Herdecke. Keine Steuererhöhung, aber höhere Gebühren für Abfall, Abwasser und Straßenreinigung: Bürgerinnen und Bürger müssen in Herdecke 2023 mehr zahlen.
Preissteigerungen können in diesen Tagen eigentlich niemanden mehr schocken. Zum Jahresende stehen zudem in den Kommunen die Haushaltsberatungen auf der Agenda. Auch in Herdeckes Stadtverwaltung rechnen Kämmerer Dennis Osberg und Co. mit spitzem Bleistift, um einen genehmigungsfähigen Etat aufzustellen.
Dabei zeichnet sich ab, dass Herdecke im nächsten Jahr ohne Steuererhöhungen auskommt. Die entsprechenden Hebesätze für die Grundsteuer A (land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz) und B für Grundstücke bleiben laut Vorlage für den Rat unverändert. Erfreulich habe sich 2022 die Gewerbesteuer entwickelt, nach aktuellen Zahlen nimmt die Stadt darüber 1,9 Millionen Euro mehr ein als angenommen und will daher am bestehenden Hebesatz festhalten.
Finaler Beschluss im Rat
Anders stelle sich die Lage bei den Gebühren dar. Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf einstellen, im nächsten Jahr etwas mehr für Abwasser, die Abfallbeseitigung, Straßenreinigung und Entsorgung von Grundstücksentwässerungsanlagen bezahlen zu müssen. Mit diesen Erhöhungen beschäftigten sich die Lokalpolitiker bereits in der vergangenen Woche im Finanz- und Hauptausschuss. Und nach dem einstimmigen Votum dort dürfte ein finaler Beschluss für alle vier Vorlagen in der öffentlichen Ratssitzung jetzt am Donnerstag, 8. Dezember (17 Uhr, Ratssaal), Formsache sein.
Allerdings steht das Vorhaben noch unter einem Vorbehalt: Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes muss erst noch der nordrhein-westfälische Landtag in diesen Tagen für Rechtssicherheit sorgen, damit die Städte ab dem 1. Januar 2023 verlässlich planen können.
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Die städtische Verwaltung begründet die Gebühren-Anhebung vielfach mit den Folgen der Inflation. „Die Preissteigerungen sorgen für hohe Wiederbeschaffungszeitwerte, die wiederum die Abschreibungsbeträge deutlich beeinflussen“, heißt es. Konkret bedeutet das:
Abwasser
Diese Gebühren habe die Stadt Herdecke zuletzt mit Wirkung zum 1. Januar 2015 angepasst und in den zurückliegenden Jahren eine gebührenrechtliche Unterdeckung erzielt. Dies hat eine Erhöhung der Schmutz- und Niederschlagswassergebühren zur Folge. Für einen Vier-Personenhaushalt mit einem Wasserverbrauch von durchschnittlich 150 Kubikmetern erhöhen sich die Beiträge um 16,50 Euro im Jahr. In Sachen Niederschlagswasser lasse sich ein durchschnittlicher Wert nur schwer ermitteln, da es eine zu große Bandbreite bei den Berechnungsfaktoren gebe. Das betreffe Fragen zur Fläche von Häusern, Anzahl der Familienmitglieder oder Wohnungsnutzer in Gebäuden. Im NRW-Vergleich lagen Herdeckes Abwassergebühren in 2022 mit 599,10 Euro für einen Vier-Personen-Musterhaushalt im unteren Viertel, das ermittelte der WDR.
Abfallbeseitigung
Seit Januar 2017 gab es keine Veränderung bei diesen Gebühren. Im besagten Jahr und 2018 habe die Stadt über diesen Posten einen Gewinn von 143.000 Euro erzielt, 2019 gab es ein Minus, aktuellere Jahresabschlüsse der Technischen Betriebe Herdecke (TBH) liegen noch nicht vor. Im Geschäftsjahr 2020 und darüber hinaus geht die Verwaltung von „deutlichen Unterdeckungen“ aus. Sie führe das im Wesentlichen darauf zurück, dass durch die Corona-Pandemie in allen Bereichen der Abfallerfassung (also sowohl haushaltsnah als auch an der Annahmestelle und bei der Stadtreinigung) „erheblich mehr Mengen angefallen sind als sonst üblich und kalkuliert. Das bringt zwar zum Teil auch höhere Gebühreneinnahmen mit sich; die mit dem Mengenanstieg verbundenen Mehrkosten für die Entsorgung können damit aber nicht kompensiert werden.“ Da die erwirtschafteten Überschüsse somit aufgebraucht seien, sollte sich die überwiegende Zahl der Haushalte 2023 auf eine Erhöhung von 8,40 Euro einstellen (Kombination von 60 Liter Rest- und Biotonne bei 12 bzw. 24 Freileerungen im Jahr).
Straßenreinigung
Seit Januar 2019 gelten unveränderte Gebühren bei der Straßenreinigung. Schon in der Vorjahren bilanzierte die Verwaltung jeweils ein Minus von einigen tausend Euro, damit rechnet sie auch zu Beginn dieses Jahrzehnts. Dies hänge auch mit Kalkulationen für die Winter zusammen. Kostensteigerungen, insbesondere beim Personal, sorgen den Angaben zufolge dafür, dass die Beiträge in 2023 steigen. Konkret: Bei einer 14-tägigen Reinigung erhöht sich der Jahresbetrag von 1,65 auf 2,05 Euro pro Frontmeter. Bei einer beispielhaften Länge eines Grundstücks mit Einfamilienhaus zur Straße von 15 Metern müssen Gebührenpflichtige sechs Euro mehr entrichten. Bei Parteien aus Mehrfamilienhäusern liegt der Anteil deutlich geringer, da zumeist über Anzahl Wohnungen, Wohnungsflächen oder Bewohner/innen aufgeteilt wird.
Grundstückentwässerungsanlage
Für die Entsorgung von Kleinkläranlagen und abflusslosen Gruben habe die Stadt einen neuen Vertrag abgeschlossen. Die Kosten zur Beseitigung von Klärschlamm steigen damit von bisher 20,83 auf 29,75 Euro pro Kubikmeter inklusive Mehrwertsteuer. Einberechnet seien dabei verschiedene Posten.
Reaktionen
Für Grünen-Fraktionssprecher Andreas Disselnkötter seien die Gebührenerhöhungen der Stadt verständlich, da das „über längere Zeit“ nicht geschehen sei. Unbefriedigend, so hat es auch Nadja Büteführ als Vorsitzende der SPD-Ratsleute im Finanz- und Hauptausschuss formuliert, seien aber die verspäteten Jahresabschlüsse der Technischen Betriebe Herdecke (TBH). Aktuell liegt das Ergebnis aus 2019 vor.
Diese Kritik könne der Kämmerer und Beigeordnete Dennis Osberg nachvollziehen, wie er sagte. Übergangsweise kümmere er sich wegen eines Krankheitsfalls seit einigen Wochen mit dem technischen TBH-Leiter Andreas Schliepkorte und Rechtsdezernent Lars Heismann um die Betriebsführung. Laut Osberg gebe es Ansätze für konzeptionelle Verbesserungen bei den Betrieben. Das brauche aber noch Zeit. „Auch wir haben das Ziel, TBH-Abschlüsse schneller vorzulegen“, so der Kämmerer. Konkrete Prognosen könne er aber nicht geben.
Zur dünnen Personaldecke bei den TBH meinte Osberg, dass Neueinstellungen den Haushalt belasten. Zu berücksichtigen sei, dass die Überschüsse seitens der TBH den städtischen Etat entlasten. Höhere Kosten müssten, sofern weiter Gewinne erzielt werden sollen, beispielsweise über zusätzliche Gebührenerhöhungen gegenfinanziert werden.