Herdecke. Vor 30 Jahren hat Claudia Pfleging in Herdecke beim Fachmagazin „Freie Werkstatt“ angefangen. Lange schon ist sie die Chefin der Redaktion.
Als Claudia Pfleging vor 30 Jahren im Herdecker Verlag von Manfred Kaufhold anfing, fuhr sie einen Kleinwagen von Peugeot. Werkstatttermine machte sie beim Vertragshändler in Hagen aus. Ihr Auto war schließlich ein Neuwagen, und sie wollte die Garantieansprüche nicht verlieren. Heute kann sie zur Freien Werkstatt um die Ecke gehen. Und die Garantie wäre nicht gleich verspielt. Viel hat sich in diesen 30 Jahren verändert: die Rechtslage in der EU, ihr Wissen über die „Freien Werkstätten“ und die Rolle, die Frauen in ihnen spielen.
„Ich hatte keine Ahnung vom Thema Auto, aber ich war neugierig“, erinnert sich Claudia Pfleging an die Hochzeit ihrer Schwester und das Angebot von Manfred Kaufhold, ob sie nicht bei seinem neuesten Projekt dabei sein wolle - einer Fachzeitschrift für Freie Werkstätten. So ganz ihr Plan war das nicht. Französisch, Spanisch und Sprachwissenschaften hatte sie in Köln studiert. Ihre Doktorarbeit stand an. Thema: „Die französische Grammatik der Höflichkeit.“ Das Thema beschäftige sie manchmal noch heute, sagt sie, auch wenn aus der Dissertation nichts geworden ist. Dafür darf sie sich schon lange „Chefredakteurin“ nennen.
Männer sind meist die Mechaniker, Frauen oft zuständig fürs Marketing
Der Verlag ist gewachsen in diesen drei Jahrzehnten. Im vorigen Jahr wurde die obere Etage bezogen im „Ocean 21“ am Phönix-See. Zusätzlich zum Herdecker Standort. In Dortmund geht es um Verkauf. Über 50 Arbeitsplätze gibt es hier. Mit Terrasse und Blick über den künstlichen See. „Eine schöne Adresse“, wie Claudia Pfleging sagt. Die Redaktion aber sitzt weiter am Philipp-Nicolai-Weg unterhalb des Nackens. Für die Chefredakteurin ist das nicht nur angenehm, weil sie in Herdecke wohnt. Sie schätzt die Ruhe und die Rückzugsräume am alten Verlagssitz.
Monatlich erscheint die „Freie Werkstatt“. Schnell hat sich Claudia Pfleging eingearbeitet in die Welt ihrer Abonnenten. „Wir kennen die Denke der Freien Werkstätten“, sagt sie und weiß, wie die meisten von ihnen geführt werden: Hinter vielen Männern an der Hebebühne steht im Büro eine Frau, in der Regel die Ehefrau. Auch wenn der Begriff plötzlich komisch klingt: Das Kaufmännische ist ihre Welt oder das Marketing. Oft sind auch noch Schwestern oder Töchter mit im Betrieb. Manchmal mittlerweile auch in der Werkstatt. Einen reinen Frauenbetrieb in Hamburg hat sie vor Jahren mal vorgestellt. Häufiger sind schon einzelne Frauen, die mit Männern im Betrieb unter die Motorhaube schauen oder für frischen Lack sorgen.
Lackiererinnen sind keine Lackierer
Claudia Pfleging nimmt dieses Mehr an Frauen in der Branche wahr, aber ein Hype liegt ihr fern. Wo Frauen dazu gehören, berichtet sie darüber. Und wenn es darum geht, dass Werkstättenbesitzer bei der schwierigen Suche nach neuen Arbeitskräften beispielsweise auch weibliche Bewerber in den Blick nehmen sollen, schreibt sie auch mal, dass es um Lackiererinnen geht. Weil es dann tatsächlich um Lackierinnen geht und nicht um Lackierer. So nimmt sie die Gender-Debatte unaufgeregt auf und zeigt, dass auch andere Erkenntnisse aus ihrer sprachwissenschaftlichen Vergangenheit noch nicht völlig verblasst sind. Sprache kann Denken beeinflussen, das denkt auch Claudia Pfleging.
Die Werkstätten-Welt ist zunehmend komplexer geworden. Klimaanlagen werden immer komplizierter, Radarsensoren in Windschutzscheiben machen die Autoreparatur auch nicht einfacher. Und das für immer wieder andere Marken und Modelle. Die „Freie Werkstatt“ berichtet darüber, im Spannungsfeld von Automobilherstellern, Teilelieferanten und freien, aber qualifizierten Werkstätten vor Ort. Dabei wird gesellschaftlicher Wandel greifbar, nicht nur in der rechtlichen Stärkung der herstellerunabhängigen Anbieter durch den Verbraucherschutz in der EU.
Gehört die Zukunft der schreibenden Zunft der KI?
Im Moment ist Kommunikation ein wichtiges Thema für Claudia Pfleging und die von ihr geleitete Zeitschrift. Wie kommen beispielsweise die Generationen miteinander klar, fragt sie in den Werkstätten nach und erfährt dabei auch etwas über sich selbst. Thema Feierabend: Die nachwachsende Generation „lässt den Griffel fallen“, wenn das Arbeitsende auf der Uhr steht. Sie selbst gehört noch zum alten Schlag, der arbeitet, bis die Arbeit gemacht ist, spitzt sie zu.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Mit 30 Jahren hat Claudia Pfleging bei Manfred Kaufhold angefangen, 30 Jahre ist sie dabei. Ein paar Jährchen Arbeit hat sie noch vor sich. Nicht nur die Welt der Schrauber ist dabei unentwegten Veränderungen unterworfen. Ihre Welt der Schreibenden ist es auch. In Dortmund gab es jüngst einen Journalistentag. Thema war vor allem Künstliche Intelligenz. Schon jetzt hat Claudia Pfleging bei manchem Agenturtext den Eindruck, dass hinter dem KI und nicht ein kluger Kopf steckt. Wo geht es hin, fragt sie für die schreibende Zunft und muss feststellen: „Ich weiß es nicht“.