Herdecke. Die Herdecker haben mit Erfolg protestiert. Nun wird über die Zukunft der Technischen Betriebe abgestimmt. So ist das Prozedere.
Am Montagnachmittag dreht sich im städtischen Kulturhaus viel um Zahlen und Zettel. Die zwei Initiatoren des Bürgerbegehrens zu den Technischen Betrieben Herdecke (TBH) und ein Duo der SPD reichen ebenso noch Unterschriftenlisten ein wie eine Privatperson. Fest steht: Der Protest ist ein Erfolg, genügend Menschen aus der Stadt an den Ruhrseen haben sich in den vergangenen Tagen und Wochen in Formulare eingetragen.
1582 Unterschriften hätten für ein gelungenes Bürgerbegehren gereicht, mit dem Ratsherr Nico Fischer und Paul Lodwich als Privatperson gegen eine Teilprivatisierung der TBH mobil machen wollten. Schon vor dem 17. April hatten Fischer als Vertreter von Die Partei, Mitglieder der SPD sowie Unterstützer von der Linken viele Papiere mit „Autogrammen“ von Herdeckerinnen und Herdeckern bei der Stadtverwaltung abgegeben.
„Wir haben bereits 206 vorliegende Listen geprüft. Von 1977 Unterschriften darauf waren 1815 gültig, 162 oder umgerechnet acht Prozent nicht“, berichtet Fabian Haas, Leiter des Büros für Rats- und Verwaltungsangelegenheiten in Herdecke. Im Beisein von Rechtsdezernent Lars Heimsmann sowie den beiden Sozialdemokraten Uli Schwellenberg und Klaus Klostermann lässt sich angesichts weiterer, noch auszuwertender Zettel feststellen: Es haben genügend Menschen unterschrieben.
Fast 350 Listen mit maximal zehn Namen lagen bereits vor dem Nachmittag am Stichtag vor, mehr als 40 entsprechende Formulare reichten die Sammler nun am 17. April noch zusätzlich ein. „Am Wochenende gab es noch eine Menge Zulauf“, erzählt Klostermann. „Einige Privatleute haben in den vergangenen Tagen auch noch Papiere mit dem benötigten Vorspann kopiert und diese erfolgreich verteilt“, so Schwellenberg. Das kann Fischer bestätigen. „Es ist quasi explodiert und hat sich zu einem Schneeballsystem entwickelt. Es war klar, dass das Bürgerbegehren ein Erfolg wird.“
Sitzung am 1. Juni
Die städtische Verwaltung prüft nun voraussichtlich bis Ende April sowohl die Korrektheit der Formulare (wie berichtet musste ein Satz im Vorspann gestrichen werden) und auch die letzten Zettel, ob sich auch dort noch fehlerhafte Angaben befinden. In den Listen dürfen nur wahlberechtigte Einheimische auftauchen. Teils gab es aber falsche Angaben zur Adresse, mitunter ließen sich die Daten nicht klar erkennen oder zuordnen.
„Anfangs war die Fehlerquote noch geringer. Diese stieg dann an, weil manche auch doppelt unterschrieben haben“, sagt Fabian Haas. Der hat bereits den nächsten Schritt im Kopf: Am 1. Juni kommt der Herdecker Rat regulär zusammen, um anhand einer entsprechenden Verwaltungsvorlage über die Unterschriftenlisten in zweierlei Hinsicht abzustimmen. Einerseits braucht es einen Beschluss zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Andererseits müssen die Fraktionsmitglieder dann selbst erneut die entscheiden Frage beantworten: „Sind Sie dafür, dass keine Ausschreibung zur Teilprivatisierung der Technischen Betriebe Herdecke erstellt und durchgeführt wird, sondern diese zu 100 Prozent bei der Stadt Herdecke verbleiben?“
Sollte es in besagter Sitzung keine Überraschung geben und die Mehrheitsverhältnisse unverändert bleiben, können sich alle Herdeckerinnen und Herdecker auf einen Bürgerentscheid mit eben dieser Fragestellung einstellen. Dieser muss laut Vorgaben innerhalb von drei Monaten nach dem Ratstermin stattfinden. Der Blick in den Kalender besagt: Der Wahlgang wird auf einen Sonntag im August (Anfang dieses Monats enden die Sommerferien) fallen, am 1. September endet die Frist für die Abstimmung. Diese wiederum würde nach den üblichen Modalitäten einer Wahl erfolgen. Alle Berechtigten in Herdecke erhalten Post mit einer Benachrichtigung zum TBH-Entscheid, sie können ihr Votum auch per Brief abgeben. An einem der Sonntage im August 2023 öffnen dann Wahllokale.
Quorum beachten
Das weckt bei vielen Erinnerungen an den Bürgerentscheid 2013, als es um Schulumzüge ging. Damals stimmten zwar mehr Herdecker mit Ja als mit Nein, doch die Initiatoren verpassten das geforderte Quorum (Mindestzahl an Stimmen). Zehn Jahre später lässt sich im Vorfeld Folgendes verkünden: Es bräuchte im August 2023 mindestens 3954 Ja-Stimmen und weniger Nein-Sager für einen erfolgreichen Bürgerentscheid. Die Zahlen beziehen sich auf 19.770 berechtigte Herdecker für die Kommunalwahl 2020 in Herdecke und auf ein Quorum von 20 Prozent. Im Vergleich mit dem nun abgeschlossenen Bürgerbegehren lässt sich festhalten, dass Die Partei, SPD und Die Linke im Sommer noch mehr Menschen für ihr Ansinnen mobil machen müssten.
Die drei Parteien planen rund um die TBH-Zukunftsfrage einen Wahlkampf und hoffen laut Schwellenberg zugleich, dass „vielleicht auch die Koalition aus CDU, Grünen und FDP es sich noch einmal überlegt. Unsere Argumente, auf eine Teilprivatisierung der Technischen Betriebe zu verzichten, sind ja nicht von der Hand zu weisen. In diese Richtung fiel ja auch vor einiger Zeit der Beschlussvorschlag der Verwaltung aus.“ Die wiederum muss bis zum 1. Juni weiter den im Dezember erfolgten Ratsbeschluss umsetzen und eine Ausschreibung zur Umwandlung der TBH vorbereiten.