Hagen. In seiner mehr als achtjährigen Amtszeit hat Kämmerer Christoph Gerbersmann noch nie zu diesem Mittel greifen müssen. Das zeigt, wie drastisch die Haushaltssperre ist, die wegen der in Hagen wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen droht.

In seiner mehr als achtjährigen Amtszeit hat Kämmerer Christoph Gerbersmann noch nie zu diesem Mittel greifen müssen. Und am Freitag konnte im Rathaus auch gar nicht mehr exakt recherchiert werden, ob und wann zuletzt eine Haushaltssperre erlassen werden musste.

Das zeigt, wie drastisch das Mittel ist, das nun wie ein Damoklesschwert über jeglichem Handeln der Stadt Hagen schwebt: Weil die Gewerbesteuereinnahmen einbrechen und am Ende des Jahres wohl mindestens 20 Millionen Euro weniger in der Stadtkasse gelandet sein werden als eingeplant, läuft nun eine nur wenige Tage währende Frist bis zum 25. August.

Bürger wird Auswirkungen spüren

Wenn die Fachbereichs- und Abteilungsleiter der Stadtverwaltung bis dahin nicht genug Sparvorschläge eingebracht haben, um das Gewerbesteuer-Minus auszugleichen, wird der Kämmerer eine Haushaltssperre erlassen. „Von den Auswirkungen wird der Bürger auf jeden Fall etwas mitbekommen“, so Christoph Gerbersmann. Denn alle Ausgaben, die nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben sind, sind dann in der Regel nicht mehr möglich.

Geplante Bau- oder Sanierungsmaßnahmen, für die es noch keine vertraglichen Verpflichtungen gibt, müssen dann verschoben werden. Veranstaltungen drohen auszufallen. Der Kämmerer schätzt die Chance „fifty-fifty“ ein, dass man ohne die Haushaltssperre auskommt. Aber auch ohne sie muss noch einmal kräftig gespart werden.

Fluchtbewegung durch hohe Steuer? 

Wie kommt es zu der Negativ- Entwicklung bei den Gewerbesteuereinnahmen? Bis Ostern ist die Entwicklung noch zufriedenstellend gewesen, dann sind die Einnahmen aber immer schleppender gekommen. Die Gründe sind vielfältig. Zum einen liegt es wohl an der wirtschaftlichen Eintrübung. Eine Reihe von Betrieben hat ihre Gewinnerwartung reduzieren müssen und damit auch ihre Gewerbesteuervorauszahlungen. In einigen Fällen kam es zu Totalausfällen.

Am Jahresende höchstens 70 Millionen Euro

Blickt man auf die Gesamteinnahmen der Stadt, macht die Gewerbesteuer 15 bis 17 Prozent aus. Sie ist also ein sehr entscheidender Einzelposten.

Für das Jahr 2014 hatte Hagen mit 89,6 Millionen Euro an Gewerbesteuer gerechnet. Das, so der Kämmerer, sei noch zurückhaltend gewesen. Bislang sind aber nur 57,8 Millionen Euro eingenommen worden. Bis Jahresende rechnet die Stadt mit höchstens 70 Millionen Euro.

In mindestens zwei anderen Fällen seien allerdings auch „legale Steuervermeidungsstrategien“ zu beobachten. Das heißt: Hagener Firmen haben den Hauptsitz des Unternehmens verlagert oder die Standorte so ausgerichtet, dass die Gewerbesteuer ganz oder zum größten Teil woanders gezahlt wird. Die Verluste liegen laut Kämmerer „im deutlichen Millionenbereich“.

Sind das Fluchtbewegungen nach der Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes in Hagen? Kommt unterm Strich sogar ein Minus heraus, weil die Totalausfälle höher sind als die Mehreinnahmen durch die Erhöhung? „Das wären Mutmaßungen“, so OB Erik O. Schulz. „Das unterliegt mehr der politischen Bewertung.“

Steuereinbruch sei keine spezielle Hagener Wirtschaftskrise

Den Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen werten Oberbürgermeister und Kämmerer auch nicht als spezielle Hagener Wirtschaftskrise. Von der SIHK käme das generelle Rückspiel, dass es den Unternehmen in der Region gut gehe. Aber es gebe halt Sonderfälle. Zudem: Andere Städte wie Bochum und Solingen hätten bereits vorher zum In­strument der Haushaltssperre greifen müssen.

„Hagen ist aber auch so etwas wie ein Frühwarnsystem in Sachen Gewerbesteuer“, so der Kämmerer. „Nach uns trifft es dann meist auch andere Städte. Das gilt aber auch im Positiven, wenn die Einnahmen wieder anziehen.“

Was angesichts der neuen Hiobsbotschaft in den Hintergrund tritt: Abseits der Gewerbesteuer zeigt sich Hagen als Musterknabe beim Konsolidieren. Beschlossene Sparmaßnahmen haben gegriffen, unerwartete Mehrausgaben wie die Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst konnten kompensiert werden. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, so OB Schulz.