Herdecke. Das Krankenhaus Herdecke kämpft gegen die Spätfolgen von Corona: Viele Patienten haben Vorsorgen versäumt. Die Folgen sind lebensgefährlich.

Die Pandemie ist vorbei, doch mit den Folgen wird das Gemeinschaftskrankenhaus ebenso noch lange zu kämpfen haben, wie die Patienten, denn: Viele Frauen haben Vorsorgeuntersuchungen verpasst oder ihre Therapien abgebrochen. Die Folge sind große Tumore, die Dr. Annette Voigt und ihr Team nun behandeln.

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Dr. Annette Voigt, Leitende Ärztin der Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, berichtet von einem Problem, das sich jetzt nach und nach offenbart. „Früher kamen die Frauen zu uns, wenn sie kleine tastbare Tumore hatten oder beim Screening auffällig waren. Heute haben wir Frauen hier, bei denen wir schon unter dem Pulli Tumore erkennen können. Zum Teil gibt es Frauen die schon bei der Erstdiagnose Metastasen haben“, berichtet sie.

Therapie abgebrochen

Experten im Kampf gegen den Krebs

Das Gemeinschaftskrankenhaus behandelt jedes Jahr rund 1500 Patienten. Etwa 150 Erstdiagnosen werden in Herdecke jedes Jahr gestellt.

Im GKH stehen den Patienten nach der Diagnose Experten zur Seite: Die Leitende Ärztin, Dr. Anette Voigt, ist eine der wenigen Ärztinnen in NRW mit der Zusatzbezeichnung „onkologische Gynäkologie“. Roman Bolotin besitzt das Zertifikat für minimal-invasive Operationstechniken, das heißt, er ist ein Experte in der Operation „durchs Schlüsselloch“. Diese Technik ist besonders schonend und kann auch zur Entfernung von Lymphknoten eingesetzt werden. Die Ärzte arbeiten dabei strikt nach den strengen Richtlinien und klar definierten Qualitätskriterien der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).

Der Grund ist ziemlich einfach: „Viele haben sich während Corona nicht in Krankenhäuser getraut, weil sie dachten, sie würden sich dort anstecken. Einige haben sogar ihre Strahlentherapie abgebrochen und waren dann nicht mehr erreichbar“, berichtet Voigt. In dieser Zeit konnten die Tumore unbehandelt wachsen. „Hinzukommt dann noch, dass sich viele Frauen jetzt nicht trauen, zu uns zu kommen, weil sie sich schämen und der Tumor inzwischen so gewachsen ist“, weiß Dr. Voigt. Doch genau das ist der falsche Weg. „Bei uns wird auf niemanden mit dem Finger gezeigt. Im Gegenteil: Wir können den Menschen doch nur helfen, wenn sie sich von uns behandeln lassen“, sagt. Dr. Voigt.

Heilungschancen gut

Und auch wenn die Tumore schon angewachsen sind, stehen die Chancen für eine Heilung immer noch sehr gut. „Die Therapieverfahren haben sich inzwischen so gut weiterentwickelt, gerade was den Brustkrebs angeht“, weiß die Ärztin. Dafür müssen sich die Menschen aber einen Ruck geben. „Es ist nichts verloren“, sagt die Medizinerin. Sie habe schon einige Frauen inzwischen behandelt, die nach fünf Minuten angefangen haben zu weinen. Viele hätten dann gesagt, wenn sie gewusst hätten, dass ihnen keine Vorwürfe gemacht würden, wären sie schon eher gekommen. „Scham ist eins der furchtbarsten Gefühle“, sagt Dr. Voigt.

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Angehörige dürfen mit

Neben der Angst vor Corona kam für viele Patienten jedoch in der Pandemie noch ein weiteres Hindernis beim Krankenhausbesuch hinzu. „Viele dachten, sie dürften ihre Angehörigen nicht mitbringen“, berichtet die Medizinerin. Gerade bei Diagnosegesprächen spielten Angst und Aufregung eine große Rolle. Ein vertrauter Mensch an der Seite und damit auch ein zweiter Zuhörer, der hilft die Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, sei dabei oft ganz wichtig. „Bei uns dürfen Angehörige immer mitgebracht werden und jeder, der krank ist, ist bei uns willkommen. Niemand muss Angst haben oder sich schämen“, versichert Dr. Voigt. Wichtig sei, dass in den Köpfen ankommt, dass die Pandemie vorbei sei und vulnerable Gruppen im Krankenhaus immer geschützt waren. Wer krank ist, sich unwohl fühlt oder auch eine Tumordiagnose bekommen hat, der soll sich aber unbedingt in Behandlung begeben.

Andere Symptome wahrnehmen

„Unbehandelte Krankheiten sind lebensgefährlich“, warnt Dr. Annette Voigt. Und das gelte nicht nur für Tumore, sondern auch für andere Krankheiten. „Es gibt auch Menschen, die Schlaganfallsymptome haben und nicht zu uns gekommen sind“, weiß Voigt. Ein tauber Arm? Ach, das geht allein wieder weg. So hätten viele Menschen in den vergangenen Monaten gedacht. Dr. Voigt und das Team vom Gemeinschaftskrankenhaus hoffen aber inständig, dass sich das schnell wieder ändert. Das Krankenhaus sei ein sicherer Ort.