich Investoren wie die Volksbank beim Grundstücksverkauf an den Häuslebauer am Bodenrichtwert zu orientieren haben, um die ohnehin schon wahnsinnig hohen Baukosten nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. „Wir sind bemüht, einer breiten Bevölkerungssicht in unserer Stadt kostengünstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen“, erklärte jüngst Baudezernent Carsten Graumann. Allerdings wurde dieser angedachte Grundsatzbeschluss vom Stadtrat mehrheitlich abgelehnt. CDU, Grüne, FDP und UWG sprechen sich vielmehr für eine individuelle Betrachtung aller Baugebiete aus.

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Was nun zur Folge hat, dass die Volksbank Bigge-Lenne deutlich mehr Geld für den Quadratmeter kassieren wird als die bislang genannten 110 Euro laut Bodenrichtwert. Eine Summe, die die Volksbank aus wirtschaftlicher Sicht kaum hätte einhalten können. Weil sie diese Bodenrichtwerte als überaltert und nicht mehr zeitgemäß einstuft, hat die Volksbank einen laut eigener Angaben unabhängigen öffentlichen Gutachter um dessen Expertise gebeten. Die Ergebnisse liegen unserer Redaktion vor.

160 Euro – Stand Januar 2022

Der Sachverständige aus Olpe schreibt, dass die Bodenrichtwerte von 110 Euro/Quadratmeter für den Krähenberg anpassungsbedürftig seien – er nennt 160 Euro als marktgerechten Verkaufspreis für die Zukunft. Allerdings auch mit dem Verweis auf den Stand Januar 2022. „Die seit dem vergangenen Jahr festzustellenden Preissteigerungen, die nach Ausbruch des Ukraine-Krieges noch einmal exponentiell gestiegen sind, werden wahrscheinlich schon auf absehbare Zeit prägenden Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Richtwerte haben“, schreibt der Gutachter. Heißt also auch, dass die 160 Euro für den Investor ein Zielkorridor, nicht aber eine jetzt festgesetzte Summe bedeuten und der Quadratmeter-Preis mit hoher Wahrscheinlichkeit über den 160 Euro liegen wird.

Bürgermeister Christian Pospischil (SPD), der das Schreiben genauso wie die Fraktionen unangekündigt einen Tag vor der Ratssitzung erhielt, sieht in dem Gutachten allerdings „verschiedene Stellen, die für uns widersprüchlich sind.“ Dass sich beispielsweise der Bodenrichtwert nur an den Verkaufsfällen orientiere, sei schon am Baugebiet in Neu-Listernohl zu widerlegen. Dort sind die Bodenrichtwerte schon vor dem Verkauf der Grundstücke erhöht worden. Das Schlimmste sei jedoch, dass das Gutachten suggeriere, das es mit dem Vorsitzenden des Gutachterausschusses oder dem Gremium selbst abgesprochen worden sei, so Pospischil. Das habe der Vorsitzende im Gespräch mit der Stadt dementiert.

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Die Volksbank lässt sich unseren Informationen aber darauf ein – und das ist im Übrigen auch Bestandteil des CDU-Antrags –, einen Teil der künftigen Baugrundstücke auf Grundlage einer vom Stadtrat zu beschließenden Vergabestrategie zu verkaufen, um die Investitionskosten für den Bauherren zu reduzieren. Wie genau diese Vergabestrategie aussehen wird, steht allerdings noch nicht fest. Die Politik hatte sich zuletzt mehrfach darüber gestritten und nun beschlossen, mit dem Thema noch einmal zurück in den Arbeitskreis Wohnbauflächen zu gehen.

Es zeichnet sich aber eine Mehrheit dafür ab, dass die Vergabe in Zukunft nach einem Punktesystem vonstatten gehen soll. Die Verwaltung hatte jedoch eine Vergabe nach bestimmten Gruppen vorgeschlagen, die die Attendorner Bürger und solche, die in der Hansestadt arbeiten, priorisieren. Daran, das machte SPD-Chef Uli Bock im Stadtrat deutlich, würde seine Fraktion im Arbeitskreis festhalten. Seine Fraktion hatte sich im Übrigen vehement dagegen gewehrt, den CDU-Antrag durchzubringen und sich wie die Verwaltung für ein grundsätzliches Vorgehen bei der Entwicklung künftiger Baugebiete ausgesprochen. Ohne Erfolg.