Hagen-Mitte. . Nur noch 840 Protestanten lebten 2012 im Bahnhofsviertel (2009: 967), das zur Stadtkirchengemeinde gehört. Da sich der Richtwert für eine Pfarrstelle im evangelischen Kirchenkreis auf 2700 Gläubige beläuft, ist eine Wiedereröffnung der Lutherkirche ausgeschlossen.

Das Christentum verliert im Bahnhofsviertel gegenüber dem Islam immer weiter an Boden. Nachdem die Lutherkirche schon vor drei Jahren wegen Baufälligkeit gesperrt werden musste, ist nun auch das Café der Diakonie in der Martin-Luther-Straße geschlossen worden.

Vor allem aber befindet sich die Zahl der Christen in einem dramatischen Sinkflug: Nur noch 840 Protestanten lebten 2012 im Bahnhofsviertel (2009: 967), das zur Stadtkirchengemeinde gehört. Da sich der Richtwert für eine Pfarrstelle im evangelischen Kirchenkreis auf 2700 Gläubige beläuft, ist eine Wiedereröffnung der Lutherkirche ausgeschlossen. Das Gotteshaus, das unter Denkmalschutz steht und sich direkt neben einer Moschee mit Minarett befindet, soll verkauft werden.

"Wir brauchen den Platz für Büros"

Früher gab es neben der Kirche ein großes Gemeindehaus, eine Sozialstation und viele weitere Angebote für die Menschen im Viertel. Der einstige Diakonie-Chef Thomas Haensel, der die Diakonie als einen Träger der Wohlfahrtspflege verstand, wollte die Lutherkirche revitalisieren, soziale und seelsorgerliche Aspekte verzahnen, unterschwellige Hilfsangebote in einem schwierigen Stadtteil setzen und einen Gegenpol zur Entchristlichung des Stadtteils bilden. Er scheiterte u. a. am fehlenden finanziellen Spielraum.

Seine Nachfolger sehen ihre Aufgabe pragmatischer und schlossen jetzt sogar das beliebte Café, das erst vor fünf Jahren mit großem Aufwand eingerichtet worden war. „Wir brauchen den Platz für Büros“, begründet Diakonie-Geschäftsführer Volker Holländer den Schritt: „Wir platzen sonst aus allen Nähten.“ Schließlich sollen in naher Zukunft weitere Mitarbeiter aus Iserlohn und Schwerte ins Wichernhaus an der Martin-Luther-Straße 9-11 wechseln.

Verwaltung statt Begegnung

Holländer verweist darauf, dass die Immobilie weiterhin einer Seniorenbegegnungsstätte und einigen Selbsthilfegruppen zur Verfügung stehen werde, von einem Rückzug aus der Öffentlichkeit kann seiner Meinung nach keine Rede sein: „Es kommen täglich Menschen zu uns ins Haus und suchen nach Hilfe. Das zeigt doch, dass wir hier wahrgenommen werden.“

Zahl der Katholiken leicht gestiegen

Die evangelische Stadtkirchengemeinde verzeichnet einen dramatischen Mitgliederschwund. 2008 zählte die Gemeinde 9482 Gläubige, Ende 2013 waren es nur noch 8497 (minus 10,4 Prozent).

Die meisten Gemeindemitglieder leben am Ischeland (Markuskirche) und rund um die Johanniskirche. Im Bahnhofsviertel waren es 2012 gerade mal 840.

Die Pfarrei St.-Marien, die katholische Gemeinde in der City, ist dagegen gewachsen: von 3731 Mitgliedern im Jahr 2011 auf 3765 im Jahr 2013. Das entspricht 0,9 Prozent.

Doch die Vision einer engen Zusammenarbeit von Stadtkirche und Diakonie im Bahnhofsviertel muss zwangsläufig ins Hintertreffen geraten, wenn aus einem Haus der Begegnung ein Verwaltungsgebäude wird. „Das war alles mal anders gedacht“, bedauert Juliane im Schlaa, Pfarrerin der Stadtkirchengemeinde, die Entwicklung, die sich lange abgezeichnet habe: „Ohne Mitglieder können wir nicht gegensteuern. Deshalb konzentrieren wir unsere Arbeit in der Innenstadt auf die Johanniskirche.“

Von dem einst lebendigen kirchlichen Leben in und rund um die Lutherkirche ist nicht mehr viel geblieben.