Hagen. In Hagen leiden etwa 3500 Menschen an der Krankheit, im Jahr 2050 könnten es doppelt so viele sein. Bereits vor sieben Jahren wurde eine Demenz-Wohngemeinschaft gegründet. Mitten in der Stadt – in der Elberfelderstraße 89.
Auf den ersten Blick sieht das Wohnzimmer aus wie in jeder gut zusammengewürfelten Studenten-WG: Ein großer Ohrensessel mit grünem Samtbezug steht neben einem kleineren orangefarbenen Exemplar, gegenüber kann man auf einer schwarzen Ledercouch Platz nehmen.
Auch die geräumige Wohnküche scheint wie gemacht für die Bedürfnisse des gemeinen Studenten. Also: gesellige Kochabende und vielleicht die ein oder andere Party. Allein: Studenten sind in der Wohngemeinschaft an der Elberfelder Straße kaum anzutreffen – es sei denn, sie besuchen gerade ihre Oma.
Wohngemeinschaft bisher einzigartig
65 bis 93 Jahre sind die WG-Bewohner alt, sieben Frauen sind es zurzeit. Sie alle sitzen jetzt um den Esstisch in der Küche, essen Blaubeerkuchen und trinken Kaffee. Manche unterhalten sich, andere blicken in sich gekehrt auf ihr Stück Kuchen.
Die Kaffeerunde am Nachmittag ist fester Bestandteil des Alltags, genauso wie das warme Mittagessen um 12 Uhr, die Brettspiele am Montag und die Bewegung zu Musik am Mittwoch. Das bringt Struktur und die ist für die WG-Bewohner besonders wichtig. Denn sie alle haben eins gemeinsam: Sie sind an Demenz erkrankt.
In Hagen leiden etwa 3500 Menschen an der Krankheit, im Jahr 2050 könnten es doppelt so viele sein. Wenn das Vergessen einsetzt, scheint der Umzug ins Heim für viele oft die naheliegendste Lösung zu sein. Eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke ist in Hagen bisher einzigartig.
Trend zu erkennen
„Es ist ein Trend zu erkennen, dass das die Versorgungsform der Zukunft ist“, sagt Dennis Ludwig von ALTER-nativ Wohnen. Das Unternehmen ist Vermieter der Wohnung und 29 weiterer an Rhein und Ruhr. „Weil man erkannt hat, dass die Menschen so glücklicher und länger leben“, sagt er.
Davon ist auch Günter Schmale überzeugt. Der Altenpfleger hat 20 Jahre stationär gearbeitet, seit drei Jahren leitet er das Betreuerteam der Demenz-WG. Ein himmelweiter Unterschied, wie er findet. „Wenn ich einen Menschen versorgen will, muss ich den Menschen kennen.“ Stationär sei dafür keine Zeit gewesen. „Das war eine Massenabfertigung“, erinnert sich Schmale.
Ein Zimmer ist noch frei
Die barrierefreie Demenz-WG an der Elberfelder Straße hat noch ein Zimmer zu vergeben – gerne auch an einen Mann.
Informationen gibt es bei Dennis Ludwig, ALTER-nativ Wohnen, 0209/5908200, und Eldin Dülberg, Pflegedienst Humanika, 0231/9776611 oder 0151/64932069.
Hätte er im Heim pro Schicht noch 15 bis 20 Bewohner betreuen müssen, seien es in der WG lediglich vier. „Da bleibt dann auch mal Zeit, um in der Stadt ein Eis zu essen oder sich einfach mal eine halbe Stunde zu unterhalten“, sagt Schmale.
Gegenseitiges Bemuttern
Auch untereinander kommen sich die Bewohner nahe. Als vor sechs Monaten eine neue Mieterin einzog, sei sie sofort in die Gruppe aufgenommen worden. „Die bemuttern sich gegenseitig.“ Mehr Miteinander, mehr Individualität – das sei der Vorteil einer WG, in der es keine starren Besuchszeiten gibt, jeder so lange schlafen kann, wie er will, und mitentscheidet, was zum Essen auf den Tisch kommt. So werde die Wohnung ein Zuhause.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil sich jeder so einrichten kann, wie er früher gewohnt hat. Und sei es mit orangefarbenen und grünen Sesseln.