Hagen. . Der von der Landesregierung eingefädelte, massive Abbau von Krankenhausbetten gefährdet die Gesundheit der Hagener Bevölkerung. Diese dramatische Feststellung der Hagener Gesundheitskonferenz soll das Düsseldorfer Gesundheitsministerium zu einem Umdenken bewegen.
Hintergrund dieses Appells ist die aktuelle NRW-Krankenhausplanung. Diese sieht angesichts der deutlich gesunkenen Verweildauern in den Kliniken sowie durchschnittlichen Auslastungswerten um die 70 Prozent den Abbau von landesweit etwa 14 000 Betten vor. Allein im Regierungsbezirk Arnsberg sollen 2103 Patientenbetten gestrichen werden, 232 davon in Hagen. Das sind immerhin 13 Prozent des aktuellen Bestandes von derzeit 1792 Hagener Betten.
Gesundheitskonferenz schlägt Alarm
Ein Volumen, das in den Augen aller Experten kaum zu verkraften sei: „Aufgrund der Erfahrungen in den vergangenen Jahren, besonders in den Herbst- und Wintermonaten, hält die Gesundheitskonferenz einen Abbau von Betten, besonders im internistischen Bereich und der Intensivbetten, in den Hagener Krankenhäusern in der vorgesehenen Größenordnung nicht für verantwortbar.“
Zwar gäbe es beim Blick auf die Durchschnittswerte der Bettenbelegungen über das Jahr betrachtet keine Engpässe. Allerdings gelte es die besorgniserregenden saisonalen Extreme zu beachten: „Bei der Intensivmedizin sollte man sich nicht am Durchschnitts-, sondern am Spitzenbedarf orientieren“, appelliert Norbert Schoop, Geschäftsführer der Katholischen Krankenhaus Gesellschaft, die Zahlen differenzierter zu betrachten.
Bettenabbau unverantwortlich für das Gesundheitswesen
Dr. Katrin Hoffmann, Ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes der Stadt Hagen, stellt sich den Fragen unserer Redaktion.
Frage: Kommt Ihnen die geschilderte Szenerie bekannt vor?
Dr. Katrin Hoffmann: Sicherlich – besonders von Oktober bis März wird für uns die Situation oft dramatisch. Dann bekommen wir im Rettungsdienst die Patienten nicht mehr unter, weil die Krankenhäuser überlaufen. Gerade in der Inneren Medizin gibt es die meisten Akutpatienten. Wenn jetzt erneut mehr als 90 Betten gestrichen werden sollen, weiß ich nicht, wohin das noch führen soll. Ich betrachte Gesundheit immer noch als ein Element der Daseinsvorsorge.
Wie würden Sie die Situation an den Krankenhäusern beschreiben?
Sind die Stationen erst einmal voll, laufen auch die Notaufnahmen und die Intensivstationen mit den Beatmungsplätzen über, weil die dort eingelieferten Patienten nicht mehr abfließen können. Und dann kommen wir obendrein mit dem Rettungswagen vorgefahren und brauchen für einen akut erkrankten Patienten sofort einen Behandlungsplatz. Auf den Stationen werden dann Patienten auf die Flure verlegt oder in bereits voll belegte Zimmer mit eingeschoben. Oder die Kranken werden auf fachfremde Stationen, die noch Kapazitäten haben, verlegt. Das erhöht durch deutlich längere Wege dann wieder die Belastung für Ärzte und Pflegekräfte. Immer wieder sind Krankenhäuser zu 120 bis 130 Prozent ausgelastet. Ein Zeichen, dass die Krankenhäuser in solchen Zeiten auch bereit sind, deutlich über die vorgegebenen Leistungsgrenzen hinaus Patienten aufzunehmen. Aber mit dem Rettungswagen 10 bis 15 Minuten nach einem Bett für einen Patienten zu suchen, ist keine Seltenheiten und schon gar kein Vergnügen. Besonders eng ist die Situation bei den Intensivbetten und der Zahl der Beatmungsplätze. Ich habe auch schon mal mit einem reanimierten Patienten im Neuschnee gestanden und ihn letztlich einfach in einer Notaufnahme abgeliefert. Das sorgt dann auch schon einmal für Stress mit den Mediziner-Kollegen oder zwischen Rettungsassistenten und Schwestern.
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Besteht denn nicht die Chance, notfalls einmal in eine Nachbarkommune auszuweichen?
Als wir im Winter 2012/13 die extreme Grippewelle hatten, zeigte ein Abgleich zwischen den Ärztlichen Leitern der Rettungsdienste in NRW, dass es sich um ein flächendeckendes Problem handelte. Ein Ausweichen wäre also völlig sinnlos. Zudem möchte ich daran erinnern: Bei uns wurde bereits das Heilig-Geist-Hospital geschlossen, hinzu kommen noch Krankenhäuser in Gevelsberg und Wetter. Das heißt, dass der EN-Kreis seitdem öfter auch das Hasper Haus am Mops ansteuert. Unsere nächsten Anlaufstellen wären also in Iserlohn und Schwerte, jeweils 20 Kilometer entfernt. Würden wir diese Häuser anfahren, fiele der Rettungswagen für eine Dreiviertelstunde aus.
Welche Erwartungen haben Sie also an die anstehenden Verhandlungen über die Bettenkapazitäten?
Unsere Gesellschaft muss endlich definieren, was ihr das Gesundheitswesen wert ist. Wir brauchen refinanzierte Puffermöglichkeiten – also Stationsreserven, Personal und Bedarfsequipment –, um auch in Spitzenzeiten gewappnet zu sein. Aber das sind letztlich politische Entscheidungen. Ich kann aus der Sicht der Medizinerin nur heute schon mit Bestimmtheit sagen, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und die Zahl der Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen kontinuierlich zunimmt. Das sollten die Verantwortlichen sich vor Augen halten, bevor sie weitere Betten abbauen.
Eine Haltung, die AKH-Geschäftsführer Reinhard Tennert teilt: „Es ist zu banal, das arithmetische Mittel zu bilden.“ Die Politik habe die Gefahren längst erkannt, allerdings bestehe die Ministerialbürokratie auf ihrem Regelwerk. „Ich werde im Rahmen der Verhandlungen kein Angebot machen, internistische Betten abzubauen“, sichert Tennert für sein Haus zu.
Einschnitte zum Beispiel in chirurgischer Abteilung
Genau in diesem Bereich sind nach den Vorstellungen des Ministeriums jedoch die drastischsten Einschnitte angedacht. Die Orientierungszahlen sehen den Abbau von 79 chirurgischen Betten, 38 in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie 93 Betten bei der Inneren Medizin vor. Hinzu kommen kleinere Reduzierungen bei den übrigen Disziplinen. Anstiege sind lediglich in der Neurologie (+13), in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychosomatik (+8), der stationären Psychiatrie und Psychosomatik (+22) sowie in der Geriatrie (+2) geplant.