Herdecke/Hagen. Amprion will das Bauwerk am Schiffswinkel abgeben, die Städte Hagen und Herdecke zögern. Es gibt aktuell Streit um Unterlagen und Unterschriften.

Weihnachten und das Jahr 2024 rücken näher. Wer es romantisch und harmonisch mag, würde sich vielleicht über diese Schlagzeile freuen: Das Unternehmen Amprion schenkt den Städten Herdecke und Hagen die Brücke am Hengsteysee, die Beteiligten haben sich auf eine Übernahme-Lösung im Sinne aller Beteiligten geeinigt. Die Realität sieht indes anders aus, die Zukunft des Bauwerks am Schiffswinkel ist weiter ungeklärt.

März 2024 als Zielfenster

Dabei drängt mittlerweile auch die Zeit. Netzbetreiber Amprion hat als Eigentümer mehrfach betont, dass das Unternehmen die Hengsteysee-Brücke nicht mehr als Transportweg braucht und sie im März 2024 abgeben möchte. Seit vielen Monaten laufen bekanntlich Gespräche mit den beiden Stadtverwaltungen und weiteren Beteiligten. Bisher ohne konkretes Ergebnis.

Wichtig als touristische Anbindung

Die Herdecker SPD hat nun nach dem aktuellen Stand gefragt. Im zuständigen Fachausschuss führte Ratsmitglied Gustav Müller aus, dass die Brücke am Schiffswinkel für den Freizeitverkehr und hinsichtlich des Ruhrtalradwegs von zentraler Bedeutung sei, da sie die touristische Anbindung an die hiesige Innenstadt sichere. Die heimischen Fraktionen hatten sich bereits vor einem Jahr für den Erhalt und die Ertüchtigung des Bauwerks einstimmig ausgesprochen.

Viele Gespräche ohne Ergebnisse

Doch Beigeordneter Dennis Osberg konnte keinen Durchbruch vermelden. Die Beteiligten, darunter auch Grundstückseigentümer, haben sich den Angaben zufolge in den vergangenen Monaten mehrfach zu Gesprächen getroffen. Die städtischen Verwaltungen aus Hagen und Herdecke seien sich demnach zu 100 Prozent einig, die Brücke erhalten zu wollen und den Austausch fortzusetzen. Unter einer Bedingung: „Wir möchten den Zustand detailliert begutachten, um dann über das weitere Vorgehen zu beraten“, so Osberg.

Letter of intent

Irmingard Schewe-Gerigk von den Grünen wollte wissen, was denn die Akteneinsicht der beiden Stadtverwaltungen ergeben habe. Sie sehe „Eile geboten, da Amprion 2024 mit der Brücke nichts mehr zu tun haben will. Und warum hat die Stadt Herdecke den Letter of intent, bei dem es sich ja um eine juristisch unverbindliche Absichtserklärung handelt, noch nicht unterschrieben?“ Zur Erläuterung: Diese Grundsatzvereinbarung regelt vor einem Vertragsabschluss lose die Willenserklärungen der Verhandlungspartner.

Intensive Akteneinsicht

Diese Absichtserklärung würde die Stadt Herdecke laut Osberg womöglich unterschreiben, wenn sie genauere Kenntnisse über die Brücke hätte. Laut Beigeordnetem gab es einen Termin für beide Verwaltungen, bei dem städtische Fachleute und kundige Ingenieure Akteneinsicht erhielten. Auch Kollegen aus Hagen konnten demnach in Ordnern blättern. Doch die Vertreter beider Kommunen möchten die Papiere länger unter die Lupe nehmen und fordern daher eine Übermittlung der vorliegenden Untersuchungsergebnisse. „Darauf warten wir“, so Osberg.

Auch Schienen-Frage offen

Die 1928 am Hengsteysee errichtete Stahlbrücke zwischen Hagen und Herdecke gehörte lange RWE, ehe sie in den Besitz von Amprion überging. Der Netzbetreiber hat über das Bauwerk 2021 einen letzten Trafotransport zum Koepchenwerk abgewickelt und hat nun keine Verwendung mehr für den Überweg.

Die Brücke neben dem Wehr des Ruhrverbands liegt zu 78 Prozent auf Hagener und zu 22 Prozent auf Herdecker Stadtgebiet.

Ungeklärt ist auch, was mit den Schienen auf der Strecke zwischen Hengstey und Pumpspeicherkraftwerk passieren soll. Ausbauen oder beibehalten? Radfahrer stürzen schon mal, andere wollen diese Gleise erhalten, damit womöglich eines Tages mal eine Museumseisenbahn zum Denkmal Koepchenwerk fahren kann.

Amprion hatte in der Vergangenheit stets behauptet, dass das Bauwerk am Ende des Hengsteysees in einem ordentlichen Zustand sei. Die Brücke werde regelmäßig gewartet, wurde erst im vergangenen Jahr durch das zuständige Eisenbahnbundesamt geprüft und zertifiziert. Im Herbst 2022 erfolgte eine Reparatur der Holzverkleidung, hinzu kamen Instandhaltungsarbeiten. Andererseits bemerkt jeder Laie angesichts des Erscheinungsbildes, dass es offensichtlich Schäden an dem Überweg gibt.

Streit zum Zustand

Hagens Baudezernent Henning Keune sagte vor einigen Monaten, dass der Brückenzustand „miserabel“ sei. Auch Herdeckes Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster hatte vor einiger Zeit Zweifel an den vermeintlich guten Verhältnissen und damit auch das zurückhaltende Vorgehen der beiden Kommunen begründet. Um dennoch jetzt einen Schritt weiterzukommen und vorliegende Schriftstücke intensiv prüfen zu können, wäre die Stadt Herdecke laut Dennis Osberg auch bereit, eine vom Eigentümer geforderte Verschwiegenheitserklärung hinsichtlich der Amprion-Unterlagen zu unterschreiben. Derzeit könne der Beigeordnete aber keine verlässliche Aussage zur Bewertung des Bauwerks öffentlich abgeben.

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Der Leiter der Pressestelle der Stadt Hagen übt sich ebenfalls in Zurückhaltung. „Wir stimmen uns bezüglich der Hengsteysee-Brücke eng mit Herdecke ab und verweisen darauf, dass die Gespräche der Beteiligten weiter laufen“, sagte Michael Kaub auf Anfrage der Redaktion. „Mehr gibt es aktuell dazu nicht zu sagen.“ Vielleicht bringt ein besinnliches Weihnachtsfest und ein guter Jahresübergang Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen. Sonst droht Radfahrern, Fußgängern, Joggern und weiteren Nutzern ein Schreckensszenario: Mangels Zuständigkeit und ungeklärter Verkehrssicherungspflicht könnte es 2024 zu einer Sperrung des Bauwerks kommen. Der Druck steigt.