Ende. Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke auf Erfolgskurs: Gute Finanzdaten ermöglichen Neubauten und Investitionen für mehr als 100 Millionen Euro.
Ein Gespräch mit einigen Wendungen. „Uns gibt es noch“, sagt Prof. Dr. Alfred Längler. „Und das ist gar nicht einmal defensiv gemeint.“ Seit zehn Jahren gehört der Mediziner als Ärztlicher Direktor mit Geschäftsführer Christian Klodwig zur Unternehmensleitung des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke (GKH). 2013 sah es finanziell nicht gerade rosig für die Klinik in Westende aus. „Seit neun Jahren schreiben wir Schwarze Zahlen und haben in der Zwischenzeit unser Eigenkapital verfünffacht“, sagt Klodwig mit einer Portion Stolz und Realismus. „Es ging für uns ja bei recht kleinen Zahlen los. Wir sind mittlerweile komplett entschuldet.“
Die Substanz sei – sowohl wirtschaftlich als auch inhaltlich – gut. Die Verantwortlichen (zur Unternehmensleitung gehören auch Pflegedirektorin Martina Degener und Dr. Anette Voigt als Ärztliche Direktorin sowie Chefin der Frauenheilkunde/Geburtshilfe) betonen direkt, dass sie die Erfolge als Teamarbeit betrachten. Doch in der schnelllebigen Welt lautet das Motto: Neues anstoßen statt verwalten. Somit lässt sich einerseits konstatieren, dass das GKH das größte Krankenhaus im Ennepe-Ruhr-Kreis sei und die Anzahl der Betten von 471 auf 528 stieg. Der Personalstand hat sich auf rund 1800 Angestellte erhöht. Das bedeute zuletzt einen Zuwachs „von fast 170 Mitarbeitenden in Vollzeitstellen.“
Neue „Geburtszimmer“
Andererseits brauche es weiterhin Modernisierungen. Von einem dreistelligen Millionenbetrag fließen rund 55 Mio. Euro in einen zu errichtenden Anbau, in dem die neue Intensivstation sowie neue Operationssäle als Kernelemente gelten. Seit dem 1. März laufe bereits die Erweiterung der Geburtshilfe. Bis 2024 wollen die Verantwortlichen für ca. sechs Mio. Euro (darunter Geld vom Land NRW) Kreißsäle plus Technik aufwerten und ein holländisches Konzept umsetzen. Dieses sieht vor, Schwangere und Gebärende möglichst wenig Stress auszusetzen. Daher entstehen sieben neue „Geburtszimmer“, um den Frauen möglichst einen Umzug in einen der Kreißsäle zu ersparen.
Weitere Ausgabenin Millionenhöhe
Nach den Investitionen in die Psychiatrie (zweistelliger Millionenbetrag) sowie in den Brandschutz als Dauerthema mit ebenfalls achtstelligen Summen sind 5,5 Millionen Euro für die Digitalisierung erforderlich, 3,9 Mio. kommen als Fördergeld von Bund und Land.
1,5 Millionen Euro brauche es jährlich für eine Aktualisierung der Medizin- und Gerätetechnik sowie das Doppelte zur Modernisierung der vorhandenen Infrastruktur.
Für neue Endoskopie-Geräte habe das GKH in Westende eine Million ausgegeben, zudem werden 1,5 Millionen Euro hier in bauliche Modernisierungen fließen.
Als einen der wesentlichsten Meilensteine der vergangenen zehn Jahre sieht die Unternehmensleitung die erfolgreich umgesetzte Tarifangleichung. Heute zahlt das GKH entsprechend dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes.
„Ohne diese Angleichung wären wir heute auf dem Personalmarkt nicht wettbewerbsfähig“, sagt Christian Klodwig und berichtet auch von kleineren Aufmerksamkeiten, wie zum Beispiel die Feier für Krankenhaus-Mitarbeitende nach dem „Fall der Masken“. Zum Ende der Mund- und Nasenbedeckung gab es Currywurst bei Sonnenschein.
„Leider bleibt keine Zeit zum Durchatmen, wir müssen uns über weitere Krankenhaus-Reformen Gedanken machen“, meint der Geschäftsführer. „Schlecht ist diesbezüglich, dass es gegenwärtig so gut wie keine Planungssicherheit gibt“, so Christian Klodwig.
Mitunter tauche die Frage auf, warum das Krankenhaus nicht in Zeiten günstiger Zinsen Bauvorhaben angestoßen habe. „Die finanzielle Substanz des Gemeinschaftskrankenhauses musste erst erarbeitet werden. So war das GKH bei Amtsantritt der heutigen Unternehmensleitung für Bauvorhaben in dreistelligem Millionenbereich nicht ausreichend kreditwürdig“, erläutert Klodwig.
Viele bauliche Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten seien bereits abgeschlossen, andere im vollen Gange. Für die am 1. März begonnene Modernisierung der Geburtshilfe konnten die Verantwortlichen in Ende teilweise auf Mittel aus einer 2021 vom Land zugesprochenen Einzelfördermaßnahme zurückgreifen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten sei das Herdecker Krankenhaus zur Finanzierung der laufenden Kosten deutlich liquider.
Die hohe Inflation und der noch offene Ausgang der laufenden Tarifverhandlungen bereiteten hier (wie auch andernorts) seit langer Zeit mal wieder größere Sorgen. Da müsse die Politik schnell und unbürokratisch handeln, um größeren Problemen in deutschen Kliniken entschlossen entgegen zu treten. Längler verweist zudem auf den Unterschied zu privaten Kliniken, die ihre Aktionäre bedienen müssen und zugleich von diesen frisches Geld bekommen. Auch kommunal getragene Krankenhäusern verfügten über bessere Möglichkeiten zur Refinanzierung. Hier könne von Chancengleichheit unter den Trägern „leider keine Rede sein“.
Die Unternehmensverantwortlichen in Ende sprechen jedoch viel lieber über Organisationsveränderungen und die Einbindung von Mitarbeitenden. An der regelmäßigen Krankenhauskonferenz besprechen rund 70 Teilnehmende (drei Mal so viel wie früher) aktuelle Themen. Diskussionen können dort schon mal länger dauern. „Aber die Umsetzung fällt dann leichter, weil es eine Akzeptanz gibt“, so Klodwig. Strukturen konnte die Leitung während der Corona-Zeit weiter gestalten. Diese habe das GKH gut überstanden, im Vergleich zu anderen Krankenhäusern gingen medizinische Behandlungszahlen hier in Westende nicht so stark zurück.
Unbesetzte Stellen
Ehe ein nahezu sorgenfreier Eindruck entsteht, weisen die zwei Herren auf Probleme bei Herdeckes größtem Arbeitgeber hin. Stichwort Personalknappheit. Die existieren (Längler: „Wir haben einige unbesetzte Stellen“) in allen Berufsgruppen, nicht zu unterschätzen seien beispielsweise fehlende Reinigungskräfte. Als Kompliment stuft das Duo aber ein, wenn sich etwa eine Fachärztin aus München für Herdecke entscheidet. Mehr als ein Randthema sei die Energie-Versorgung. Das hauseigene Blockheizkraftwerk stand auf dem Prüfstand. „Wir werden es vorerst weiter betreiben und setzen sowohl auf Gas wie auch auf Öl. Auf Dauer wollen wir unabhängig von fossilen Brennstoffen werden“, kündigt der Geschäftsführer an.
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Dem allgemeinen Veränderungsdruck im Gesundheitswesen und in der Krankenhauslandschaft zeigt sich die Unternehmensleitung gegenüber relativ offen: „Für uns steht außer Frage, dass es eine Reform im deutschen Krankenhauswesen – auch in NRW – braucht. Wir werden gehen derzeit davon aus, dass wir hier am GKH wohl keinen massiven Strukturwandel erleben werden und auch keine ganzen Abteilungen schließen müssen. Aber auch wir müssen Schwerpunkte definieren und unser Profil schärfen, was aufgrund unserer Größe aufwendig ist“, meint Christian Klodwig und erinnert daran, dass Strukturwandel Zeit braucht und qualifiziertes Personal nicht auf den Bäumen wachse. So ziehe sich der allseits gewollte Zuwachs an Pflege jahrelang hin und könne nicht einfach herbeigewünscht werden. Ausbildung kostet Zeit – zunächst gelte es, genügend junge Menschen für dieses sinnerfüllende Berufsbild zu interessieren.
„Wir sind aber insgesamt auf politisch gewollte Veränderungen gut vorbereitet. Dass wir systemrelevant sind, hat Corona gezeigt.“