Hagen-Mitte. Seit 40 Jahren ist die Telefonseelsorge für die Menschen in Hagen da. Vorzugsweise für diejenigen, die Probleme haben. Dabei ist die Seelsorge längst nicht mehr nur telefonisch zu erreichen, sondern auch per Mail und per Chat.

Vor 40 Jahren, am 2. April 1974 morgens um acht, wurde das erste Gespräch in der Telefonseelsorge entgegengenommen. Was damals begann, hat sich heute zu einer Anlaufstelle für Menschen in Not entwickelt, die von 83 ausgebildeten ehrenamtlichen Mitarbeitern am Telefon und im Internet rund um die Uhr besetzt wird. Warum die Telefonseelsorge in Hagen etwas Besonderes ist und was die Mitarbeiter in all den Jahren erlebt haben, darüber gibt ihr Leiter Dr. Stefan Schumacher Auskunft.

Ihre Mitarbeiter und Sie werden täglich mit traurigen Schicksalen konfrontiert. Welches war Ihr ergreifendstes Erlebnis?

Dr. Stefan Schumacher: Besonders ergreifend sind gerade die Anrufe, die von sehr hilflosen Menschen ausgehen. Einmal haben uns beispielsweise zwei Mädchen im Alter von acht bis zehn Jahren aus einer Telefonzelle angerufen. Sie sagten uns, dass sie im Schlafanzug seien und ihre Eltern sich Zuhause gerade prügeln würden. Die Beiden waren wirklich verzweifelt, und zum Glück konnten wir ihnen helfen, nachdem wir Kontakt zu ihren Schulfreunden und deren Eltern aufgenommen hatten.

Gab es neben den vielen traurigen Schicksalen auch mal einen lustigen Vorfall?

Schumacher: Ja. Einmal ähnelte wohl unsere Nummer einer Servicenummer der Telekom. Der Anrufer war sehr erbost und beschwerte sich aufgebracht über ein technisches Problem, ohne wahrzunehmen, dass er von der Telefonseelsorge begrüßt worden war. Nach einiger Zeit gelang es uns doch noch, ihn aufzuklären und nach einem zehnminütigen Gespräch legte der Anrufer lachend auf mit den Worten: „ Da haben aber die echten Mitarbeiter der Telekom noch mal Glück gehabt, jetzt hab´ ich mich abgeregt.“

Sie und Ihre Mitarbeiter leisten ehrenamtlich eine unglaublich wichtige Arbeit. Wie wird man eigentlich Mitarbeiter bei Ihnen?

Schumacher: Man kann sich einfach telefonisch bei uns melden, und zunächst wird auch jeder ohne bestimmte Voraussetzungen aufgenommen. Es folgt ein Assessment-Center und danach eine eineinhalbjährige Ausbildung. Ein Interessent sollte Empathie, eine ausgewogene Wertehaltung und eine stabile Psyche mitbringen.

40 Jahre, 340.000 Stunden und 450.000 Anrufe – das ist ein beachtliches Stück Arbeit. Worauf sind Sie besonders stolz?

Schumacher: Vor allem auf die Möglichkeit der Mailberatung und des Chats. Durch das Internet können wir ganz andere Menschen erreichen, die so traumatisiert sind, dass sie nur über die Tastatur mit uns sprechen können. Ebenfalls ganz besonders an der Telefonseelsorge Hagen ist, dass sie international sehr gut vernetzt ist und somit ein toller Austausch mit den Anlaufstellen anderer Länder möglich wird.

In der Zeit des Internets, in der sich jeder seine Fragen dank Google selbst beantworten kann – wie wichtig ist da noch eine Anlaufstelle wie Ihre?

Schumacher: Klar, Sachinfos kann man im Netz bekommen, unsere Aufgabe im Netz stützt sich allerdings auf zwei Säulen: Entlastung und Beziehung. Wir stellen ein zentrales Gegenüber dar, welches auf den Ratsuchenden rea­giert. So etwas kann durch automatisierte Maschinen nicht gegeben werden.