Herdecke. .

Als kurz vor 19 Uhr das letzte Ergebnis einlief, klatschten sich die Eltern der Vinkenbergschule selbst zu. Vorher schon gab es im Ratssaal einen Geräuschpegel wie auf einem Pausenhof. Viele Mütter und Väter hatten ihre Kinder mitgebracht: Die Ergebnisschau des ersten Bürgerentscheids in der Geschichte der Stadt fand vor großem Publikum statt.

Die Spannung war zum Ende hin nicht mehr so fiebrig. Die „Ja“-Stimmen für den Entscheid gegen die Schulumzüge überwogen zwar deutlich. Aber es waren erkennbar nicht genug, um die magische 20-Prozent-Hürde aller Wahlberechtigten in Herdecke zu überschreiten. Nur mit dieser Mindestquote zählt ein Bürgerentscheid als angenommen.

Peter Thiele von der Elterninitiative gegen die vom Rat beschlossenen Schulumzüge zeigte sich dennoch zufrieden. Für ihn war der Ausgang des Entscheids „ein eindeutiges Zeichen, dass die Mehrheit hinter unserer Meinung steht“. Von einem „klaren Ja“ beim Entscheid sprach SPD-Fraktionssprecherin Nadja Büteführ und von einem „eindeutigen Ergebnis“ ihr Fraktionskollege Ulrich Schwellenberg. Die SPD hatte anfangs für die Umzüge gestimmt, später aber den Bedenken Vorrang gegeben.

Eindeutig ist das Ergebnis auch aus Sicht der Koalition, aber mit umgekehrtem Vorzeichen. Von den Zahlen her habe die Elterninitiative letztlich nicht mehr Menschen für sich in die Wahlkabinen bewegen können als sie schon bei der Unterschriftenaktion hinter sich gehabt habe, so CDU-Fraktionschef Heinz Rohleder: „Die Mobilisierung darüber hinaus ist trotz der SPD ins Leere gelaufen.“

Für Peter Gerigk von den Grünen war der Ausgang des Bürgerentscheids „zwar kein Grund zum Jubeln.“ Aber ein Votum gegen den Kurs der Koalition wollte er keinesfalls aus den Zahlen lesen. Die Botschaft, die er vom Bürgerentscheid mitgenommen hat: „Wir können weiter machen.“

Fünf Wahllokale in der Stadt

Nur fünf Stimmbezirke gab es diesmal, deutlich weniger als bei einer normalen Wahl. Hinzu kam noch ein Briefwahllokal. Für Bastian Pfleging, der früher selbst auf die Vinkenbergschule gegangen ist, war das Anlass zur Kritik. Er sah es als fraglich an, „ob das überhaupt genug Wahllokale waren“. Am deutlichsten auseinander gingen die Stimmen von Gegnern und Befürwortern der Umzüge in den Wahlkabinen der Hauptschule. Im Einzugsbereich dieses Wahlbezirks liegt die Vinkenbergschule, was mit 731 „Ja“-Stimmen für einen Stopp der Umzugspläne zu Buche schlug - bei 128 mal „Nein“.

Es gab aber auch zwei Stimmbezirke, in denen für den Entscheid keine Mehrheit gezählt wurde. Und ausgerechnet im Wahllokal Grundschule Kirchende lagen die „Ja“-Stimmen vorn. Dabei standen die Wahlurnen nur unweit der Grundschule im Dorf. Sie ist von den Umzugsplänen ebenfalls berührt. Hier hatten Kollegium und Eltern aber massiv für ein „Nein“ zum Entscheid geworben.

DER KOMMENTAR

Die nächste Hürde steht bereit

Weit gesprungen, aber nicht weit genug: Der deutliche Vorsprung beim Bürgerentscheid ist für die Initiatoren des Protests ein großer Erfolg. Am Ende aber hat es nicht gereicht. Die Schule im Dorf bekommt verbesserte Bedingungen in der jetzigen Hauptschule. Die Vinkenbergschule zieht um nach Ende.

Der Streit über den richtigen Weg hat zu einer Zerreißprobe vor allem in der Elternschaft geführt. Das geht auf das Konto von CDU, Grünen und FDP. Sie wollten mit ihrem Hauruck-Beschluss vom letzten September den Eltern Sicherheit geben in der Zeit der Schulanmeldungen. Real war die Unsicherheit nie größer.

Jetzt sind die Hürden aus dem Weg geräumt, zumindest die für den Umzug der Grundschulen. Für die Einrichtung der Primus Schule könnte es sich noch rächen, dass der Konsens der Parteien keinerlei Entsprechung in der Bürgerschaft gefunden hat. Die nächsten Konflikte sind programmiert.

Der Streit über die Umzüge hat auf der einen Seite abgelenkt von der Beschäftigung mit der Primus Schule. Umgekehrt hat er den Blick aber auch geschärft. Die neue Schule muss Platz haben für alle Schüler, die auf sie wechseln wollen, und ihr Konzept muss verfangen. Sonst setzt die Politik aufs falsche Pferd.