Kreis Olpe. Der Bund plant, die Impfreihenfolge ab Juni aufzuheben. Die Hausärzte im Kreis Olpe fühlen sich darauf vorbereitet. Aber sie haben Vorbehalte:

Das Impftempo im Kreis Olpe zieht spürbar an. Schon jetzt sind die Helfer im Attendorner Impfzentrum laut Andreas Sprenger, organisatorischer Leiter, mit der Durchimpfung der Priorisierungsgruppe zwei nahezu fertig. Und seit wenigen Wochen packen auch die Hausärzte mit ins Impf-Rad. Insofern wird dem Leiter nicht Angst und Bange, wenn ab Juni die Impfreihenfolge aufgehoben werden sollte und jeder Bürger einen Termin, unabhängig von vorgegebenen Reihenfolgen, vereinbaren kann. So, wie es beim Impfgipfel am Montag besprochen wurde. Unter den Ärzten gibt es dennoch einige Vorbehalte.

Kreis Olpe: Kein Bonus für Privatpatienten bei Corona-Impfung

„Wir werden das gut auf die Kette bekommen, auch wenn auf uns ein großer logistischer Aufwand zukommt und es am Anfang sicherlich etwas chaotisch wird“, erklärt Dr. Hans-Peter Hunfeld, Allgemeinmediziner aus Attendorn, angesichts eines möglichen Patientenansturms. Schon jetzt würden seine Patienten vielfach anrufen und sich auf Wartelisten setzen lassen.

Zunächst gelte es aber, die Patienten, die zu den Priorisierungsgruppen gehören, „abzuarbeiten“, erst danach könnten die gesunden Patienten einen Termin beim Attendorner Hausarzt buchen, sofern Bund und Länder die Priorisierungen aufheben. Aber auch dann wird es nicht nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zu erst gehen, sagt Dr. Martin Gäher aus der Gemeinschaftspraxis Drs. Metten/Gäher in Elspe. Maßgeblich für die Terminvergabe blieben Alter, eventuelle Vorbelastungen und Risikofaktoren der Patienten: „Die Älteren werden auch dann zuerst geimpft“, so der Mediziner. Und es gebe auch keinen Bonus für Privatpatienten.

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Dass seine Praxis nach Aufhebung der Priorisierung von impfwilligen Patienten geradezu überrannt werden könnte, sieht auch er nicht. „Wir werden uns gut vorbereiten und Impftage anbieten. Zwei ziehen die Spritzen auf, zwei assistieren und dann werden die Leute durchgeimpft“, nach eng getakteter Terminvergabe. Im Sommer könnten die Patienten bei gutem Wetter auch draußen warten. Mit entsprechender Manpower könnten 150 Patienten am Tag geimpft werden. Er glaubt, dass der Impfstoffmangel dann endlich behoben sein wird. „In vier Wochen sieht die Welt wahrscheinlich anders aus“, so Dr. Gäher.

Impfen im Kreis Olpe: „Im Moment ist da sehr wenig Verlässlichkeit drin“

Dr. Stephan Mönnighoff, der zusammen mit Dr. Raimund von Helden eine Hausarztpraxis in Meggen betreibt, sieht nach den Erfahrungen der letzten Wochen noch einige große Fragezeichen: „Wir können theoretisch 200 Leute in der Woche impfen, dann hätten wir unsere Patienten in zehn Wochen durchgeimpft.“ Zusammen mit Betriebsärzten und Impfstraßen von Betrieben könne das grundsätzlich ganz schnell gehen. Aber nur, wenn ausreichend und vor allem der richtige Impfstoff vorliege.

„Ich glaube noch nicht daran, weil die Vorhersagen bis jetzt immer anders waren, als das, was wir bekommen. Mal gibt es mehr, mal weniger, dann wird Astrazeneca angekündigt und wir kriegen doch Biontech. Im Moment ist da sehr wenig Verlässlichkeit drin, wir erfahren erst am Montag, was wir am Dienstag bekommen, deshalb bin ich noch sehr vorsichtig“, so der Mediziner.

Kreis Olpe: Alle reden von Abschaffung der Impfpriorisierung, aber Umsetzung dauert

Weil die unter 60-Jährigen grundsätzlich Anspruch auf Biontech/Pfizer-Impfstoff haben, müsse dann auch genug von diesem Vakzin geliefert werden. Zu dieser Regelung vertritt der Mediziner eine eigene Meinung: Es sei Quatsch, bei einem relativ geringen Risiko auf schwere Nebenwirkungen sechs bis acht Wochen auf einen anderen Impfstoff zu warten und in dieser Zeit eine schwere Erkrankung in Kauf zu nehmen. „Die Deutschen haben halt eine komische Risikowahrnehmung“, so Mönninghoff.

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„Die Leute werden von unserem Ankündigungsminister Jens Spahn und unserer Ankündigungskanzlerin ganz geck gemacht“, sagt der Olper Allgemeinmediziner und Bezirksstellenleiter der KVWL Südwestfalen, Dr. Martin Junker. Alle würden von der Abschaffung der Impfpriorisierung reden, aber die Umsetzung würde nicht schnell genug beschlossen. „Dabei ist sie schon längst überfällig. Das hätte man viel früher machen können“, betont er.

Hausarzt aus Olpe übt Kritik an Impfpriorisierung

Junker kritisiert auch, dass den Hausarztpraxen viel zu viel Bürokratie zugemutet würde. „Das ist eine mittlere Katastrophe.“ Für jede kleine Maßnahme gäbe es mehrere Seiten Regeln. „Eine breit angelegte Impfkampagne mit der deutschen Bürokratiewut kann man vergessen.“ Und dann müssten viele Hausärzte noch bangen, dass sie „nicht gebrandmarkt werden“, weil sie „Leute aus dem Boden stampfen, damit der Impfstoff nicht verfällt, wenn Termine nicht wahrgenommen werden“, so Junker.

Er könne zehn Impfungen in einer Stunde „locker durchziehen“. „Aber wo soll ich die Leute hinsetzen, neben dem normalen Praxisbetrieb?“ Dennoch ist er der Meinung, dass die Praxen noch mehr Leute impfen könnten und Betriebsärzte miteinbezogen werden sollten. Dafür bräuchte man aber auch mehr Impfstoff. „Auch die Impfzentren brauchen wir selbstverständlich noch, mindestens bis Herbst.“

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Generell übt Junker Kritik am Konzept der Impfpriorisierung. Es sei „keine Frage“, dass die besonders Gefährdeten geschützt werden müssten. „Aber die Alten im Pflegeheim fahren nicht in die Disko oder in den Urlaub. Wir müssten die, die das Virus ins Heim bringen, als erstes impfen.“ Besonders die „Vervielfältiger“, wie beispielsweise Lehrer und Erzieher, die mit besonders vielen Menschen in Kontakt kommen, hätte man seiner Meinung nach vorzeitig impfen sollen.