Attendorn. Wendelin Heinemann keilt gegen das Einkaufszentrum aus. Er sorgt sich um die Zukunft der Händler und spricht von einem städtebaulichen Fiasko.

Es ist mittlerweile bekannt, dass eine Minderheit im Attendorner Stadtrat das geplante neue Einkaufszentrum am Attendorner Bahnhof ablehnt. Auf dem ehemaligen Busbahnhof will der Düsseldorfer Investor ITG das Wall-Center bauen und dort unter anderem Platz für einen Lebensmittelvollsortimenter (Hit oder Edeka) und die Drogeriemarktkette Müller schaffen.

Die neu gegründete Union für Attendorn (UfA) sieht das Vorhaben sehr kritisch, genauso wie die FDP und die Grünen. Ihre Gründe: Der familiengeführte Einzelhandel im Stadtkern würde massiv Schaden nehmen mit Blick auf eine Auswirkungsanalyse, die immense Kaufkraftverschiebungen voraussagt – zumindest im Worst-Case-Szenario. Es würde ein Angebot geschaffen, das es so oder so ähnlich schon gibt. Wohnraum bliebe außen vor, genauso wie eine Tiefgarage und städtebaulich gesehen würde das zweistöckig geplante Gebäude ein Fiasko sein.

Grüne haben das Vertrauen verloren

Wendelin Heinemann, Fraktionschef der Grünen, nutzte daher die Stadtratssitzung, in der mehrheitlich die nächsten Verfahrensschritte beschlossen wurden, um mit den politischen Befürwortern aus CDU, SPD und UWG sowie mit der eigenen Verwaltung abzurechnen. „Für mich ist das geplante Wallcenter ein Mahnmal für Hochmut und Ignoranz“, polterte der Grüne in Richtung Rathaus-Spitze, die die Meinungen und Sorgen vieler Bürger unbeachtet ließe. „Wir Grünen haben das Vertrauen und Zutrauen in eine kluge und nachhaltige Zukunftsplanung aktuell verloren“, so Heinemann.

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Den Frontalangriff ließ Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) nicht auf sich sitzen und keilte zurück: „Vertrauen verloren? Wann bestand denn bei Grünen im Bezug auf dieses Thema jemals Vertrauen? Sie haben das Projekt von Anfang an abgelehnt.“ Er verteidigte, wie so oft in den vergangenen Monaten, das geplante neue Einkaufszentrum: In erster Linie würde der großflächige Einzelhandel am Bahnhof das Angebot insgesamt anheben und den innerstädtischen Handel auch nicht zerstören, sondern vielmehr ergänzen. Rückendeckung erfuhr Pospischil unverzüglich aus den eigenen Reihen, denn Bernd Strotkemper (SPD) sagte: „Das Wall-Center in seiner geplanten Form wird zu einem Mehrwert für uns Attendorner führen. Es ist auch völlig richtig, Wettbewerb in den Segmenten Drogerie und Lebensmittel zu schaffen. Wir können uns glücklich schätzen, einen Partner wie die ITG aus Düsseldorf an unserer Seite zu wissen. Investoren stehen heute nicht Schlange.“

Wohnungen einfach nicht möglich

Es sei darüber hinaus sehr bedauerlich, dass der Textildiscounter Kik kein Platz im Einkaufszentrum finde. Weil dem Investor ein Grundstück am Zollstock von der Firma Dornseifer quasi vor der Nase weggekauft wurde und dadurch weniger Fläche vorhanden ist, zieht der Textildiscounter den Kürzeren und muss an Ort und Stelle weichen. Auch die CDU in Person von Fraktionschef Sebastian Ohm machte deutlich, wie wichtig das Projekt Wall-Center für die Hansestadt sei.

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Der Bürgermeister wies in seiner Antwort auf die scharfen Heinemann-Vorwürfe unter anderem auch darauf hin, dass die These, man könne über der Geschäftsebene auf zwei bis drei Geschossen rund 100 bezahlbare Wohnungen schaffen, schlicht falsch sei. Pospischil: „Wir haben es immer wieder erklärt: Für den Bau von Wohneinheiten im Wall-Center bräuchte es aus statischen Gründen eine Vielzahl an Stützen, die dann aber die Einzelhandelsflächen enorm einschränken würden.“

Ein Mal in Fahrt, legte Heinemann nach: „Die politische Absicht, Attendorn in acht bis zehn Jahren klimaneutral umzubauen, wird konterkariert“, ärgerte sich der Grüne darüber, dass ein energetisches Konzept fehle und selbst die kleine PV-Anlage auf dem Dach diesen Missstand nicht umkehren könne. Pospischil wehrte auch diesen Vorwurf ab und betonte, dass der Investor sehrwohl auch dank vieler Bürgeranregungen etwa Photovoltaik und Dach-Begrünungen in das Projekt aufgenommen habe. Sein Unbehagen formulierte auch Ralf Warias (FDP) erneut, der keine Ergänzung zum bestehenden Handel, sondern viel mehr ein Subsumieren des Angebotes ausmache.

Und Birgit Haberhauer-Kuschel (UfA) trauerte der verpassten Chance hinterher, „am Bahnhof ein echtes Stadtquartier mit verschiedenen Nutzungen“ zu schaffen. Doch mit diesen Ansichten sind Grüne, FDP und UfA in der Unterzahl – das zeigte sich im Stadtrat ein Mal mehr.