Hagen. Der Hagener Energieversorger Enervie leidet unter veränderten Rahmebedingungen. Das wurde auf der Bilanzpressekonferenz deutlich. Seit der Energiewende sitzt das Unternehmen zwischen allen Stühlen. Neuorientierung bis 2016.

Der regional tätige Hagener Energieversorger Enervie will mit neuen Angeboten an Unternehmen, ihr Energiemanagement zu verbessern, massive Verluste im Erzeugungsbereich auffangen. Vorstandssprecher Ivo Grünhagen sprach bei der Bilanzpressekonferenz für 2013 im neuen Verwaltungsgebäude an der Autobahnabfahrt Hagen-Süd von einem „schwierigen Geschäftsjahr“ mit einem „absolut unbefriedigenden Ergebnis“

Geschuldet der laut Grünhagen „fatalen Situation“, dass sich konventionelle Kraftwerke seit der Energiewende nicht mehr rechnen. Dies sei umso bedauerlicher, als es in anderen Geschäftsfeldern wie Vertrieb und Netze „gute Ergebnisse“ gegeben habe.

Mit dem unbefriedigenden Ergebnis meinte der Vorstandssprecher weniger das leichte Umsatzminus von 1,19 auf 1,12 Milliarden Euro im Vergleich zu 2012, sondern den Jahresüberschuss, der von plus 28 Mio. Euro auf einen Verlust von 6,9 Mio. Euro für 2013 abstürzte. Der Bilanzgewinn fiel von 27 Mio. Euro auf 3,6 Mio Euro, die Dividende an überwiegend kommunale Aktionäre wird bis auf weiteres ausgesetzt.

Zwischen den Stühlen

Das Dilemma des Versorgers besteht gleich in mehrfacher Hinsicht - Enervie sitzt ohne eigenes Verschulden zwischen allen Stühlen: Vorrangig eingespeister regenerativer Strom verdrängt konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke, wie Enervie sie vorhält.

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Dadurch verzeichnet der Versorger jährliche Defizite von rund 50 Millionen Euro in der Stromerzeugung, kann seinen Kraftwerkspark aber auch nicht, wie beantragt, abschalten, da Teile zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung in der Region gebraucht werden.

Die Bundesnetzagentur neigt der Ansicht zu, der Verteilnetzbetreiber Enervie solle die Kosten tragen und nicht der Übertragungsnetzbetreiber Amprion. Das würde aber die Netzentgelte aller Stromkunden in der Region in die Höhe treiben und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen beeinträchtigen.

Für einen Vier-Personen-Haushalt könnte das 50 Euro im Jahr bedeuten, für einen Industriebetrieb mit hohem Strombedarf aber nach einer Überschlagsrechnung einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. „Amprion ist in der Pflicht“, so der Vorstandssprecher. Sicher sei vor künftigen Gesprächen mit der Bundesnetzagentur und Amprion nur die Unsicherheit.

Besserung ist nicht in Sicht, obwohl das Thema im Bundes- wie im Landeswirtschaftsministerium bekannt ist. Enervie habe viel dafür getan, um auf die „fatale Situation“ hinzuweisen. „Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen werden wir die Erzeugung definitiv schließen“, betonte Grünhagen.

Insgesamt steht in dem Unternehmen daher eine strategische Neuausrichtung bis 2016 an, bei unveränderten Spar-Anstrengungen - 10 Millionen Euro Ergebniseffekt soll die Streichung der freiwilligen Leistungen an die Mitarbeiter gebracht haben, fünf Millionen sollen durch die Zentralisierung aller Abläufe in der neuen Zentrale folgen. Die Tochter Lekker Energie ist bereits nach Krefeld verkauft, ein Kraftwerksblock in Werdohl-Elverlingsen stillgelegt.

Windkraft neu bewertet

Den Plänen zufolge wird auch die Rolle der Windkraft neu bewertet, Investitionen in überregionale Windparks sollen künftig unterbleiben. „Wir werden das nicht weitermachen“, kündigte der Vorstandssprecher an: „Wir haben uns 15 Projekte angeschaut, aber die sind so wenig geeignet, dass wir das nicht weiterverfolgen werden. Daran verdienen meist nur Landbesitzer und Projektentwickler.“ Auch vom Ziel von 240 Megawatt Windkraftkapazität nahm Grünhagen Abstand. Jetzt sollen es 40 bis 50 Megawatt sein.

Investiert werden soll dagegen in die Ergänzung des Vertriebsgeschäfts, Stichwort Contracting. Dabei wird mit Industriekunden darüber gesprochen, wie sich ihr Bedarf an Wärme, Kälte, Druckluft oder Licht (LED) mit Hilfe des Energieversorgers optimieren lässt - zum beiderseitigen Nutzen. Rund 100 Millionen Euro Umsatz will Enervie in diesem Geschäftsfeld mit steigendem Personalbedarf bis 2018 erzielen, kündigte Vertriebsvorstand Struwe an. Heute sind es noch 14 Millionen Euro.

Bei der Frage, wer das RWE-Aktienpaket an Enervie übernimmt, ließ Grünhagen keine klare Präferenz erkennen. Dies sei „aktuell von untergeordneter Bedeutung“. Eine Übernahme durch das Unternehmen Remondis aus Lünen rege vielleicht eher die Phantasie an als die Aufstockung kommunaler Anteile. Aber: „Wir sind zu 80 Prozent kommunal, da können wir gegen Rekommunalisierung nichts haben.“ Viel wichtiger sei jetzt das operative Geschäft.