Hagen. . Vor 40 Jahren sang Paula Roy Miller die Maria Magdalena in der deutschen Premiere von „Jesus Christ“. Heute dirigiert ihr Sohn Christopher das Stück am Theater Hagen

Das Musical „Jesus Christ Superstar“ ist der Kassenschlager am Theater Hagen. Christopher Bruckman, der neue Solorepetitor aus New York, dirigiert das Stück. Seine Mutter Paula Roy Miller war die Maria Magdalena der umjubelten deutschen Erstaufführung 1972 in Münster. Derzeit besucht sie ihren Sohn in Hagen. „Das ist, als würde sich ein Kreis schließen“, sagt die Künstlerin.

Als die junge Paula Roy seinerzeit nach Europa kam, wollte sie eigentlich eine Opernkarriere aufbauen. „Europa ist die Quelle der klassischen Musik, deswegen bin ich nach Wien gegangen. Ich konnte noch kein Deutsch und wollte die Sprache studieren. Dann kam dieses Vorsingen für ,Hair’.“

Lob von Lloyd Webber

Und damit änderte sich alles. Denn die neuen amerikanischen Rockmusicals sollten im Triumph das Publikum erobern. „Aber viele deutsche Sänger kannten damals den Stil nicht und konnten nicht gleichzeitig singen und tanzen.“ Paulas Vielseitigkeit als Darstellerin, Sängerin und Tänzerin fiel positiv auf.

Donna Summer war mit im ersten „Hair“-Ensemble, und sie versuchte später auch, als Maria Magdalena im deutschen „Jesus Christ“ besetzt zu werden. „Sie hat die Rolle nicht bekommen, weil Mama sie bekommen hat“, berichtet Christopher Bruckman stolz. Andrew Lloyd Webber hörte sich das Vorsingen in Hamburg an. Unter der riesigen Anzahl an Kandidatinnen wählte er Paula Roy aus. „Du siehst aus wie Maria Magdalena. Ich hoffe, dass Du auch singen kannst“, sagte der berühmte Komponist zu der jungen Künstlerin.

Auf den Weg gemacht

Fast vier Jahrzehnte nach seiner Mutter hat sich Christopher Bruckman aus New York auf den Weg gemacht, um in der Schweiz in Bern zu studieren und dann in Deutschland eine Dirigentenkarriere zu starten. Nach Koblenz ist Hagen seine zweite Berufsstation. „Man kann in den USA gut Musik studieren, wenn man es sich leisten kann, bis zu 40 000 Dollar Studiengebühren im Jahr zu zahlen. Aber nach dem Examen gibt es keine Arbeitsstellen“, konstatiert er. Außerdem findet er wie seine Mutter, dass man in Europa näher an den Wurzeln der Klassik ist.

Als Paula Roy mit „Hair“ und „Jesus Christ“ auf Deutschlandtournee ging, gab es nicht nur sehr wenige Deutsche, die Englisch sprechen konnten, es gab auch noch kaum Pizzerien, von japanischen oder thailändischen Restaurants ganz zu schweigen. Wenn Christopher heute durch Hagen geht, sieht er Passanten mit Kappen, auf denen die Buchstaben New Yorker Baseballteams prangen. „Es gibt in Deutschland eine große Liebe zur amerikanischen Kultur“, hat er festgestellt. Als Solorepetitor ist Christopher Bruckman am Theater Hagen dafür verantwortlich, mit den Sängern ihre Partien einzustudieren, er übernimmt Dirigierverpflichtungen wie in „Jesus Christ“ und er tritt auf, wann immer im Orchester ein Klavier- oder Celestaspieler gefragt ist. Demnächst spielt er auch eine Rolle im neuen Kinderstück „Tote Pinguine schmecken nicht.“ „Ich möchte mich nicht zu sehr spezialisieren. Ich möchte Klavier spielen, dirigieren, singen, schauspielern, Kammermusik machen, mir viele Opernvorstellungen anschauen. Langfristig möchte ich mich dirigentisch gerne mehr ausbilden und zu dem Punkt kommen, wo ich fähig bin und gefragt werde, Verdi und Wagner zu dirigieren und Mozarts ,Figaro’ auf dem Hammerklavier zu leiten. Und ich freue mich auf diesen langsamen Prozess.“

Die Sängerin Paula war erstaunt, als ihr Sohn verkündete, dass er Musiker wird. „Christopher hat mit fünf Jahren angefangen, Klavier zu spielen. Es war immer leicht für ihn, und er übte nicht viel. Ich dachte, dass es für alle Kinder so leicht wäre“, erinnert sie sich. „Erst als sie merkte, dass ich in der Schule Preise gewann, stellte sie fest, dass ich begabt bin“, blickt Christopher schmunzelnd zurück. Seine Mutter bewundert der junge Dirigent sehr: „Sie hat ein großes Sprachtalent. Sie spricht Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Sie liebt die deutschen Kunstlieder zum Beispiel von Schubert und kann sie immer noch auswendig. Wenn sie aus New York zu Besuch kommt, dauert es nur zwei Tage, und dann spricht sie wieder fließend Deutsch.“

Bewundertes Theatersystem

Ein Musikerdasein ist in den USA nicht besonders hoch geachtet. „Ich bin dem ganzen deutschen Theatersystem unbeschreiblich dankbar, dass wir hier als normaler Beruf angesehen werden. Wenn man in den USA sagt, ,Ich bin Pianist’, heißt es, ,Aha, und was machst Du tagsüber’“, lobt Christopher Bruckman.

In Hagen musste sich der Künstler nach Bern und Koblenz erst einleben. Keine historischen Altstädte, Volme statt Rhein. Doch er hat seine neue Heimat schätzen gelernt. „Ich freue mich ganz besonders darüber, wie viel Interesse die Bürger hier am Theater haben und an den Persönlichkeiten, die dort arbeiten. Am Anfang habe ich die Schönheit von Koblenz und Bern vermisst, aber man erkennt schnell, dass die Schönheit in Hagen in den Menschen lebt.“

www.theaterhagen.de