Siegen/Grevenbrück. Der Angeklagte bestreitet, eine Seniorin in ihrem Haus in Grevenbrück beraubt zu haben. Er hat einen Verdacht, wie seine DNA an den Tatort kam.
30.000 Milliarden Übereinstimmungen. Das erscheint nicht nur dem laienhaften Beobachter viel. „Wir haben keine berechtigte Zweifel, dass die gefundene DNA nicht von dem Angeklagten stammt“, so die Gutachterin des Landeskriminalamts (LKA) in Düsseldorf. Vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Siegen legte die Diplom-Biologin am Mittwoch die Ergebnisse zweier Gutachten vor. Beide belasten den 58-jährigen Franzosen, der wegen eines schweren Raubüberfalls angeklagt ist, der sich im Februar 2020 in Grevenbrück ereignet hatte. Der Fall erregte deutschlandweit Aufsehen, nachdem er im Januar 2021 bei „Aktenzeichen XY“ ausgestrahlt worden war. Allerdings offenbarte der zweite Verhandlungstag am Landgericht Siegen auch, dass trotz des DNA-Treffers die Aufklärung des Delikts noch keinesfalls abgeschlossen ist.
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Rückblick: In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar 2020 wurde eine damals 82-jährige Seniorin in ihrem Haus in Grevenbrück von einem Einbrecher-Duo im Schlaf überfallen. Die Täter fesselten die Seniorin an ihr Bett, drückten ihr zeitweise sogar ein Kissen auf ihr Gesicht. Sie zwangen sie die Schlüssel für zwei Safes auszuhändigen. Sie erbeuteten Schmuck, Taschen und Bargeld in Höhe von 76.000 Euro.
DNA-Abgleich mit internationaler Datenbank führte zu einem Treffer
Zeugenaussagen, die sofort eingeleiteten Ermittlungen der Polizei und auch die spätere Ausstrahlung bei „Aktenzeichen XY“ lieferten Hinweise, führten aber nicht zum Erfolg. Erst ein Abgleich mit der internationalen DNA-Datenbank führte zu einem Treffer in Frankreich. Dort war die DNA des 58-jährigen Angeklagten hinterlegt, weil sie bereits bei einem Raubüberfall im Februar 2009 sichergestellt worden war. Auffällig: Auch hier wurde ein älteres Ehepaar in seinem Haus überfallen, die Beute lag bei rund 70.000 Euro. Offenbar konnte das französische Gericht diese Spur damals jedoch nicht als Täter-DNA identifizieren – zu einer Verurteilung kam es nämlich nicht.
Im April 2022 wurde der 58-jährige Franzose mit einem internationalen Haftbefehl festgenommen. Bis heute bestreitet er die Tat.
Beim Prozessauftakt am Dienstag sagte zunächst die heute 85-jährige Geschädigte aus. Am Mittwoch wurden schließlich zahlreiche Zeugen befragt; darunter die zu dem Tatzeitpunkt diensthabenden Polizeibeamten sowie die Familie des Angeklagten, die aus Frankreich angereist war. Sowohl die Lebensgefährtin (56) als auch der Sohn (31) und der Bruder (57) bestätigten, dass der Angeklagte ihnen zuvor erzählt habe, dass ihm Anfang 2020 eine Tasche mit Arbeitskleidung gestohlen worden sei. Diese soll ihm von zwei Albanern entwendet worden sein, die zeitweise in der Dachdeckerfirma des Bruders aushelfen sollten. Ein Arbeitsvertrag soll jedoch nicht zustande gekommen sein, da die zwei Männer keine Ausweispapiere vorgelegt haben sollen.
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Die Frage, die mit diesem vermeintlichen Taschendiebstahl – angezeigt wurde er nicht – im Raum steht: Könnten diese zwei Männer verantwortlich für den Raubüberfall in Grevenbrück sein und mit der gestohlenen Arbeitskleidung des Angeklagten dessen DNA am Tatort hinterlassen haben? Die LKA-Gutachterin zeigte sich am Mittwoch zögerlich: „Das kann nicht komplett ausgeschlossen werden. Allerdings wurde in einigen Arealen auf der Bettdecke der Geschädigten ausschließlich die DNA des Angeklagten gefunden. Das spricht nicht für eine Sekundärübertragung.“ Zehn von insgesamt 16 relevanten DNA-Merkmalsystemen stimmten überein. Auch die Kleidung der Geschädigten sowie die Strumpfhose, mit der sie gefesselt wurde, wurden auf DNA-Spuren untersucht. Hier ließen sich laut Gutachterin nur Mischspuren feststellen, die keine eindeutige Aussagekraft hätten.
Der Prozess wird fortgesetzt am Mittwoch, 19. Oktober, um 9.30 Uhr im Siegener Landgericht, Saal 165.