Wetter. . Für ihn ist es eine “interessante Aufgabe“: Richter Till Deipenwisch übernimmt in der Jugendarrestanstalt Wetter die Leitung von Heinz-Dieter Beckmann.

Ein Generationswechsel steht im Amtsgericht Wetter an. Während die Stelle des scheidenden Direktors Karl-Ulrich Steuber seit Januar ausgeschrieben ist und Richter Till Deipenwisch diese kommissarisch ausfüllt, musste wegen der Pensionierung von Heinz-Dieter Beckmann auch ein neuer Leiter für die angeschlossene Jugendarrestanstalt her. Seit März ist dies offiziell: Till Deipenwisch.

Interessante Aufgabe für Richter Deipenwisch

„Das ist eine interessante Aufgabe. Richter kommen sonst ja eher nicht mit dem Vollzug in Berührung“, sagt der 42-jährige Deipenwisch, der aus Hagen stammt und am dortigen Landgericht noch zu 70 Prozent beschäftigt ist. Nach seiner Probezeit vor etwas mehr als zehn Jahren in Wetter kehrte er Anfang 2016 zurück an das hiesige Amtsgericht. „In der Arrestanstalt lassen sich hoffentlich für die Mädchen und junge Frauen die richtigen Weichen für deren zukünftiges Leben stellen, auch wenn wir sie hier nur kurz begleiten.“

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Beckmann kann dies bestätigen. Der 65-Jährige blickt auf „eine spannende Zeit“ in der Anstalt zurück und denkt besonders gerne an die Entwicklung des Jugendarrestvollzugsgesetzes, an dem er mit anderen mitwirkte und auch als Experte im NRW-Landtag angehört wurde. „Da ist insgesamt viel Gutes bei ‘rausgekommen.“ Etwa jährlich fast eine Million Euro zusätzlich für die sechs NRW-Einrichtungen.

Beckmann, der als zweiter Vorsitzender des Fördervereins weiter in Kontakt mit der Arrestanstalt bleibt, kann nach 30 Jahren natürlich viele Geschichten über einsitzende Mädchen und junge Frauen erzählen. Anders als heute waren dies nicht nur Kleinkriminelle.

Gespräche mit Mörderinnen und Räuberinnen

Früher sprach er hier auch mal mit Mörderinnen und Räuberinnen, ehe Straffällige dieser Kategorie wegen Sicherheitsaspekten nicht mehr nach Wetter kamen. Ein bewaffneter Überfall auf die Spielbank Hohensyburg oder der Dialog mit zwei Geschwistern, die ihren gewalttätigen Vater erstochen hatten: „So etwas berührt einen natürlich. Manchmal war ich auch erstaunt, wie abgezockt 14- oder 15-Jährige sein können.“ Rekordverdächtig war das achtmalige Wiedersehen mit einem Mädchen, das ihn dann mit „Hallo Herr Beckmann, da bin ich wieder“ begrüßte.

Insgesamt habe er in diesem „Warn-Arrest für viele arme Seelen“, wie Beckmann die Anstalt nennt, ein breites Spektrum an Delikten vorgefunden. Und Einblick in viele kaputte Familien erhalten, in denen die Mädchen fast keine Chance auf eine unbelastete Jugend hatten.. „Umso wichtiger war und ist es, dass sie hier Grenzen gesetzt bekommen und einen Alltag mit regelmäßigen Mahlzeiten und Tätigkeiten vorfinden.“ Diesen gestalten die Kolleginnen aus dem allgemeinen Vollzugsdienst und Sozialarbeiter, während die Leitung nach Hinweisen vor dem Entlassungs-Dialog schon mal Einzelgespräche führt oder konkret von Arrestantinnen angefragt wird.

Fortschritt in der Sozialarbeit

Über die Jahre habe vor allem die Sozialarbeit einen Quantensprung gemacht. Gibt es heute ein breites Angebot an Sport, Kunst, Bewerbungstraining und vieles mehr, gestalteten die Arrestantinnen früher beispielsweise zur Beschäftigung Fensterbilder. Die Produktion von Wäscheklammern wurde eingestellt, da ein Mädchen absichtlich eine abmontierte Spange verschluckte.

Apropos: Der Hang zur Selbstverletzung und das Aufritzen der Pulsadern seien oft Thema gewesen, „deshalb sind hier auch keine Rasierer erlaubt. Es gab aber nie einen ernsthaften Suizidversuch.“ Daher übergibt Beckmann nach eigenem Dafürhalten eine organisatorisch gut laufende Einrichtung.