Herdecke. Fünf Haushaltsreden gab es nun im Rat der Stadt Herdecke. Der finanziellen Haushaltsnot stehen sinnvolle Investitionen für die Zukunft gegenüber.

In ihren Haushaltsreden geben die Fraktionen im Rat stets einen Überblick, was ihnen an der Zukunftsgestaltung in Herdecke besonders wichtig ist. Wobei in diesen Bestandsaufnahmen aufgrund der nationalen oder weltweiten Krisen (Ukraine-Krieg, Corona, Hochwasserfolgen) immer mehr Themen auftauchen, die sich ungewollt auf lokale Entwicklungen auswirken.

In der jüngsten Sitzung traten ausschließlich Ratsherren ans Mikrofon. Die fünf Redner fanden gemäßigte Töne, einige von ihnen arbeiteten sich entweder an der schwarz-grünen NRW-Landesregierung oder an der Ampel im Bund ab, ehe alle dem überarbeiteten Etat-Entwurf für 2023 zustimmten. Einig waren sich diese Parteien-Vertreter in ihrer Abgrenzung gegen rechte Tendenzen.

Die wesentlichen Inhalte der einzelnen Fraktionen:

SPD

Klaus Klostermann (in Vertretung der verhinderten Fraktionsvorsitzenden Nadja Büteführ) begrüßte zunächst die Anwesenden aus den demokratischen Parteien und stellte seine Ausführungen mit Blick auf die Krisenentwicklungen unter das Motto „Schlimmer geht immer“. Die Herdecker Koalition wiederum scheine die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Als Opposition – in dieser Rolle sieht sich die Herdecker SPD – kritisiere sie bei CDU, Grüne sowie FDP aber „das Leugnen von Tatsachen und Bockigkeit“, als Beispiele nannte Klostermann die Haltung bei Schulthemen und in der Kinder-Betreuung.

Die Sozialdemokraten befürworten die Installation etlicher Photovoltaikanlagen, energetische Sanierungen, räumliche Schulkonzepte, Schaffung von Wohnraum, Integrationsprogramme für Geflüchtete, die Manager für die Innenstadt und den Radverkehr. Als Knackpunkt für Diskussionen im Fachausschuss nannte der Ratsherr die gleichmäßige prozentuale Erhöhung der Kita-Gebühren für 2023/24 über alle Beitragsklassen. Und grundsätzlich wünschte sich Klostermann bessere Zeiten: „Schlimmer geht hoffentlich nimmer.“

CDU

Patrick Wicker lenkte den Blick auf die weiter schwierige Haushaltslage, in dieser Hinsicht sehe er auch eine Zeitenwende für Herdecke. Die Koalition wolle mit ihren Anträgen etwa zur Musikschule Strukturen verändern und die Stadt stärken. Wegen fehlender Gewerbeflächen schlug der Fraktionsvorsitzende vor, im Gahlenfeld nach neuen Möglichkeiten zu suchen. Die neue Wohnsiedlung Am Berge soll nach den Schwierigkeiten („NRW Urban einzubinden war sicher kein Erfolgsprojekt“) nun zügig entstehen.

Kritisch blickte Wicker auf offene Fragen am Schulzentrum Bleichstein, er erhofft sich hinsichtlich der Raumnot Fortschritte im Jahr 2023. In Sachen Hochwasserschutz brauche es Investitionen, „wir müssen dafür mehr tun als bisher“. Richtig sei es auch, Geld für die Feuerwehr, den Klimaschutz und die Infrastruktur auszugeben. Die Gebührenerhöhungen 2023 für Abfall, Abwasser und ähnliches bezeichnete Wicker als ebenso „überfällig“ wie organisatorische Veränderungen bei den Technischen Betrieben. Auch bei diesen stehe eine Zeitenwende an.

Grüne

Einen gewissen Optimismus in der Bürgerschaft spürt Andreas Disselnkötter, diesen will er auf anstehende Aufgaben übertragen. Dem Fraktionssprecher und den Herdecker Grünen liegen besonders die Unterstützung der Kinder am Herzen, entsprechend wichtig seien Betreuungsfragen oder auch eine kommunale Gesundheitskonferenz zu physischen und psychischen Folgen. Zudem wollen die Grünen im Sinne von Senioren erreichen, dass bei der Bebauung Am Berge Alten-Wohngemeinschaften entstehen können. Da wohl keine neuen Flächen zur Verfügung stehen, spiele künftig der Umbau im Bestand eine größere Rolle. Schritt für Schritt müsse sich Herdecke dem Ziel Klimaneutralität nähern, die Begrünung von Dächern und Fassaden helfe dabei.

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Nicht zu vernachlässigen seien die Themenfelder Kultur und Sport, Vereine brauchen Wertschätzung und gute Anlagen. Während sich der Dichter Durs Grünbein „ein Gerät zum Einfangen der Zukunft“ wünscht, setzt Disselnkötter auf konkrete Verbesserungen für die Stadt an den Ruhrseen.

FDP

Das Lied „Zukunft Pink“ von Peter Fox inspirierte Enric Tange zu seiner Haushaltsrede. Eine positive Sichtweise falle aufgrund der Krisen zwar schwer, doch mit einer mutigen und kreativen Grundhaltung lasse sich auch in Herdecke gemeinsam etwas bewegen. Investitionen in die Infrastruktur (Straßenbau, Schulen, Frei- und Hallenbad am Bleichstein) verursachen zwar hohe Kosten, doch die „super Koalition“ schütte das Geld nicht mit der Gießkanne aus, sondern überprüfe die Ausgaben. Tange hofft, dass die Zukunft bald wieder rosiger erscheine. Schwarz sieht der FDP-Ratsherr nur bei einem Thema: Steuererhöhungen.

Linke

Als kleine Fraktion könne seine Partei nur wenig gestalten, meinte Dieter Kempka. Den ausbleibenden Steuererhöhungen stehe ein Anstieg der Gebühren für Abwasser oder die Reinigung von Straßen gegenüber, wobei Letztgenannte an manchen Stellen zunehmend verkommen. Herdecke sei keine reiche Stadt (als Beispiel nannte er den Zulauf beim Brotkorb und überteuerte Mieten) mehr, es bedarf neuer Angebote für obere Altersklassen als nur den Donnerstags-Markt. Kempka forderte eine Umstellung der Finanzordnung: „Die Linke ist der Meinung, dass es 2023 weitaus mehr zu tun gibt als die Armut zu verwalten und Kriege zu finanzieren.“

AfD schickt Haushaltsrede per Mail an Redaktion

Der AfD-Fraktionsvorsitzende hielt keine Rede zum Haushalt, sendete der Redaktion aber einen Text zu. Darin kritisiert Oliver Haarmann u.a., dass sich die Stadt einen Klimaanpassungs-, City- und Radverkehrs-Manager leiste. Mit Blick auf die „Altparteien“, die etwa das hügelige Herdecke zu einer „Fahrradstadt“ machen wollen, heißt es: „Die Herdecker Bürger bekommen die Folgen dieser Verfehlungen zu spüren. Die Kassen sind leer, die Stadt muss ihre freiwilligen Leistungen zusammenstreichen bzw. Gebühren erhöhen. Die Tage von Stadtbücherei, Musikschule und Freibad scheinen gezählt. Stattdessen gibt es vermutlich bald Trinkbrunnen gegen die ‘Klimakatastrophe’ in einer verödeten und durch Leerstände gezeichneten Fußgängerzone.“