Herdecke. Die Zukunft der Brücke von Amprion am Hengsteysee-Wehr von Herdecke nach Hagen ist offen. Lokalpolitiker sorgen sich wegen zäher Verhandlungen.

Die Fakten liegen auf dem Tisch: Im Frühjahr 2024 möchte das Unternehmen Amprion die Brücke am Hengsteysee-Wehr auf- bzw. abgeben. Doch die Verhandlungen hinsichtlich einer möglichen Übernahme durch die Städte Hagen und Herdecke stocken.

Daher haben Herdeckes Grüne nun in einer Fachausschuss-Sitzung nach den Hintergründen gefragt – und interessante Antworten zu dieser „touristischen Lebensader“, wie Fraktionschef Andreas Disselnkötter es formulierte, erhalten.

Die Stadt Herdecke geht nach aktuellem Wissensstand davon aus, dass Amprion aus Gewährleistungsgründen bis März 2024 weitere Trafotransporte über besagte Brücke ermöglichen und somit auch den Erhalt der Anschlussweiche bis dahin sichern werde. Vor diesem Hintergrund führe die Verwaltung Gespräche mit der Stadt Hagen, dem Regionalverband Ruhr und weiteren Beteiligten zur zukünftigen Nutzung des wichtigen Überwegs für den Freizeitverkehr. Gemeinsam soll mit allen Beteiligten ein zielgerichtetes Konzept entstehen. „Mit Blick auf die Ruhrtalradweg-Führung und die Möglichkeit der Umrundung des Hengsteysees steht für die Stadtverwaltung der Fuß- und Radwegeverkehr und die qualitative Verbesserung dessen im Vordergrund“, heißt es.

Teil des Ruhrtalradwegs

Ein paar Zahlen und Hintergründe helfen zur Einordnung: Monatlich queren bis zu 36.000 Radfahrende die Brücke zwischen Schiffswinkel und Hagen-Hengstey, das ergab eine Analyse 2019 (radrevier.ruhr). Für die Stadt Herdecke habe der dort her führende Ruhrtalradweg weiter eine sehr hohe Bedeutung. Zu den lokalen Aspekten für den heimischen Tourismus kommen noch regionale Interessen hinzu. Problem: „Da die Brücke jedoch als reine Bahnbrücke konzipiert wurde, war diese ursprünglich nicht für den Rad- und Fußverkehr vorgesehen. Um die Qualität des Ruhrtalradweges und weiterer Radwege im Bereich des Hengsteysees langfristig zu verbessern, muss die Brücke so optimiert werden, dass Radfah­ren­den ohne Absteigen eine Querung der Brücke ermöglicht wird. Langfristig ist dies mit einem Erhalt der Gleise in einem betriebsfähigen Zustand nicht möglich“, so die Stadt.

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Das Bauwerk sei auch mit Blick auf angestrebte Entwicklungen des Freizeitareals Hengsteysee und die Internationale Gartenausstellung 2027 von hoher Bedeutung, stelle es doch die wesentliche Verbindung zwischen den Ideen am Herdecker Koepchenwerk und Seepark auf Hagener Seiten dar. Somit sei mit steigenden Besucherzahlen an den Ufern zu rechnen. „Auch dies spricht langfristig für eine qualitative Verbesserung des Fuß- und Radweges über die Brücke.“

Lokalpolitiker sorgen sich unterdessen wegen der scheinbar zähen Verhandlungen zwischen den beiden Städten und Amprion, manche sprechen von einer Patt-Situation oder Blockade-Haltung. Auf der einen Seite stehe ein Unternehmen, das eine Brücke aufgeben und diese unter bestimmten Bedingungen „verschenken“ möchte, auf der anderen Seite scheine wegen möglicher Risiken bei einer Übernahme Zurückhaltung das Gebot der Stunde zu sein. Als Beispiel diene der nicht aufgelöste Streit um den Zustand der Brücke. Das Unternehmen behaupte, diese sei nicht marode und habe dazu auch Gutachten. Aus den beiden hiesigen Verwaltungen hingegen kamen zuletzt Hinweise zu einigen Mängeln an dem alten Bauwerk.

Transparenz gefordert

In den politischen Reihen in Herdecke nimmt die Unruhe wegen vieler ungeklärter Fragen zu. Die Fraktionen kennen etwa nicht den Inhalt aus einem „Letter of intent“. Dabei handelt es sich in der Regel um eine unverbindliche Absichtserklärung zwischen Käufer und Verkäufer im Vorfeld eines Vertragsabschlusses. Ein solcher liege auch im Zusammenhang mit der Brücke am Wehr vor.

Schienen-Probleme

Herdeckes Verwaltung sieht eine touristische Nutzung der vorhandenen Schienen zwischen dem Koepchenwerk und dem Gleisanschluss in Hengstey zurzeit aus verschiedenen Gründen kritisch.

Das Regionale Radwegenetz der Metropole Ruhr sieht für touristische Radrouten eine Mindestbreite von drei Metern vor. Zusätzlich muss ein Gehweg mit einer Breite von ungefähr zwei Metern vorhanden sein. Aufgrund dieser Vorgaben ist eine Aufrechterhaltung des Schienenverkehrs und die zeitgleiche Nutzung der Brücke durch Fußgänger und Radfahrer „nicht realisierbar“, heißt es.

Ein touristischer Zugverkehr über die Brücke am Wehr hätte folglich eine regelmäßige Sperrung des Überwegs zur Folge. Das könne zu Wartezeiten vor der Brücke und somit zum Attraktivitätsverlust für Nutzer führen.

Die vorhandene Schieneninfrastruktur stelle eine erhöhte Unfallgefahr für Fahrradfahrer und Fußgänger dar.

Daher fand nun im Fachausschuss ein Antrag der Grünen Zustimmung, in der nächsten Sitzungsrunde im Februar jemanden von der Firma Amprion zur Erläuterung einzuladen. Diese Person könne dann sicherlich auch etwas zu den Gutachten des Unternehmens sagen, wie es um den Zustand des Bauwerks bestellt sei. So lasse sich womöglich obendrein erfahren, welche Bedingungen oder Vorstellungen der Übertragungsnetzbetreiber zur Übergabe an die zwei Städte aufruft.

Zudem wurde Herdeckes Verwaltung gebeten, den Ausschussmitgliedern besagte Absichtserklärung zur Verfügung zu stellen. „Die Zeit bis Frühjahr 2024 wird immer knapper“, meint Andreas Disselnkötter.