Hagen. Der von der Stadt beauftragte Detektiv hat insgesamt 1029 Müllsünder ertappt, die an den Containerstandorten illegal Müll entsorgt haben. Nur 38 legten Einspruch gegen das Bußgeld ein. Für einen 42-Jährigen endet der Gang vor Gericht teuer: Die Richterin verdoppelte das Bußgeld.
Er wird begrüßt, oder er wird verflucht: Der Mülldetektiv, der versteckt an Containern lauert und mit langem Objektiv heimlich jeden fotografiert, der dort illegal seinen Abfall ablädt. 1029 Anzeigen gegen Müllsünder hat er geschrieben – jetzt wehren sich die ersten Ertappten dagegen vor Gericht.
Drei Monate lang war der Mann (36), der wie ein verdeckter Ermittler agiert, unterwegs. Von April bis Ende Juni letzten Jahres, ganz offiziell und im Auftrag des Hagener Entsorgungsbetriebs (HEB). Seine Mission: „Umweltferkel“ aufzuspüren, die ihre Hausmülltüten ins Altpapier stopfen, Farbtöpfe im Altglas verschwinden lassen oder ganze Autoladungen an Sperrgut, Sonder- und Gewerbemüll „kostengünstig“ neben die Container stellen.
Hausmüll zwischen Altpapiercontainer geworfen
Klick. Es ist der 19. Mai letzten Jahres, 15.04 Uhr, in Altenhagen. Der Mülldetektiv hockt versteckt in einem Auto am Friedensplatz – einem besonders verdreckten Müllcontainer-Standort. Er hat gerade einen dreisten Abfallentsorger vor der Linse. Klick. Auf dem Beweisfoto sehen wir einen Mann im Sommerhemd, der im Seat Alhambra am Marktplatz vorgefahren ist und aus dem geöffneten Kofferraum pralle Abfallsäcke entnimmt.
Klick. Das nächste Bild entlarvt den 42-Jährigen als rücksichtslosen Umweltverschmutzer: Ein grauer Sack mit Hausmüll und drei weiße Säcke voll Styropor werden einfach zwischen die Altpapiercontainer geworfen. Der Metallarbeiter bemerkt nicht, dass er dabei heimlich vom Mülldetektiv fotografiert wird. Monate später flattert ihm ein Bußgeldbescheid der Stadt ins Haus: Der Müllsünder soll 100 Euro zahlen.
Anwältin sieht Persönlichkeitsrecht verletzt
„Das war schon einer unserer höchsten Bußgeldbescheide“, weiß Stadtsprecher Thomas Bleicher, „in der Regel wurden lediglich Verwarngelder zwischen 10 und 35 Euro verhängt.“ Dennoch sei die dreimonatige Mülldetektiv-Aktion recht einträglich gewesen – 20.715 Euro flossen rechtskräftig in die Stadtkasse. Die allermeisten ertappten Abfallsünder haben ihr Knöllchen bezahlt, „spätestens, nachdem sie im Umweltamt die Beweisfotos eingesehen hatten“, so Bleicher.
Lediglich 38 Einsprüche seien eingelegt worden, fünf davon wurden bereits ans Amtsgericht abgegeben. Dort ist für alle Fälle Umweltrichterin Susanne Wegner zuständig. Sie verhandelte jetzt an zwei Terminen den krassen Fall der vier prallen Müllsäcke, die am Friedensplatz weggeworfen worden waren.
Rechtsanwältin Sevgül Asan-Varli zog sämtliche Register: Ihr Mandant verweigerte die Aussage, sein Persönlichkeitsrecht sei verletzt worden, als er ohne sein Einverständnis heimlich fotografiert wurde. Das verstoße gegen das Grundgesetz. Die Fotos des Mülldetektivs seien illegal. Deshalb widersprach sie auch ausdrücklich einer Beweisverwertung.
Richterin: „100 Euro sind zu niedrig“
Die Anwältin legte Zeitungsausschnitte vor, in denen sich zahlreiche Bürger empörten, sie seien zu unrecht vom Mülldetektiv bezichtigt und mit einer Anzeige überzogen worden: „Die Presseberichte belegen deutlich, dass da was nicht stimmt.“ Verteidigerin Asan-Varli plädierte am Ende auf Freispruch, wagte sich dabei weit heraus: „Das ist auch hier der Fall gewesen, dass manipuliert worden ist.“
Das sah Umweltrichterin Wegner alles ganz anders: „Die Bilder sind völlig eindeutig. Und anlassbezogenes Fotografieren ist natürlich erlaubt, sonst gäb’s ja keine Starenkästen.“ Im Urteil verdoppelte die Richterin das von der Stadt verhängte Bußgeld: „100 Euro sind in diesem Fall zu niedrig, 200 Euro müssen es schon sein.“ (Az. 76 OWi 239/13).