Hagen. . Mit der Nominierung der Ratskandidaten für die Kommunalwahl 2014 drohen in der Hagener SPD alte Gräben aufzubrechen. Das Ergebnis der Mitgliederversammlung in Wehringhausen wird jetzt offiziell angefochten.

Über Monate erschienen die internen Feuerchen zwischen dem „Würzburger“- und dem „Zorbas“-Lager unter dem Dach der Hagener SPD erloschen. Längst hatte die CDU mit ihrem innerparteilichen Gezänk rund um ihre ungeliebten Import-Figuren aus Mülheim und Aachen den Genossen in Sachen Zwietracht den Rang abgelaufen.

Doch mit den aktuell laufenden Kandidaten-Nominierungen für Rat und Bezirksvertretungen drohen im Vorfeld der Kommunalwahl 2014 bei den Sozialdemokraten alte Gräben zwischen deutlich größer gewordenen Klein-Strolchen und weiter ergrauten Altvorderen wieder aufzubrechen.

Ratsfrau ausgebremst

Jüngstes Beispiel: die Mitgliederversammlung der SPD-Wehringhausen. Dabei wurden Ratsherr Claus Rudel und der stellvertretende Juso-Vorsitzende Kevin Niedergriese für das Stadtparlament nominiert. Für die etablierte Ratsfrau Uschi Metz-Demnitz, Angetraute des Alt-OBs, fand sich plötzlich keine Mehrheit mehr.

Eine Schlappe für die gern eckig agierende Genossin mit Ansage. Denn mit dem Ortsvereinswechsel von Niedergriese aus Haspe-Süd – dort waren zuletzt die Posten an Granden wie den SPD-Unterbezirksvorsitzenden Timo Schisanowski und Bezirksbürgermeister Dietmar Thieser verteilt – nach Wehringhausen zeichnete sich diese Entwicklung bereits ab. Plötzlich reichlich auftauchende Neumitglieder aus anderen Stadtteilen, alle ausgestattet mit Ausnahmegenehmigungen, ließen die Mehrheitsverhältnisse entlang der Lange Straße kippen.

Listenplatz abgelehnt

Vor diesem Hintergrund suchten Schisanowski und Rudel das (er-)klärende Gespräch mit Uschi Metz-Demnitz, um der stellvertretenden Unterbezirksvorsitzenden zumindest über einen sicheren Listenplatz doch noch den Weg in den nächsten Rat zu ebnen. Als Ausweichalternativen wurden der 64-Jährigen Direktwahlkreise in Altenhagen und Dahl offeriert, in denen Sozialdemokraten traditionell nur Zählkandidaten sind.

„Das war aber für mich nicht vorstellbar – ich bin in Wehringhausen verwurzelt, hier liegen meine Themen und hier werde ich auch von den Menschen angesprochen“, ignorierte die Ratsfrau diese in Aussicht gestellten Mandatsbrücken und schritt sehenden Auges in ihre Abstimmungsniederlage: Mit 24 zu 13 Stimmen votierten die Mitglieder für den potenziellen Ratsnovizen Niedergriese und setzten damit dem weiteren lokalpolitischen Schaffen von Uschi Metz-Demnitz ein jähes Ende.

Keine geheime Wahl

Zumindest vorläufig: Denn ab der kommenden Woche – die entsprechende Post ist bereits unterwegs – muss sich der Unterbezirksvorstand mit zwei Anträgen beschäftigen, in denen die Wehringhauser Delegiertenwahlen für die SPD-Wahlkreiskonferenz sowie die Ratskandidaten-Nominierungen für nichtig erklärt und angefochten werden.

Zum einen bemängelt Prof. Dr. Karl-Heinz Hasenritter (Institut für Verwaltungswissenschaften an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung), der in Hagen zuletzt als Kulturgutachter auffiel, dass angesichts der räumlichen Enge – urplötzlich waren 37 Mitglieder anwesend – die in der Wahlordnung ausdrücklich geforderte geheime Abstimmung gar nicht stattgefunden habe: „Die Verhältnisse an den Tischen waren so beengt, dass es mir möglich war, die Stimmabgabe meiner Tischnachbarn zu beobachten.

Da diese aus Haspe kamen, haben Sie en bloc für den Hasper Kandidaten Niedergriese und die von ihm vorgeschlagenen Kandidaten gestimmt. Die Tischnachbarn konnten auch mich bei der Stimmabgabe beobachten.“

Zudem sei keine Wahlurne vorhanden gewesen. Stattdessen habe die Zählkommission die Wahlzettel tischweise eingesammelt, so dass Rückschlüsse auf die Stimmabgabe anhand der Sitzordnung möglich gewesen seien, so Hasenritter.

Außerdem: „Es war eine Vielzahl von Personen anwesend, die ich zum ersten Mal gesehen habe. Die Legitimation dieser Personen als Parteimitglied wurde von der Zählkommission nicht überprüft.“

Wahlanfechtung

Darüber hinaus beantragt parallel eine Gruppe um Hasenritter und Alt-OB Peter Demnitz, das Resultat der Wehringhauser SPD-Mitgliederversammlung in Gänze für ungültig zu erklären. Ihr Verdacht: Nach Altenhagener Vorbild seien durch eine inszenierte Flut externer Mitglieder hier gezielt Mehrheiten manipuliert worden – ein Putsch im Stil einer feindlichen Übernahme.

„Nach unserem Kenntnisstand waren 37 Mitglieder anwesend, von denen nach eigenen Angaben in der Anwesenheitsliste lediglich 21 ihren Wohnsitz im Stadtbezirk Mitte hatten“, verweisen die Unterzeichner der Wahlanfechtung darauf, dass das im Organisationsstatut der SPD für die Ortsvereine festgelegte Wohnsitzprinzip gezielt ausgehöhlt und in sein Gegenteil verkehrt worden sei. Da auch die übrigen Anwesenden aus dem Stadtbezirk Mitte zum Teil aus anderen Innenstadt-Ortsvereinen gekommen seien, sank bei der Abstimmung der Anteil der tatsächlichen Wehringhauser unter die 50-Prozent-Grenze, so die Hochrechnung der Zweifler.

Für Peter Demnitz eine Verkehrung der Grundsätze der innerparteilichen Demokratie: „Da alle relevanten Parteien nach dem Ortsteilprinzip aufgebaut sind, kann es demzufolge auch nur Delegierten- oder Ur-Wahlen geben, die von stimmberechtigten Mitgliedern aus der Ortsebene durchgeführt werden. Wenn die Mehrheit der anwesenden Mitglieder bei einer Delegiertenwahl jedoch gar nicht im Ortsteil wohnt, wäre dieses Prinzip in sein Gegenteil verkehrt.“

Eintritt als Strategie

Vor diesem Hintergrund kommt die Gruppe um Hasenritter und Demnitz zu dem Urteil: „Die massenhafte Eintrittswelle in den Ortsverein Wehringhausen ist nicht auf eine Vielzahl von individuell getroffenen Entscheidungen zurückzuführen, sondern Teil eines organisierten Prozesses mit dem Ziel, Wahlen für Delegationen, Kandidaturen und Funktionen zu beeinflussen.“

In der in den Ortsvereinssitzungen üblichen Runde, bei der neue Mitglieder sich vorstellen, sei von keinem der plötzlich Anwesenden auch nur ansatzweise ein Argument für das Engagement in der SPD vorgebracht worden.

Gesetzesverstöße

Die Anfechter des Wahlergebnisses verweisen bei ihrem Protest auch auf das Kommunalwahlgesetz NRW sowie den Artikel 21 des Grundgesetzes: Hier sei jeweils die politische Willensbildung von unten nach oben festgeschrieben, wozu auch das Ortsteilprinzip gehöre. „Demnach sind die Wahlen und Nominierungen ungültig“, folgert die Gruppe. Eine These, mit der sich jetzt erst einmal der SPD-Unterbezirksvorstand befassen muss.

Alles in allem eine sozialdemokratische Inszenierung, die der politische Gegner pünktlich zur Kommunalwahl kaum geschickter hätte einfädeln können. Bei der CDU soll die entscheidende Wahlkreiskonferenz erst im Februar 2014 stattfinden.