Attendorn. Um die künftige Entwicklung der Baugebiete in Attendorn ist ein politischer Streit entfacht. Dieser entlud sich in der jüngsten Ausschusssitzung.

Wer sich den Traum eines Eigenheims verwirklichen möchte, muss sehr tief in die Tasche greifen. Die Zinsen für den Bau-Kredit steigen, die Rohstoff-Preise explodieren und Handwerker sind kaum zu bekommen. Hinzu kommt, dass der Bauwillige, sofern er nicht geerbt hat, ein Grundstück in Attendorn kaufen muss. Das Angebot ist knapp, die Nachfrage hoch. „Wir sind bemüht, einer breiten Bevölkerungssicht in unserer Stadt kostengünstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen“, sagt Baudezernent Carsten Graumann. Bedienen wir ein altes Sprichwort, das besagt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Könnte man meinen. Doch ist dieser Weg in Attendorn ein verdammt steiniger.

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Beweis dafür war die Sitzung des Ausschusses für Bauen, Planen, Klima- und Umweltschutz am Montagabend. In öffentlicher Sitzung beriet das Gremium über das künftige Vergabe-Vorgehen bei städtischen Baugrundstücken. So viel schon an dieser Stelle: CDU, Grüne, UWG und FDP schmetterten eine nach Gruppen sortierte Vergabe-Strategie ab. Aber auch im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung drehte sich vieles um die Frage, wie Verwaltung und Politik in Zukunft bei der Entwicklung neuer Baugebiete vorgehen wollen. Es ging gar um einen Grundsatzbeschluss, den der Stadtrat nächste Woche zu beschließen hat. „Da es hier um das grundsätzliche Vorgehen bei der zukünftigen Entwicklung von Wohnbauflächen in Attendorn geht (...), muss die Angelegenheit dringend öffentlich beraten und entschieden werden“, stellte Rolf Schöpf (CDU) einen Antrag zur Geschäftsordnung.

Bis zu 75 Bauplätze

Genauso müsste der Antrag seiner Fraktion, einen städtebaulichen Vertrag mit der Volksbank Bigge-Lenne einzugehen, öffentlich beraten werden. Die Genossenschaftsbank würde gerne in Petersburg ein großes Baugebiet mit bis zu 75 Bauplätzen entwickeln, sie hat auch schon ihre Hand über den Flächen, doch besitzt noch kein Baurecht. Hier sieht Schöpf die Chance, gemeinsam mit einem externen Partner „eine zeitnahe Entwicklung von dringend benötigten Wohnbauflächen“ voranzutreiben.

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Doch sein Versuch, beide Beratungspunkte öffentlich zu beraten, scheiterten. Begründung der Verwaltung: Ein solches Vorgehen würde gegen das Öffentlichkeitsprinzip verstoßen. Weil die Tagesordnung nicht-öffentlich bekannt gemacht wurde, hätten interessierte Bürger auch keine Möglichkeit der Einsichtnahme gehabt. Unterm Strich, so Graumann auch nach Rücksprache mit dem Städte- und Gemeindebund, sei Schöpf’s Wunsch rechtlich nicht umsetzbar. Der CDU-Politiker erklärte darauf hin, die Kommunalaufsicht einschalten zu wollen, da die Gemeindeordnung vorschreibe, grundsätzliche Beschlüsse in der Öffentlichkeit zu fassen.

Zwei Modelle

Kommen wir zurück zum Inhalt – und hier wird das Dilemma deutlich. Zunächst einmal verfügt die Stadt Attendorn aktuell über sehr wenige Baulandflächen. Wenn sie neue Flächen erwerben und dabei, wie in Petersburg, in Konkurrenz mit (finanzstarken) Investoren wie etwa der Volksbank Bigge-Lenne eintreten muss, hat sie in der Regel das Nachsehen. Und wo sie keine Flächen besitzt, kann sie auch keine Grundstücke – Zitat Carsten Graumann „kostengünstig“ – auf den Markt bringen.

„Am Hellepädchen“ entsteht ein Baugebiet

Komplett einig sind sich Verwaltung und Politik indes bei der Entwicklung eines neuen Baugebietes „Am Hellepädchen“ unweit der Nordumgehung. Ein Entwurfsbeschluss hierzu soll der Stadtrat nächste Woche treffen.

Die Stadt plant auf einer bislang unbebauten Fläche (etwa 25.000 Quadratmeter groß) den Bau von 21 Bauplätzen für Wohngebäude mit maximal drei Wohneinheiten bzw. zwei Wohneinheiten pro Doppelhaushälfte und sie möchte drei Bauplätze für Mehrparteienhäuser bereitstellen. Die Flächen befinden sich noch überwiegend im Privateigentum, man habe laut Stadt aber mit den Eigentümern erfolgreiche Verhandlungen geführt. Für die Erschließung dieses Gebietes, das auch über eine kleine Parkanlage verfügen soll, plant die Stadt eine zusätzliche Straße.

Nach unseren Informationen präferiert die Verwaltung daher für ein sog. Zwischenerwerbsmodell. Dieses sieht, ganz grob gesprochen, vor, dass die Stadt Flächen erwirbt, diese entwickelt und schließlich auf Grundlage des Bodenrichtwertes auf den Markt bringt. Für Investoren wie die Volksbank, die sich an einem Bodenrichtwert in Höhe von 105 Euro in Petersburg orientieren müsste, wäre dieses Vorgehen wirtschaftlich kaum zu realisieren.

Strotkemper platzt der Kragen

„Unsere Stadt muss in der Lage bleiben, Baugrundstücke zu entwickeln. Das geht mit dem Investorenmodell aber nicht. Dann bekommen am Ende nur die Leute mit einem dicken Geldbeutel den Zuschlag und wir schließen unsere eigenen Bürger aus“, polterte Bernd Strotkemper (SPD) in Richtung von CDU und den kleineren Fraktionen. Im Übrigen unmittelbar, nachdem die Mehrheit im Ausschuss (alle außer SPD) eine überarbeitete Vergabe-Strategie von städtischen Baugrundstücken abgelehnt hatte. Diese bevorzugt Bauwillige, die in Attendorn leben und noch nicht Eigentümer eines Hauses oder Bauplatzes sind. Gefolgt von jenen Interessenten, die in der Hansestadt arbeiten, aber nicht hier wohnen.

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Die Vergabe-Strategie sei weder transparent noch sozial, kritisierte Meinolf Schmidt (UWG). Er wünsche sich vielmehr ein Punkte-System. Man müsse jede Fläche individuell betrachten, ergänzte Matthias Pröll (Grüne). Das Vergabe-Vorgehen habe zu wenig Zugezogene bzw. Zuziehende im Blick, kritisierten FDP und CDU. Bei letztgenanntem Punkt platzte Bernd Strotkemper der Kragen: „Mit Verlaub, der Ingenieur aus Köln ist mir wirklich egal. Hier trägt der Arbeitgeber eine Mitverantwortung. Es geht darum, dass unsere Leute zuerst ein Grundstück bekommen. Es gibt viele Unternehmer bei uns, die besitzen Bauflächen.“ Dass all diese Kritikpunkte vorab im Arbeitskreis Wohnbauflächen nicht zur Sprache gekommen seien, verwunderte Baudezernent Carsten Graumann, der am Beispiel des neuen Baugebietes in Neu-Listernohl verdeutlichte, dass sehr wohl auch einige „Buiterlinge“, die in Attendorn arbeiten, einen Zuschlag bekommen hätten.

Eines machte die lebendige Diskussion um dieses so komplizierte Thema deutlich: Stadt und Politik müssen bei der Entwicklung neuer Wohnbauflächen noch sehr dicke Bretter bohren. Und eine politische Entscheidung darüber treffen, welche Strategie am Ende dazu führen wird, dass sich mehr Häuslebauer ihren Traum vom Eigenheim erfüllen können.