Iseringhausen. In Drolshagen-Iseringhausen haben sich junge Leute zusammengetan, die in ihrem Heimatdorf bleiben wollen. Doch die Politik macht es ihnen schwer.

Wer in die Gesichter der jungen Menschen schaut, die an diesem Abend im Iseringhauser Clubhaus am Sportplatz zusammengekommen sind, dem wird schnell klar: Hier sitzt die Zukunft eines Dorfes am Tisch. Stellvertretend für viele junge Menschen im Sauerland, die dasselbe Ziel umtreibt: Sie wollen bauen. Ein Wohnhaus für sich und ihre Kinder. Nicht in einer Kleinstadt oder Metropole, sondern dort, wo sie aufgewachsen sind. Auf dem Lande. In einem typischen Sauerländer Dorf: Iseringhausen eben.

„Das sind nicht nur wir, es sind noch viel mehr. 20 Bauplätze wären sofort weg“, sagt Jan Drüeke (29), einer von denen, die eine Interessengemeinschaft gebildet haben. Sie sind ein verschworener Haufen: Junge Menschen zwischen 20 und Mitte 30, die sich seit dem Kindergarten kennen. Die sich zusammen in Sport- und Schützenvereinen engagieren, gemeinsam in Chören singen oder im Musikzug als Holz- oder Blechbläser den richtigen Ton treffen. Junge Menschen also, wie man sie für den Fortbestand eines Dorfes dringend braucht. Doch die Realität, zumindest, was Bauland angeht, sieht düster aus.

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Carolin Zimmer (26), die mit ihrem Bruder Julian gekommen ist, versucht, den besonderen Geist des Iseringhauser Grundes zu skizzieren: „Hier gibt es traditionell eine starke Dorfgemeinschaft, starke Freundeskreise.“ Da sei es nicht verwunderlich, dass die meisten dort bleiben wollten, wo sie diese Stärke spüren und wo diese Stärke durch Solidarität erst gewachsen sei.

Ihr Bruder Julian stützt diese Einschätzung, sagt, was dahinter steckt: „Wir haben ein sehr vielfältiges Vereinsleben, fast jeder ist in irgendeinem davon Mitglied, meist in mehreren.“ Schützenverein, Feuerwehr, Tanzsportabteilung, Fußballclub, aber auch Pfarrgemeinderat, KJG, Männergesangverein, Frauenchor, Kinderchor, Theaterverein und Musikzug mit Jugendorchester. Und das bei gerade mal rund 600 Einwohnern.

Vom Bürgermeister nicht ernst genommen?

Die meisten engagieren sich in diesen Vereinen auch verantwortlich, scheuen nicht, im Vorstand mit anzupacken. Sie sind gekommen, um ihrem Unmut, vielleicht sogar ihrer Wut eine Stimme zu geben. Eine gemeinsame Stimme. „Wir haben noch Hoffnung, etwas bewegen zu können“, sagt Carolin Zimmer.

Schon vor einigen Jahren hätten sie den Kontakt zu Bürgermeister Uli Berghof gesucht, aber das Gefühl gehabt, nicht wirklich ernst genommen zu werden. Vor der Kommunalwahl sei es dann zum Gespräch mit Winfried Behme von der UCW gekommen. „Da hatten wir wenigstens das Gefühl, dass er sich mit Nachdruck für uns einsetzen wollte“, sagt Jan Drüeke. Auch an die Bezirksregierung in Arnsberg hätten sie sich gewandt und erstaunt vernommen: ,Bleiben Sie dran!’ Die Stadt treffe die letzte Entscheidung. „Doch bei der Stadt heißt es, es liege an der Bezirksregierung. Einer schiebt den schwarzen Peter zum anderen“, zucken die Iseringhauser frustriert mit den Schultern.

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Wer sich an den Dorfrand Iseringhausens stellt, sieht keinen Grund, woran es eigentlich scheitert, zügig Neubaugebiete zu erschließen. Grüne Wiese, wohin das Auge reicht, keine steilen Hänge, alles paletti also, um den Bagger zu bestellen. Eigentlich sofort, wenn es nach der Dorfjugend geht. Da sind sich Jan, Carolin, Simon, Isabell und Sebastian einig: „Am liebsten würden wir so schnell wie möglich loslegen.“

Petition nicht ausgeschlossen

Die Realität sieht anders aus. Ganz anders. Die Strategie des Landes NRW und damit die Vorgaben für die Städtebaupolitik schiebt dem einen Riegel vor. Dörfer unter 2000 Einwohnern, so die grundsätzliche Maßgabe, sollen nur noch in Ausnahmefällen Neubaugebiete gestattet bekommen. Der Entwurf für den künftigen und heftig umstrittenen Regionalplan unter der Leitlinie „Klima und Klimawandel“ weist eindeutig in eine Richtung: Deutlich weniger Fläche für neues Bauland versiegeln, vor allem in den Dörfern.

Um den Hunger der Iseringhauser Jugend halbwegs stillen zu können, bräuchte man mindestens 20 Bauplätze. Bei rund 600 Quadratmetern pro Bauplatz also eine Fläche von mindestens 1,5 Hektar, rechnet man Flächen für den Straßenbau hinzu. Ein auswegloses Dilemma? „In Wildbergerhütte“, nennt Isabell Stahl ein Beispiel, wie es auch anders gehe, „hat die Stadt gegenüber der Bezirksregierung Köln massiv Druck gemacht, „und da werden jetzt zwei neue Baugebiete umgesetzt.“

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„Wir bleiben jedenfalls dran“, sagt Jan Drüeke zum Schluss und erntet dafür Kopfnicken bei seinen Mitstreitern, besser gesagt Leidensgenossen. Es gehe um die eigene Zukunft, aber auch um die des Dorfes. Ziehe die Jugend weg, fehlten ja nicht nur Einwohner, sondern auch diejenigen, die sich ehrenamtlich für das Dorf und seine Vereine engagierten. Vielleicht könne der Petitionsausschuss des Landtages NRW helfen. Die Iseringhauser überlegen jedenfalls, dort vorstellig zu werden.

>>> Keine Sonderlösung in Sicht

Die Bauland-Strategie des Landes NRW führt dazu, dass Städte und Gemeinden, die in ihren aktuellen Flächennutzungsplänen noch reichlich potenzielles Bauland hatten, Flächen drastisch streichen müssen.

Gerade in einer Dörferstadt wie Drolshagen könne die Städtebaupolitik deshalb nicht ein Dorf gegenüber anderen bevorzugen, sagt Drolshagens Bauamtsleiter Burkhard Wintersohl: „Wir sind im ständigen Austausch mit der Bezirksregierung.“ Die Stadt wolle keine „Lex Iseringhausen“: „Wir können keine Insellösung für Iseringhausen planen“, sagt Wintersohl, der auch weiß: Das Iseringhauser Problem drückt unendlich viele Dörfer im Sauerland.

Zum Zeitfenster künftigen Baulandes redet Wintersohl mit Blick auf den Iseringhauser Grund nicht um den heißen Brei herum. Es werde mindestens vier, eher fünf Jahre oder länger dauern, bis der neue Regionalplan, dann der Flächennutzungs- und schließlich ein Bebauungsplan für Neubauflächen in Iseringhausen Realität würden.