Grundschöttel. Kunden nennen es eine Katastrophe, dass nun der einzige Supermarkt im Ortsteil und bald auch der Cap-Markt schließen. Der Kiosk ist schon dicht.

Eine seltsame Atmosphäre. Ein halbes Dutzend Leute tummelt sich am Montag gegen 11 Uhr zwischen Kasse, Bäckerei und Kiosk. Wer es nicht wüsste, könnte am Rewe-Eingang in Grundschöttel einen normalen Einkaufsvormittag vermuten. Doch der Supermarkt schließt bekanntlich nun im August. Wer genauer hinschaut, sieht einige Anhaltspunkte für eine Geschäftsaufgabe. Wer mit der Kundschaft spricht, erhält viele Erklärungen für die gedämpfte Stimmung.

Die Anzeichen

Einige Regale sind leer. Die Wurst- und Fleischtheke schließt stets am späten Mittag. Aushänge weisen komischerweise darauf hin, dass Rewe Schmitz ab dem 2. Mai täglich von 7 bis 20 Uhr für die Kundschaft da sei. Auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude an der Grundschötteler Straße 85 steht ein Werbeplakat für Rewe Symalla in Herdecke-Ende. Am oberen Eingang flackern Lampen an der Decke, Werbebotschaften hängen noch mit den Angeboten der vergangenen Woche aus. Ein Zettel an einer Tür verkündet, dass noch Verkäuferinnen und Verkäufer oder Aushilfen gesucht werden. Grotesk. Wann öffnet der Rewe zum letzten Mal? Nirgends befindet sich dazu eine Information.

Der Marktleiter

Arnim Schmitz kommt zur Kasse. „Wahrscheinlich schließen wir am 29. August, eventuell schon eher, je nach Warenbestand“, teilt der Marktleiter im Gespräch mit der Redaktion mit. „Fast alle Festangestellten haben etwas Neues gefunden, hier arbeiten jetzt noch überwiegend Aushilfen und Schüler.“ Schmitz gibt zu, dass sich schon eine Art Endzeitstimmung breit mache. Er selbst freue sich auf den Ruhestand ab dem 1. Oktober. Im September kümmert sich eine Firma um das Ausräumen des Ladens.

Kundin Renate Wesselowski und Ana Maria Klein (rechts), die nach dem 31. Juli den Kiosk am Rewe-Eingang aufgibt.
Kundin Renate Wesselowski und Ana Maria Klein (rechts), die nach dem 31. Juli den Kiosk am Rewe-Eingang aufgibt. © Steffen Gerber

Der Kiosk

Für Ana Maria Klein schlägt nun am 31. Juli die letzte Stunde im Rewe. Die Betreiberin des Shops und der Lotto-Toto-Annahmestelle neben dem Eingang öffnet am Dienstag nicht mehr. „Natürlich bin ich traurig, es macht sich ein Verlust-Gefühl breit. Aber es ist, wie es ist“, sagt die Geschäftsfrau inmitten von Zeitschriften, Tabak, Geschenk- und Dekoartikeln, auf die es teilweise 50 Prozent Rabatt gibt.

Die Angestellten

Ludmila König klebt vor einem Regal Etiketten auf Konservendosen. Seit 2002 arbeitet sie hier im Rewe, zuvor hatte sie ein paar Meter weiter einen Job in der Goethestraße. Ihre berufliche Zukunft? „Unklar, ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste.“ Sie kenne die Leute im Ortsteil, Familienmitglieder und Nachbarn seien wegen der Schließung allesamt traurig. Hier gebe es ja auch keine kleinen Läden mehr, zum Einkauf müssen bald alle längere Wege auf sich nehmen. „Die Kunden fragen mich: Was sollen wir machen? Ich kann nur sagen: Ich weiß es nicht. Vielleicht zum Rewe nach Herdecke oder Haßlinghausen fahren.“

Nachfolge ungeklärt

Im Raum steht weiterhin die offene Nachfolgefrage. Rewe, so erklärt es der scheidende Marktleiter im Gespräch mit der Redaktion, habe kein Interesse an einer Fortführung. „Die hätten jemanden gesucht, wenn es hier eine Gewinnaussicht gegeben hätte“, so Arnim Schmitz.

Er bestätigt, dass sich Verantwortliche von Netto die Immobilie vor einiger Zeit angeschaut haben. Aus der Pressestelle des Discounters hieß es im Juli erneut auf Anfrage: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir aufgrund des frühen Planungsstatus aktuell keine weiteren Informationen zu diesem Standort kommunizieren können.“

Patrick Osterholt zieht an der Kasse Ware über den Scanner. Auch er hat 2002 hier eine berufliche Heimat gefunden, nun muss und will er sich neu orientieren. „Das ist schon blöd. Als Kaufmann oder in einem Büro sollte ich aber was finden“, sagt er auf Anfrage. Noch laufe aus seiner Sicht vieles weitgehend normal im Rewe, dafür sorgen die Aushilfen. Aber auch Osterholt spüre in Gesprächen mit der Kundschaft die Enttäuschung und den Tenor in Grundschöttel: „Hier gibt es fast gar keine Geschäfte mehr.“ Ein Kunde im Seniorenalter meint: „Die Angestellten versuchen, noch das Beste aus der Situation zu machen.“

Die Bäckerei

Elke Anhenn ist aus einem einstigen Trio die einzig verbliebene Verkäuferin, die sich gegenüber von der Rewe-Kasse noch um Brot und Backware von Borggräfe kümmert. Ihre zwei Kolleginnen arbeiten seit einiger Zeit im Schöllinger Feld für die Bäckerei. Die wiederum hat schon vor Wochen plakatiert, dass im Geschäft an der Grundschötteler Straße 85 täglich schon um 14 Uhr Schluss sei. Anhenn hält nun bis zum letzten Tag im Supermarkt noch die Stellung. „Ich merke schon den Unterschied zu früher, hier ist es seit der Schließungs-Ankündigung im Januar deutlich ruhiger geworden“, sagt die Frau aus Ende, die ab September nebenan in der Filiale der Bäckerei Borggräfe (Hausnummer 93) weiter arbeitet.

Die Kundschaft

Viele wollen im Gespräch mit dem Reporter ihren Namen nicht nennen, doch auf die Frage nach dem Gefühlszustand taucht in allen Äußerungen ein Wort auf: traurig. Einen anderen Begriff nennt Heike Schmitke. Die Rewe-Schließung ist eine „Katastrophe, in erster Linie für die Senioren hier in Grundschöttel, aber nicht nur für die.“ Ihr Sohn und seine Freunde kaufen demnach in dem Supermarkt oft schnell was ein. Auch für die stelle sich die Frage: Wohin? „Hier ist ja nichts und kommt nichts hin, außer Baustellen. Die Jugend wird abends vom Schulhof gescheucht. Auf diese Entwicklungen haben wir 2022 in der Stadtteilkonferenz hingewiesen, zumal der Rewe auch eine Art Treffpunkt und ein Ort zum Quatschen darstellt.“

Seltsam: Dieses Schild befindet sich im Rewe-Supermarkt Grundschöttel noch an mehreren Orten.
Seltsam: Dieses Schild befindet sich im Rewe-Supermarkt Grundschöttel noch an mehreren Orten. © Steffen Gerber

Den renovierungsbedürftigen Supermarkt stuft die Anwohnerin als nicht mehr zeitgemäß ein, die Qualität oder auch Sauberkeit habe vielfach nachgelassen. „Für einen größeren Einkauf sind wir zuletzt immer woanders hin, dabei wären wir durchaus gerne häufiger hier hin gegangen.“

Auch Renate Wesselowski wohnt im Umfeld und bedauert, dass sie sich nun (gesundheitlich angeschlagen) zwecks Besorgungen immer umständlicherweise nach Alt-Wetter begeben muss. „Das ärgert mich, denn in Grundschöttel gibt es ja im Prinzip nichts mehr. Ich bin sehr traurig.“ Auch andere beklagen nun weitere Wege. Viele führen den Cap-Markt an, das verkündete Aus in Volmarstein passe ins Bild.

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Auf dem Parkplatz sagt eine frustrierte Anwohnerin zum Reporter: „Es wäre traurig, wenn es keinen Nachfolger für Rewe gebe. Schreiben Sie mal, wie hier alles vor die Hunde geht und hauen Sie richtig auf den Putz!“