Attendorn. Die Stadt hat eine bestehende Richtlinie über die Vergabe eigener Baugrundstücke überarbeitet. Doch es hagelt Kritik – und zwar deshalb.

Das Dilemma sorgt bei willigen „Häuslebauern“ für maximale Ernüchterung: Baugrundstücke sind kaum vorhanden und solche, die auf den Markt kommen, im Handumdrehen vergriffen. Wenn man dann noch auf einer endlos langen Warteliste landet und überhaupt nicht absehen kann, ob und wann man den ersehnten Kaufzuschlag erhält, sorgt dies für ein enormes Frustpotenzial bei vielen Familien. Das ist in Attendorn nicht anders als in vielen anderen Regionen, in denen die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches übertrifft.

„Wir brauchen daher einheitliche, für alle Interessenten nachvollziehbare Vergabegrundsätze“, wirbt Attendorns Baudezernent Carsten Graumann für eine überarbeitete Richtlinie, die den Verkauf städtischer Baugrundstücke regelt. Über diese Rangfolge, die laut Verwaltung „Baugrundstücke für eine breite Bevölkerung zu angemessenen Preisen“ vergibt, soll die Politik in ihrer nächsten Sitzung entscheiden. Doch schon jetzt zeichnet sich ein enormer Widerstand ab.

Nicht zukunftsorientiert

Einen wesentlichen Kritikpunkt nennt Rolf Schöpf (CDU), Mitglied im Arbeitskreis Wohnbauflächen, der sich in den vergangenen Monaten mit den überarbeiteten Vergabegrundsätzen befasst hat: „Sie sind weder nachhaltig noch zukunftsorientiert“, wünscht sich der CDU-Politiker vielmehr eine individuelle Vergabe-Betrachtung in jedem neuen Wohnbaugebiet – anstatt dem gesamten Stadtgebiet ein einheitliches Vorgehen überzustülpen. Das sieht auch Fraktionschef Ralf Warias von der FDP so, der sich eine Differenzierung zwischen kleineren Baugebieten mit vier bis fünf Grundstücken und großen neuen Wohnbaugebieten wünscht.

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In einem anderen Punkt sind sich Schöpf, Warias und auch Winfried Richard von der UWG einig: Bei der Vergaberichtlinie fallen auswärtige Interessenten, die für die Unternehmen in Attendorn künftig eine entscheidende Rolle spielen, hinten über. Schöpf nennt das geplante Industriegebiet Fernholte als ein Beispiel, hier sollen etwa 1500 Arbeitsplätze entstehen und nicht wenige Facharbeiter werden aus der Ferne kommen. Mit der Familie „im Gepäck“ werden viele ein eigenes Haus bauen wollen. Doch ein Blick in die Vergabereihenfolge zeigt auf: Diese „Buiterlinge“ haben keine Chance gegen die Ur-Attendorner, deren Kinder, die sonst abwandern würden, oder andere Bewerber, die zumindest seit fünf Jahren die Hansestadt ihre Heimat nennen. Diese Gruppen werden priorisiert.

Einstimmig im Arbeitskreis

Die Kritik kann hingegen Uli Bock, Chef der Attendorner SPD-Fraktion, nicht verstehen, denn: „In aller erster Linie ist es meine Aufgabe als Stadtverordneter, den Menschen aus Attendorn und aus meinem Wahlgebiet unter die Arme zu greifen und bei der Suche nach einem Bauplatz zu helfen.“ Außerdem habe der Arbeitskreis einen einstimmigen Beschluss gefasst, die Vergabegrundsätze der Stadt so mitzutragen. „Daran werde ich mich auch halten“, betont Bock.

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Für nicht weniger Verwunderung sorgt die Vorgehensweise der Verwaltung, einen ähnlichen Beschluss – und zwar einen Grundsatzbeschluss – in den nichtöffentlichen Teil der nächsten Sitzung (Planen, Bauen, Klima- und Umweltschutz) zu packen. Dabei geht es um die Frage, wie künftiges Bauland baureif gemacht wird und die Baugrundstücke anschließend aus den Markt kommen. Die Stadt, die Baurecht schafft, möchte nach unseren Informationen mit diesem Grundsatzbeschluss die Hand über sämtliche neue Baulandflächen halten. Ihr Kalkül: Während sie sich bei dem Weiter-Verkauf solcher Grundstücke am Bodenrichtwert orientiert, könnten beispielsweise Investoren deutlich mehr Geld für den Quadratmeter nehmen. Doch das will die Stadt verhindern mit Blick auf den eigenen Anspruch, in Zukunft Baugrundstücke für eine breite Masse und für erschwingliche Preise auf den Markt zu bringen.

„Das hat für mich schon etwas von sozialistischer Planwirtschaft“, kritisiert Warias, der die freie Marktwirtschaft bei diesem Vorgehen ausgehebelt sieht. Ein aktuelles Beispiel ist der Fall Petersburg. Hier würde die Volksbank Bigge-Lenne auf einer Fläche „Am Krähenberg“ bis zu 75 Bauplätze schaffen. Sie ist auch schon im Besitz der Fläche. Doch die Stadt hat bislang noch kein Baurecht geschaffen. Für Rolf Schöpf besteht hier die große Chance, mit einem angesehenen Partner wie der Volksbank „eine zeitnahe Entwicklung von dringend benötigten Wohnbauflächen“ voranzutreiben. Damit die Liste der interessierten Häusle-Bauer in Zukunft nicht mehr ganz so lang ist wie jetzt.