Hagen. Kindern zu zeigen was es bedeutet, im Rollstuhl sitzen zu müssen war das Ziel eines Projekts, das die Janusz-Korczak-Schule in Kooperation mit dem Förderverein der Volkshochschule ins Leben gerufen hatte.

Wie ist es eigentlich, wenn man nicht auf den eigenen Beinen laufen kann? „Es ist auf jeden Fall anstrengend“, hat die neunjährige Hannah Ribbert, Drittklässlerin der Grundschule Janusz Korczak in Wehringhausen, festgestellt: „Ich möchte nie im Leben im Rollstuhl sitzen.“

Die eine Schulstunde hat ihr gereicht. Die dreiviertel Stunde hat genügt, um Hannah zu verdeutlichen, mit welchen Einschränkungen Rollstuhlfahrer leben müssen und mit welchen Widrigkeiten sie zu kämpfen haben. Und genau das war das Ziel des Rollstuhlprojekts, das die Schule in Kooperation mit dem Förderverein der Volkshochschule ins Leben gerufen hatte: „Die Kinder sollten sich in die Lage behinderter Menschen versetzen und lernen, wie mühsam es für Rollstuhlfahrer sein kann, sich im Alltag zu bewegen“, berichtete Nese Karaman, Klassenlehrerin der 3a.

„Wer im Rollstuhl sitzt, der kann Spaß haben“

Thomas Kauke (46) ist von Geburt an querschnittsgelähmt. Für ihn ist es selbstverständlich, dass Gesundheit nichts Selbstverständliches ist. Dass es urplötzlich jeden treffen kann: „Ein Verkehrsunfall, ein unvorhergesehenes Unglück – und man sitzt im Rollstuhl.“ Seit einigen Jahren hat er es sich zur Aufgabe gemacht, gesunde Menschen mit dem Rollstuhldasein zu konfrontieren, weil ihm die Du-bist-ja-behindert-Sprüche weh tun und weil er ein Zeichen setzen will: „Setzt euch mal in den Rollstuhl“, fordert er die Schüler auf.

Ein wenig zaghaft, aber ohne Scheu nehmen die Kinder in den bereit stehenden Gefährten Platz. Sie folgen Kauke durch die Turnhalle, sie wenden und spielen Basketball, und nachdem es mehrmals hin und her gegangen ist, siegt die Erkenntnis, dass Rollstuhlfahren ebenso aufregend wie anstrengend ist: „Es ist gut, aber nicht so ganz gut“, formuliert es Siran Ibrahim (8), und seine Klassenkameradin Fiona Kunusevci (9) fügt hinzu: „Mir tun die Beine weh.“ Kinder in ihrem Alter zeigen nicht lange Berührungsängste, wenn es um sensible Themen wie Rollstuhlfahren geht. Und das sei auch gut so, findet Thomas Kauke: „Wer im Rollstuhl sitzt, der kann Spaß haben, der muss nicht zu Hause bleiben und in der Ecke verkümmern.“ Der habe ein Sportgerät unter sich, der könne Tennis spielen, Badminton und Basketball. Tischtennis und sogar Eishockey.

Und wer weiß, wer einmal in einem Rollstuhl gesessen hat, und sei es nur für eine dreiviertel Stunde, der versteht vielleicht, dass man trotz einer Behinderung ein normales Leben führen kann, der unterdrückt beim nächsten Mal vielleicht den dummen Spruch: „Ei, du bist ja behindert.“