Dortmund/Herdecke. Viel Medienpräsenz, ausverkaufte Veranstaltungen: Mit seinem ersten Buch „Der Lärm des Lebens“ ist der Herdecker Schauspieler nun auf Lesetour.

Hartmann hier, Hartmann da. Ja beinahe überall. Wer als bekannter Schauspieler ein Buch veröffentlicht, muss mit Resonanz rechnen. Und mit Medienterminen. Am 12. März hat der Herdecker sein Erzählwerk „Der Lärm des Lebens“ veröffentlicht. Darüber spricht er in diesen Tagen im Radio und im Fernsehen, deutschlandweit beschäftigen sich Zeitungstitel mit den Schilderungen über sich und seine Heimatstadt an den Ruhrseen. In dieser Woche hat auch seine Lesetour begonnen, viele Veranstalter melden: ausverkauft.

Klassentreffen und mehr

Das ist auch am Dienstag im Sendesaal des Rundfunks Berlin-Brandenburg und am Donnerstagabend im Dortmunder Orchesterzentrum NRW der Fall. In der benachbarten Großstadt, wo der Darsteller als TV-Tatortkommissar Faber auch weiterhin ermittelt, entpuppt sich das Gast- als Heimspiel. Viele Herdeckerinnen und Herdecker sitzen im Publikum. Direkt nach der Begrüßung durch Moderator Matthias Bongard erkennt Jörg Hartmann zwei frühere Schulkameradinnen in der ersten Reihe.

Saxofon-Solo vom früheren FHS-Lehrer

Es folgen weitere Erinnerungen an die Zeit und an das Abitur am hiesigen Friedrich-Harkort-Gymnasium. Dort hat einst Siegfried Hiltmann Kunst unterrichtet. Für seinen einstigen Schüler schnappt er sich ein Saxofon und spielt als Einleitung zu einem abwechslungsreichen Abend ein Solo auf der Bühne. Applaus für „Siggi“, der mit Hartmann Junior und anderen einst auch einen Film als „Miami-Vice-Satire“ an der FHS gedreht hat, zu diesem Spaßprojekt habe auch eine Jagd durch das Lehrerzimmer gehört.

Humor und Tod des Vaters

Der humorvolle Ton hält sich während der 90-minütigen Veranstaltung vom Literaturhaus Dortmund, die aber mehr ist als ein Klassentreffen. Zumal der Moderator seinem Gesprächspartner zwischen den Lesepassagen auch ernste Aussagen und Hintergründe zum Buch entlockt. „Der Anlass zum Schreiben war der Tod meines Vaters. Ich wollte die Erinnerungen an ihn und meine gehörlosen Großeltern wachhalten“, sagt Jörg Hartmann. Notizen habe er sich mal gemacht, nachdem er seinen demenzkranken Papa im Pflegeheim besucht hatte. Ein an- und berührendes Erlebnis.

Gedanken über Heimat

Als Hubert Hartmann 2018 starb, habe sein Sohn aber noch nicht an eine Veröffentlichung gedacht. Dabei spüre der Schauspieler häufig einen „inneren Drang zum Schreiben“ und habe daher auch befreit losgelegt, als er Texte über seinen Werdegang und „sein“ Herdecke verfasste. Das Städtchen und das Ruhrgebiet fehlen ihm manchmal, die Menschen, die Sprache, die Kneipenkultur. Doch ihn habe es trotz einer schönen Kindheit in einer kleinen Altstadt-Wohnung nach dem Mauerfall in die vermeintlich große und weite Welt gezogen, in der der Wahl-Potsdamer wiederum immer häufiger an seine Herkunft denkt. „Heimat kann man nicht in die Tasche stecken und woanders auspacken. Das ist ein gemeinsames Fundament, das lässt sich kaum erklären.“ Insofern sei das Buch auch eine Form der Verarbeitung, „aber keine Therapie“.

Berlin und Hagen

Peter Gerigk hat am 12. März die Premieren-Lesung Hartmanns vor rund 1000 Leuten in Berlin verfolgt. „Es war grandios. Es ist ein Genuss, ihm zuzuhören. Man merkt einfach, dass er auch Hörbücher macht“, berichtet der Herdecker, der lange im Rat saß und aktuell die AG Koepchenwerk anführt.

Hartmann stellt jetzt am Samstag sein Buch auf der Messe Lit.Cologne in Köln vor. Zudem ist mittlerweile bekannt, dass der Nibelungenlied-Film „Hagen“ im Herbst 2024 in die Kinos kommen soll. Der Herdecker Schauspieler ist darin in einer Nebenrolle als „Dankrat“ und König von Burgund (Vater von Kriemhild) zu sehen

Beim Blick auf „Der Lärm des Lebens“ habe er eine eigene Kunstform gewählt. Durch verschiedene Kniffe habe er Distanz zum Erlebten gewonnen und könne auch als Ich-Erzähler aus der Vogelperspektive auf seine Erlebnisse schauen. Und ja, dazu gehöre auch, quasi „die Hose herunterzulassen“ und wahrhaftig zu berichten. Der 54-Jährige setzt dann seine Lesebrille auf („Ich bin ja auch keine 30 mehr“) und trägt als gekonnter Sprecher drei Kapitel aus seinem ersten Buch vor. Den Ruhrpott-Dialekt hat der Herdecker ebenso drauf wie Sächsisch.

Persönliches und Theaternanfänge

Das Gespräch auf der Bühne dreht sich wie viele Buchkapitel um persönliche Aspekte. Er zeichne heute nicht mehr, was er früher als schüchterner Junge ausgiebig getan habe. Hartmann erinnert sich auch an seinen damaligen Spitznamen „Hulk“. Auf die Frage, welche Personen in Herdecke ihn besonders geprägt haben, nennt er neben seinen Eltern und Hiltmann noch seine frühere Deutschlehrerin Barbara Bongardt, die ihn als Klassenclown auch zur Teilnahme an der Theater-AG der FHS animiert habe. „Meine erste Rolle war eine Frau, ich war in Sachen Gendern schon früh ganz weit vorne“, sagt der Schauspieler, der dann noch die frühere Intendantin des heimischen Stiftsplatz-Theaters würdigt. Ende der 1980-er Jahre habe Eileen Anne Plümer mit viel Leidenschaft sein Spiel gewissermaßen auf die nächste Stufe gehoben.

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In seinem lärmenden und lebendigen Ruhrgebiets-Roman schreibt Hartmann, dass er seinen Beruf liebe und hasse. Das Spiel selbst habe etwas Befreiendes, die vielen Reisen und „Fesseln“ lassen sich hingegen nur schwer mit Familie sowie Kindern in Einklang bringen. Bei einer Lesung in Dortmund muss es natürlich auch um den TV-Tatort gehen, den Hartmann augenzwinkernd mit dem Polizeiruf und Kommissar Rex absichtlich verwechselt. Die Fernsehreihe sei seit 2012 ein willkommener Anlass zu regelmäßigen Aufenthalten in seiner alten Heimat. Zugleich betrachtet er seine Kommissar-Darstellung als Fluch und Segen. Einer erfreulichen Aufmerksamkeit stehe eine gewisse Festlegung auf diese Rolle gegenüber. „Das ist aber Jammern auf hohem Niveau, ich spiele den Faber immer noch gerne.“